# taz.de -- Erderwärmung: So schnell wie Europa erhitzt sich kein Erdteil | |
> Der Copernicus-Report zeigt, wie dramatisch der Kontinent vom Klimawandel | |
> betroffen ist. Klimaschützende warnen vor der neuen Bundesregierung. | |
Bild: Retten, was geht: Menschen bringen nach der Überschwemmung in Valencia i… | |
Kein anderer Teil der Welt erhitzt sich so schnell wie Europa. Das geht aus | |
dem gemeinsamen Bericht des EU-Klimadiensts Copernicus und der | |
Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hervor, der am Dienstag | |
veröffentlicht wurde. | |
Laut Bericht prägte 2024 ein Ost-West-Gegensatz die klimatischen | |
Verhältnisse in Europa. Zwar war es auf dem gesamten Kontinent | |
außergewöhnlich heiß – während im Osten extreme Trockenheit vorherrschte, | |
überwog im Westen aber eher feuchte Witterung. Westeuropa erlebte die | |
heftigsten Überflutungen seit 2013. | |
Besonders von Hochwasser getroffen war die spanische Region Valencia. | |
Weitere schwere Überschwemmungen gab es in Teilen Deutschlands und in | |
Nachbarländern wie Polen, Österreich, Tschechien sowie in Italien, Ungarn, | |
Rumänien und der Slowakei. | |
„Der Bericht 2024 zeigt, dass fast ein Drittel des Flussnetzes die | |
Hochwasserschwelle überschritten hat und dass der Hitzestress in Europa | |
weiter zunimmt“, sagt die Meteorologin Florence Rabier, „was deutlich | |
macht, wie wichtig es ist, die Widerstandsfähigkeit zu verbessern.“ Sie | |
leitet das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen, das | |
den Copernicus-Dienst im Auftrag der Europäischen Kommission betreibt. | |
## Viele Negativrekorde | |
Der Report zählt noch viele weitere Negativrekorde auf: So wurde der bisher | |
massivste Gletscherverlust in Skandinavien registriert. Die Zahl der Tage | |
mit starkem bis extremem Hitzestress war demnach 2024 in Europa die | |
zweithöchste seit Beginn der Aufzeichnungen. | |
Als starker Hitzestress gelten Temperaturen ab 32 Grad Celsius, als | |
extremer Hitzestress ab 38 Grad. In Südosteuropa wurden zwischen Juni und | |
September gleich sechs Hitzewellen verzeichnet – darunter mit 13 Tagen | |
Dauer die längste überhaupt gemessene. | |
Die Copernicus-Fachleute schätzen, dass durch Extremwetterereignisse wie | |
Starkregen und Überschwemmungen im vergangenen Jahr mindestens 335 Menschen | |
ums Leben kamen und Schäden von über 18 Milliarden Euro entstanden. Rund | |
413.000 Menschen waren direkt beteiligt. | |
## 2024 war das heißeste Jahr | |
Der Bericht bestätigt, was Copernicus bereits Anfang des Jahres | |
veröffentlicht hat: 2024 war das heißeste Jahr seit Beginn der | |
Wetteraufzeichnungen – in Europa wie weltweit. Erstmals wurde die Marke von | |
1,5 Grad gerissen, die das Pariser Abkommen als Grenze für eine möglichst | |
kontrollierbare Erderhitzung nennt. In Europa lag die Temperatur sogar um | |
2,92 Grad über dem vorindustriellen Niveau. | |
Das zeigt sich auch in den Ozeanen. Die Meeresoberflächentemperaturen lagen | |
im europäischen Bereich um 0,7 Grad über dem langjährigen Durchschnitt. Im | |
Mittelmeer seien die Durchschnittswerte sogar um 1,2 Grad überschritten | |
worden. | |
Doch der Report enthält auch einige Lichtblicke: Der Anteil der | |
erneuerbaren Energien an der europäischen Stromerzeugung stieg 2024 auf ein | |
Rekordhoch von 45 Prozent. In immerhin 20 der 27 EU-Staaten kommt | |
mittlerweile mehr Strom aus erneuerbaren als aus fossilen Quellen. 51 | |
Prozent der europäischen Städte haben Strategien zur Klimaanpassung | |
verabschiedet – vor sieben Jahren waren es noch 26 Prozent. | |
## Die Bundesregierung muss handeln | |
Umwelt- und Klimaverbände fordern die künftige Bundesregierung zu schnellem | |
Handeln auf. „Leider fürchte ich, dass die neue Regierung die Lücke | |
zwischen Realität und nötigem Handeln nicht schmälert, sondern vergrößert�… | |
warnt WWF-Klimaexpertin Fentje Jacobsen. Der Koalitionsvertrag liefere | |
keine Antwort auf die fortschreitende Klima- und Biodiversitätskrise. | |
Sie erwarte, von den angekündigten Rückschritten etwa im Verkehrs- und | |
Gebäudesektor abzulassen. „Echter Klimaschutz muss auch vor der eigenen | |
Haustür stattfinden, statt CO2-Einsparungen in anderen Ländern | |
einzukaufen“, fordert Jacobsen. Union und SPD planen, Emissionsminderungen | |
auch in anderen Staaten anzurechnen, obwohl dabei in der Vergangenheit oft | |
betrogen wurde. | |
[1][Fridays for Future] nimmt den Bericht zum Anlass für ähnlich scharfe | |
Kritik: „Wir kommen uns langsam wie eine kaputte Schallplatte vor, wenn wir | |
wieder und wieder Klimaschutz einfordern müssen“, sagte [2][Sprecherin | |
Carla Reemtsma]. | |
Im April brennen im Rheinland Wälder, S[3][chiffe liegen am Grund des | |
ausgetrockneten Bodensees] und können nicht mehr durch den Rhein fahren. | |
All das seien Folgen der Klimakrise: „Greifbar, sichtbar, spürbar“, so | |
Reemtsma. In einer 2-Grad-Welt würden in Südeuropa die meisten der heute | |
existierenden Ökosysteme nicht überleben, warnt die Aktivistin. „Das heißt: | |
keine Tomaten, Gurken, Orangen aus Spanien mehr im Supermarkt.“ | |
Klimaschutz scheitere laut Reemtsma allein am politischen Willen. | |
„[4][Friedrich Merz] muss kein Fan von Klimaschutz sein, machen muss er’s | |
trotzdem – sonst wird er der Realität nicht gerecht.“ Die Bewegung werde | |
mit Protesten auch auf die neue Regierung Druck machen, damit diese ihrer | |
Verantwortung nachkommt. | |
15 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Fridays-for-Future/!6058812 | |
[2] /programm/2022/tazlab2022/de/speakers/1733.html | |
[3] /Trockenheit-und-niedrige-Pegelstaende/!6076577 | |
[4] /Schwarz-rote-Koalition/!6078290 | |
## AUTOREN | |
Maximilian Arnhold | |
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