# taz.de -- Klimaklage gegen RWE: Wie sicher stürzt der Gletscher? | |
> Saúl Luciano Lliuya klagt gegen RWE. Im Prozess hängt vieles an der | |
> Frage, wie wahrscheinlich ein schmelzender Gletscher sein Haus verwüsten | |
> wird. | |
Bild: David gegen Goliath: Der peruanische Bauer Saúl Luciano Lliuya klagt geg… | |
Hamm taz | Roda Verheyen, die Anwältin des Klägers [1][Saúl Luciano | |
Lliuya], übt scharfe Kritik: „Auf unserer Seite herrscht | |
Fassungslosigkeit“, sagt sie. Im Prozess gegen den deutschen Energiekonzern | |
RWE kommentierte sie so die Aussagen von Rolf Katzenbach, der vom Gericht | |
als Sachverständiger geladen wurde. Offensichtlich sei er kein Experte fürs | |
Hochgebirge. | |
[2][Lliuya arbeitet als Bauer und Bergführer in den peruanischen Anden]. | |
Weil ein Gletscher schmilzt, fürchtet er, dass ein See oberhalb seines | |
Hauses überläuft. Wenn ein großer Eis- oder Felsblock in den See stürzt, | |
könnte es zu einer gigantischen Flutwelle kommen, die sein Haus und die | |
nahe Stadt Huaraz verwüstet. | |
Er verklagt RWE, weil der Konzern als einer der größten CO₂-Emittenten | |
weltweit für etwa 0,38 Prozent des CO₂-Ausstoßes seit der | |
Industrialisierung verantwortlich sein soll. [3][Mit der Klage will Lliuya | |
erreichen, dass RWE sich finanziell an Schutzmaßnahmen gegen eine | |
Überflutung beteiligt]. Am Montag fand der erste Prozesstag seit 2017 | |
statt. | |
In einem technischen Für und Wider versuchte das Gericht zu klären, wie | |
hoch das tatsächliche Risiko ist, dass Lliuyas Haus in den nächsten 30 | |
Jahren durch eine Flutwelle beschädigt wird. Dazu befragten die | |
Richter*innen den Sachverständigen Katzenbach. Der Professor für | |
Geotechnik an der Technischen Universität Darmstadt hatte zwei Gutachten | |
geschrieben und kam zu dem Schluss, dass das Risiko bei unter drei Prozent | |
liege. Anwältin Verheyen kritisierte, dass darin potenzielle Felsstürze und | |
der tauende Permafrost nicht ausreichend berücksichtigt seien. | |
## Gutachten gegen Gutachten | |
Ein Gutachten, das von den Anwält*innen Lliuyas in Auftrag gegeben | |
wurde, kommt dagegen auf ein Risiko von mindestens 30 Prozent. Die beiden | |
Gutachten unterscheiden sich vor allem darin, dass das Gutachten der | |
Klägerseite das konkrete Risiko für Huaraz und Lliuyas Haus aus Eis- und | |
Felsstürzen in anderen Gebirgen ableitet. | |
Katzenbach besteht hingegen darauf, dass die Risikoeinschätzung auf einer | |
„ortskonkreten“ Betrachtung basieren müsse. „Es gibt so viele lokale | |
Einflüsse auf Felsstürze, ich käme gar nicht auf die Idee, das von woanders | |
zu übertragen.“ Ein [4][Vergleich zwischen Alpen und Anden beispielsweise | |
sei wie der Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen]. | |
Verheyen sagte, auch ihr Gutachten sei ortskonkret, nutze aber bessere | |
Methoden. Katzenbach stimmte zu, dass das Gutachten der Klägerseite anhand | |
von Satellitenbildern sehr gut darstelle, warum ein Felssturz möglich ist. | |
Es helfe aber nicht dabei, die Wahrscheinlichkeit dieses Felssturzes zu | |
berechnen. Selbst im unwahrscheinlichen Fall einer Überschwemmung, so | |
Katzenbach, wäre die Flutwelle nur 20 Zentimeter hoch und käme nur im | |
Schritttempo voran. | |
Die drei Richter*innen müssen entscheiden, ob Lliuya dadurch ausreichend | |
beeinträchtigt wäre, um RWE zu Schadensersatz verpflichten zu können. Auch | |
müssen sie letztlich bestimmen, wessen Definition von „ortskonkret“ sie | |
folgen. | |
## Gibt es eine rechtliche Grundlage? | |
In der Folge sehr dramatisch wäre die Entscheidung aber noch aus einem | |
anderen Grund: Ein Urteil wäre ein Präzedenzfall für die deutsche Justiz. | |
RWE argumentiert, dass es keine rechtliche Grundlage gebe, um einzelne | |
Emittenten für globale Folgen des Klimawandels zivilrechtlich haftbar zu | |
machen, weil dann auch jede*r Einzelne in Deutschland verklagt werden | |
könne, wenn er zum Beispiel einen Verbrenner fährt. | |
Dieser Auffassung widersprach Richter Rolf Meyer gleich zu Anfang des | |
Prozesstages. Der durchschnittliche CO₂-Ausstoß eines Menschen in | |
Deutschland ist weit geringer ist als der RWEs – die Argumentation des | |
Konzerns schüre eine unberechtigte Angst. Stattdessen gehe es um das | |
Spannungsfeld zwischen dem Schutz des Eigentums und der unternehmerischen | |
Freiheit, aber auch der Verantwortung von RWE. Das sei besonders deswegen | |
interessant, weil nur das Risiko besteht, dass Lliuyas Haus von einer | |
Überschwemmung beschädigt wird, der konkrete Fall aber noch nicht | |
eingetreten ist. | |
## Nur rund 20.000 Euro, aber ein Präzedenzfall | |
Sollte Lliuya Recht bekommen, müsste RWE wohl nur rund 20.000 Euro zahlen, | |
um Schutzmaßnahmen mitzufinanzieren. Aber Kläger*innen weltweit hätten | |
einen Präzedenzfall, um mindestens in Deutschland fossile Konzerne vor | |
Gericht zu bringen. | |
Das [5][OLG Hamm erkannte die Klage schon 2017 als zulässig an]: | |
CO₂-Emissionen können auch dann zu Schadenersatz verpflichten, wenn die | |
Kraftwerke staatlich genehmigt wurden. „Im Prinzip haben wir schon | |
gewonnen“, sagte Verheyen nach dem ersten Prozesstag. Nur könnte es sein, | |
dass Lliuya am Ende nichts davon hat. | |
Die Fragen an Katzenbach wurden am späten Nachmittag unterbrochen. „Wir | |
sind alle an unsere Grenzen gekommen“, sagte Richter Meyer, der mit | |
fortschreitender Zeit immer verzweifelter die Stirn runzelte. Am Mittwoch | |
geht es weiter. Entschieden wird dann vorerst nur über das Risiko. Sollten | |
die Richter*innen dieses als hoch genug einschätzen, ist noch in diesem | |
Jahr ein Urteil möglich. | |
Bis Mittwoch haben Lliuyas Team und [6][RWE] auf jeden Fall Zeit, sich | |
auszutauschen: Sie sind im selben Hotel untergebracht. | |
17 Mar 2025 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Jonas Waack | |
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