# taz.de -- Russlands Krieg gegen die Ukraine: Explosionen nach Mitternacht | |
> Russlands Angriffe fordern weiter zivile Opfer. Wechselnde Neuigkeiten | |
> über Verhandlungen treten dabei in den Hintergrund. | |
Bild: Für viele Menschen in der Ukraine inzwischen ein gewohnter Anblick: Feue… | |
Kyjiw taz | Der Frühling bringt die ersten warmen Tage nach Kyjiw und es | |
gibt diese Momente, an denen die Stadt friedlich wirkt. Am Nachmittag | |
sitzen ein paar Dutzend Menschen auf Bänken über dem Dnipro. Von dem | |
Aussichtspunkt im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt hat man einen guten | |
Blick auf das gegenüberliegende, flache Ostufer. | |
Hier sind mehr Frauen als Männer, die meisten im Studentenalter. Sie | |
trinken Kaffee, manche machen Selfies, ein Pärchen knutscht. Der Platz wird | |
überspannt von einem Monument in Form eines Regenbogens: Der Bogen der | |
Völkerfreundschaft aus der Sowjetzeit hat seit 2018 einen aufgeklebten Riss | |
und heißt inzwischen Freiheitsbogen. | |
Nachts ist es hingegen alles andere als beschaulich. Um 20.39 Uhr heulen am | |
Samstagabend in Kyjiw die Sirenen. Russland greift die Ukraine aus mehreren | |
Richtungen mit weitreichenden Drohnen iranischer Bauart an. 147 sollen es | |
laut ukrainischer Luftwaffe gewesen sein. 97 davon habe man abschießen | |
können, weitere 25 seien Simulatoren gewesen, um die Flugabwehr zu | |
täuschen. | |
In dieser Nacht gehört [1][Kyjiw zu den Hauptzielen]. Zwischen Mitternacht | |
und 1 Uhr erreichen mehrere Gruppen die Hauptstadt. „Heute fliegen sie | |
tief, Vorsicht in Hochhäusern“, warnt ein Telegram-Kanal, der der | |
Luftverteidigung nahe stehen soll. Auch im Stadtzentrum schießt die | |
Flugabwehr mit allem, was sie hat. Auch hinter zwei Mauern sind die | |
Explosionen zu hören. Insgesamt sechsmal kracht es dumpf. | |
## Tote in Trümmern | |
In mehreren Kyjiwer Stadtteilen werden Wohngebäude getroffen, teilt | |
Bürgermeister Vitaliy Klitschko mit. Ein Restaurant, ein Lagerhaus und | |
mehrere Autos brennen aus. Rettungskräfte bergen drei Tote aus den | |
Trümmern, darunter ein fünfjähriges Mädchen. | |
Zu den Angriffen sagte Außenminister Andrij Sybiha: „Der systematische und | |
willkürliche Terror Russlands gegen Zivilisten widerspricht dessen eigenen | |
Äußerungen zu Frieden und untergräbt die Friedensbemühungen der USA und | |
anderer Partner.“ | |
Präsident Wolodymyr Selenskyj rief indes die Verbündeten seines Landes auf, | |
für eine Beendigung des Krieges „Druck“ auf Moskau auszuüben. „Neue | |
Entscheidungen und neuer Druck auf Moskau sind notwendig, um diese Angriffe | |
und diesen Krieg zu beenden“, erklärte er am Sonntag in Online-Netzwerken. | |
Zugleich forderte er „mehr Luftabwehrsysteme und eine wirkliche | |
Unterstützung“ des Westens. | |
In den Nächten zuvor waren unter anderem Saporischschja und Odessa schwer | |
getroffen worden. So ist es inzwischen fast jede Nacht. [2][Seit dem | |
Spätherbst greift Russland] meist mit einer dreistelligen Zahl an Drohnen | |
an, zuletzt fliegen sie häufiger in Gruppen ein, wohl um die Flugabwehr zu | |
überfordern. In den jüngsten Tagen gab es hingegen keine Angriffe mit | |
Raketen oder Marschflugkörpern. Die wären wesentlich teurer, hätten aber | |
auch mehr Sprengkraft. | |
Auch die ukrainischen Streitkräfte sind in der Luft aktiv. Beinahe täglich | |
gibt es inoffizielle Meldungen über Drohnenangriffe tief in russischem | |
Gebiet. Ein paar Stunden später melden dann russische Quellen, dass alle | |
angreifenden Drohnen abgeschossen worden seien. Dass das nicht ganz stimmen | |
kann, zeigten zuletzt Bilder von brennenden Raffinerien im südrussischen | |
Gebiet Krasnodar. | |
In dieser Woche wurde offenbar ein Munitionsdepot auf der Luftwaffenbasis | |
Engels an der Wolga getroffen – mehr als 600 Kilometer von ukrainisch | |
kontrolliertem Gebiet entfernt. Die massive Sekundärexplosion deckte in | |
einem benachbarten Dorf die Dächer ab. Von dem Flugplatz aus starten häufig | |
strategische Bomber, die dann mit Marschflugkörpern die Ukraine beschießen. | |
## Feuerpausen und Friedensgespräche | |
Die ständig wechselnden Neuigkeiten über [3][angebliche Feuerpausen und | |
Friedensgespräche] werden für viele Menschen zum Hintergrundrauschen. Auf | |
die angekündigten Gespräche der US-Regierung mit Vertretern Russlands und | |
der Ukraine angesprochen, seufzt Marta. Die 30-Jährige zückt ihr | |
Smartphone. Die App der Luftalarme zeigt für die halbe Ukraine eine Warnung | |
an. „Das ist unsere Realität.“ Sie glaube nicht daran, dass Russland eine | |
Waffenruhe wolle. | |
Darüber soll ab Sonntag in Saudi-Arabien weiter verhandelt werden. Laut | |
ukrainischen Angaben werden ihre Unterhändler unter Führung von | |
Verteidigungsminister Rustem Umerow mit der US-Delegation zusammentreffen. | |
Am Montag soll in der Golfmonarchie dann ein separates Treffen der | |
US-Unterhändler mit russischen Regierungsvertretern stattfinden. Genaue | |
Zeitangaben zu den Gesprächen gab es bislang nicht. | |
An der Front zählte der ukrainische Generalstab am Samstag indes rund 130 | |
Gleitbombenabwürfe, mehr als 6000 Mal Artilleriebeschuss und rund 3000 | |
Angriffe taktischer Drohnen. Ein Schwerpunkt liegt wie in den Vorwochen | |
beim Verkehrsknotenpunkt Pokrowsk im südlichen Teil der Region Donezk. | |
Allerdings ist der russische Vormarsch in dieser Richtung zuletzt praktisch | |
zum Erliegen gekommen. Ob das an Erschöpfung der Angreifer liegt oder an | |
einer besseren Organisation der ukrainischen Verteidiger nach einem | |
Kommandowechsel, ist unklar. | |
Aus der russischen Region Kursk hat sich die ukrainische Armee inzwischen | |
weitgehend zurückgezogen. Nach offiziellen Angaben kontrolliere man noch | |
kleinere Gebiete entlang der Staatsgrenze. Russische Militärblogger hatten | |
in den vergangenen Tagen von einem neuen ukrainischen Einmarsch in die | |
benachbarte russische Region Belgorod berichtet. | |
Lange bleiben Nachrichten nicht verborgen | |
Ukrainische Bestätigungen gibt es dazu jedoch nicht. Der Generalstab | |
erwähnte in seinem Lagebericht lediglich, dass ein russischer | |
Kommandoposten bei einem Luftangriff zerstört worden sei. Sollte es | |
tatsächlich einen Einmarsch geben, wäre eine Nachrichtensperre zwar üblich. | |
Aber mehr als wenige Tage ließe sich so etwas nicht verbergen. | |
Geschichtsstudentin Asja war vor drei Jahren ein paar Monate in | |
Süddeutschland. Dann kehrte sie zurück in die Ukraine. Sie macht sich noch | |
einen Tee. Die Nacht war unruhig. [4][Zum Thema Verhandlungen] | |
angesprochen, schüttelt sie den Kopf. „Trump und diese Leute reden über uns | |
wie über ein Objekt.“ Sie verstehe nicht, dass nach drei Jahren Invasion | |
und elf Jahre nach der Annexion der Krim noch immer nicht klar sei, dass | |
man Russland nicht trauen kann. | |
Jede Unterstützung aus dem Westen sei wichtig, aber am Ende müsse sich die | |
Ukraine vor allem auf die eigene Stärke verlassen. Sie versuche selbst | |
einen Beitrag zu leisten. Mit ihren Mitbewohnern baut sie Drohnen, die dann | |
an befreundete Armeeeinheiten geschickt werden. Und falls das nicht | |
gelinge? Daran wolle sie nicht denken. „Solange es die Ukraine gibt, bleibe | |
ich hier.“ | |
23 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Marco Zschieck | |
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