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# taz.de -- Marlene Dietrich: Wie Marlene „Lola Lola“ und ein Weltstar wurde
> Vor 95 Jahren feierte Marlene Dietrich im Gloria-Palast Premiere. Sie
> wurde auf einen Schlag weltberühmt – dabei verdankt sie die Rolle einem
> Zufall.
Bild: Szene aus „Der blaue Engel“
Berlin taz | Das Vorhaben war gewagt. Die Universum Film AG (Ufa) plante
eine Heinrich-Mann-Verfilmung. Das Ziel am Ende der „Goldenen Zwanziger“:
[1][„Professor Unrat“] sollte in die Kinos gebracht werden – als Tonfilm.
Den gab es zu diesem Zeitpunkt zwar schon, es sollte allerdings bis Mitte
der 1930er Jahre dauern, bis er sich gegen den traditionsreichen Stummfilm
durchsetzen konnte.
Außerdem galt Heinrich Manns Roman von 1905 als skandalträchtig, weil er
viele Wertvorstellungen der wilhelminischen Epoche karikiert hatte. Der
sittenstrenge Gymnasiallehrer Professor Dr. Rath knechtet darin seine
Schüler seit über 25 Jahren. Dabei ist der Despot im Klassenzimmer ein
Doppelmoralist im Leben: Der gefürchtete Gelehrte verfiel einer verruchten
Varietésängerin und zerbrach an seiner unglücklichen Liebe.
Heinrich Mann schuf mit dem Roman ein ironisches und tragisches Spiegelbild
des Bildungsbürgertums in kaiserlicher Zeit. Das Werk mit dem Untertitel
„Das Ende eines Tyrannen“ wurde im Handel zeitweise aber anders benannt:
„Der blaue Engel“. Dies wies den weiteren Weg.
Die Ufa verpflichtete ab 1929 viele namhafte Künstler für ihren Film: Der
Produzent Erich Pommer war zuvor organisatorischer Kopf des filmischen
Meilensteins „Das Cabinet des Dr. Caligari“ von 1919. Die Regie führte
Josef von Sternberg, schon lange gefeiert in Hollywood. Das Drehbuch
stammte von Carl Zuckmayer, 1925 gewürdigt mit dem Kleist-Preis. Die Musik
komponierte Friedrich Hollaender, seit jeher verehrt in der Berliner
Kulturszene. Die Namensliste war klangvoll.
Den Lehrertyrannen von Heinrich Mann mimte Emil Jannings. Der
Stummfilmstar, der 1929 in den USA mit dem Oscar als „Bester
Hauptdarsteller“ ausgezeichnet worden war, ging für „Der blaue Engel“ ex…
zurück nach Europa.
## Nur die dritte Wahl
Die weibliche Hauptrolle war schwieriger zu besetzen: Denn Heinrich Mann
wollte für die Rolle der Varietésängerin „Lola Lola“ seine Geliebte Trude
Hesterberg – die ihn dazu bewogen hatte, der Verfilmung von „Professor
Unrat“ überhaupt zuzustimmen. Doch vergeblich: Regisseur Josef von
Sternberg war von ihr nicht angetan. Emil Jannings wiederum war sicher:
Anmut und Ausstrahlung, Eleganz und Erotik, Charme und Chic der „Lola Lola“
verkörperte nur eine einzige Schauspielkollegin – und zwar Maly Delschaft.
Delschaft hatte bereits viele Erfolge auf den hauptstädtischen Bühnen
gefeiert. Seite an Seite mit Emil Jannings hatte sie auch in Stummfilmen
wie „Varieté“ von 1925 überzeugt. Der Zufall wollte jedoch, dass ihr die
große Rolle verwehrt blieb: Maly Delschaft war per Telefon nicht zu
erreichen, als die Rolle der „Lola Lola“ besetzt werden sollte. Sie war zu
Besuch bei ihren Eltern.
Tag um Tag verstrich. Josef von Sternberg ging schließlich in Berlin in die
„Zwei Krawatten“-Revue mit Hans Albers. Der bereits berühmte Star wurde f�…
eine Nebenrolle in „Der blaue Engel“ unter Vertrag genommen. Der Regisseur
war nach dem Stück aber vor allem von einer noch unbekannten Schauspielerin
hingerissen. Ihr Name: Marlene Dietrich.
Josef von Sternberg setzte sie als „Lola Lola“ durch. Und das gegen
Widerstand von mehreren Seiten – etwa von den Ufa-Chefs, aber auch von
Marlene Dietrich selbst. Sie hielt sich für ungeeignet als Vamp, war erst
nach und nach von der Rolle zu überzeugen. Was folgte, wurde Legende.
## Triumpf für Dietrich
„Der blaue Engel“ wurde ab dem Herbst 1929 gedreht. Die Arbeit in den
Ufa-Ateliers in Neubabelsberg war bereits im Januar 1930 abgeschlossen.
Premiere wurde am 1. April 1930 gefeiert. Schauplatz war der
„Gloria-Palast“ im „Romanischen Haus“.
Das Lichtspielhaus direkt neben der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in
Charlottenburg hatte erst vier Jahre zuvor eröffnet und war eines der
edelsten Kinos in ganz Berlin: Leuchtreklamen über dem Kurfürstendamm,
Treppenstufen aus Marmor unter kristallenen Kronleuchtern, Seidenvorhänge
auf weiten Wandelgängen, dazu ein verspiegelter Wintergarten. Der
neobarocke Vorstellungssaal bot 1.200 Sitzplätze.
Die Vorstellung von „Der blaue Engel“ wurde zum Triumph – nicht so sehr f…
Emil Jannings, sondern vielmehr für Marlene Dietrich. „Lola Lola“ betörte
Professor Rath und die Kinogäste in Zylinder, seidenen Strümpfen und
hochhackigen Pumps.
Der Auftritt, der sie in die Handlung einführte, wurde eine der
bekanntesten Filmszenen des 20. Jahrhunderts. Auch die Lieder von Friedrich
Hollaender sang sie mit ungeahnter Brillanz: „Ich bin von Kopf bis Fuß auf
Liebe eingestellt“ ging bald um die Welt. Das Premierenpublikum bejubelte
Marlene Dietrich in einem kaum endenden Beifallssturm. „Unter Vertrag
nehmen!“, telegraphierte ein begeisterter Vertreter von Paramount Pictures
an seine Bosse in Hollywood.
## Gang nach Hollywood
Marie Magdalene „Marlene“ Dietrich, Mimin und Mythos, Stilikone und
Sexsymbol. Ihr Stern war über Nacht aufgegangen – in ihrer Heimat Berlin.
Sie wagte nun den Weg in die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Abreise
erfolgte bereits am Tag nach der Premiere von „Der blaue Engel“. Film um
Film spielte sie unter der Regie von Josef von Sternberg. Der Ruhm mehrte
sich.
[2][Hollywood hatte sie gelockt. Dies aber taten bald auch die Nazis.] Das
NS-Regime etablierte sich 1933 in ihrer alten Heimat. Marlene Dietrich
jedoch weigerte sich, ihre Schauspielkunst in den Dienst des
Nationalsozialismus zu stellen. Sie widerstand sogar dem Angebot von
NS-Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, der ihr 1936 die
außerordentlich hohe Summe von 200.000 Reichsmark für jeden Film bot, den
sie im Deutschen Reich drehen würde.
Die Bewunderung von Adolf Hitler wurde ihr zugesichert – und freie Wahl des
Stoffes, der Produktionsfirma und der Regie für alle erhofften Filme.
Marlene Dietrich lehnte ab. 1937 besuchte sie das Deutsche Reich zum
letzten Mal. Sie wiederholte ihre Weigerung gegenüber den Nazis.
Stattdessen spielte sie in Filmen unter der Regie von Alfred Hitchcock,
Billy Wilder und Orson Welles. 1939 wurde sie Staatsbürgerin der USA – und
Captain des US-Militärs im Zweiten Weltkrieg. Sie trat in der
Truppenbetreuung vor amerikanischen Soldaten auf – und vor deutschen
Kriegsgefangenen. In einer Rundfunkrede im September 1944 appellierte
Marlene Dietrich an deutsche Soldaten: „Jungs, opfert euch nicht“ und
sagte: „Hitler ist ein Idiot.“ In der NS-Propaganda wurde sie schon lange
als „Ami-Hure“ angefeindet.
Während Marlene Dietrichs Stern stieg, spielte Maly Delschaft während der
NS-Zeit an verschiedenen Berliner Theatern und hatte auch mehrere
Filmrollen. Außerdem spielte sie für die deutsche Truppenbetreuung im
besetzten Frankreich. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte sie vor allem
Nebenrollen in DEFA-Filmen. Sie arbeitete in Ost-Berlin und lebte in
West-Berlin. 1961 setzte der Mauerbau ihrer Karriere ein jähes Ende.
## Erinnerung an Delschaft
1970 wurde sie für ihr Lebenswerk mit dem „Filmband in Gold“ ausgezeichnet.
Sie starb 1995. Die Rolle, die ihr verwehrt geblieben war, begleitete sie
bis zuletzt. Auf der Gedenktafel am Kaiserdamm 89, ihrem einstigen
Wohnhaus, steht: „In ‚Der blaue Engel‘, der Marlene Dietrich weltberühmt
machte, sollte sie zunächst spielen.“ Sie galt als „Marlene vor der
Marlene“.
Gedenktafeln gibt es in Berlin auch für den Produzenten Erich Pommer und
den Musiker Friedrich Hollaender. Sie erinnern an die Bedeutung des Werks
für beide Lebenswege, die untrennbar mit „Der blaue Engel“ verbunden waren.
Der Filmtitel und ein Porträt von Marlene Dietrich finden sich zudem an
ihrem Geburtshaus in der Leberstraße 65 in Schöneberg.
Dort, wo der Film uraufgeführt wurde, gibt es allerdings keine Erinnerung
an „Der blaue Engel“. Das „Romanische Haus“ wurde am Abend des 22. Nove…
1943 bei einem britischen Luftangriff zerbombt, ebenso wie die
Gedächtniskirche. Das Kino wurde in den 50er Jahren in Sichtweite vom
einstigen Standort wieder errichtet.
„Gloria Berlin“ heißt der Bürokomplex, der sich heute am Kurfürstendamm
12–15 erhebt. In einem Konferenzsaal und einer Lounge wird an die filmische
Vergangenheit erinnert. Der Eingang zum ersten „Gloria-Palast“ jedoch hatte
sich knapp 200 Meter entfernt befunden – exakt dort, wo ab 1959 der Neubau
des benachbarten Gotteshauses erfolgte.
Die Geschichte des „Gloria-Palasts“ und das Leben von Marlene Dietrich sind
an der Gedächtniskirche nicht dokumentiert. Ein Anlass dafür bietet sich im
kommenden Jahr: Am 27. Dezember ist der 125. Geburtstag von Marlene
Dietrich. Eine Gedenktafel wäre sicher nicht das schlechteste Geschenk.
1 Apr 2025
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## AUTOREN
Nicolas Basse
## TAGS
Hollywood
Frauen im Film
Film
Social-Auswahl
Schwerpunkt Nationalsozialismus
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