# taz.de -- Volksentscheid Berlin autofrei: Heiliges Blechle vor Gericht | |
> Der Verfassungsgerichtshof entscheidet, ob das Land den Volksentscheid | |
> Berlin autofrei zulassen muss. Bei der Anhörung haben die Richter viele | |
> Fragen. | |
Bild: Die „Auto-Blase“: 2022 machte „Plastique Fantastique“ eine Kunsta… | |
Berlin taz | Verstößt der Volksentscheid Berlin autofrei gegen das | |
Grundgesetz? Hat das Land Berlin überhaupt die Kompetenz, eine weitgehende | |
Verbannung des Autoverkehrs aus der Innenstadt zu beschließen? | |
Um diese Kernfragen drehte sich am Mittwoch die Verhandlung am Berliner | |
Verfassungsgerichtshof. Die Initiative hatte im August 2021 mehr als 50.000 | |
Unterschriften für ihren Gesetzentwurf eingereicht, doch die | |
Innenverwaltung hält ihn für verfassungswidrig. [1][Das Land Berlin hatte | |
den Fall den neun Richtern bereits 2022 zur Prüfung vorgeleg]t, eine | |
Neubesetzung des Gerichts verzögerte den Prozess jedoch. | |
Eigentlich müsste Berlin autofrei Berlin autoarm heißen. Die Idee: | |
Innerhalb des S-Bahn-Rings sollen Privatleute nur noch zwölf Fahrten | |
(später nur noch sechs) pro Kopf und Jahr unternehmen dürfen. Dabei soll es | |
zahlreiche Sondergenehmigungen für Wirtschaftsverkehr und besondere Bedarfe | |
geben, auch Taxis bleiben erlaubt. | |
Die Flächen, die durch weniger Autos frei werden, sollen für Fußgänger, | |
Radfahrer, mehr Busse, E-Bikes, Spielmöglichkeiten etc. genutzt werden. | |
„Das würde das Leben aller Stadtbewohner verbessern“, erklärte eine | |
Sprecherin der Initiative zu Beginn des Prozesses, den zahlreiche | |
Unterstützer im Zuschauerraum verfolgten. | |
## „Rechtliches Neuland“ | |
Die Präsidentin des Gerichts, Ludgera Selbing, gab zu verstehen, dass an | |
diesem Tag keine Entscheidung fallen wird. Man betrete „rechtliches | |
Neuland“, da hatten die Richter auch nach umfangreichem Aktenstudium noch | |
einige Fragen. Etwa ob das Land überhaupt zuständig ist? | |
Die Vertreter von Innen- und Verkehrsverwaltung verneinten dies mit dem | |
Argument, dass der Bund im Straßenverkehrsrecht vieles regelt und die | |
gleichen Ziele verfolge wie die Initiative: weniger Verkehrstote, weniger | |
Umweltschäden, mehr Sicherheit. Der Anwalt von Berlin autofrei, Philipp | |
Schulte, ließ dies nicht gelten. Die Tatsache, dass der Bund etwa für den | |
Klimaschutz eintrete, sperre das Thema nicht für die Länder. | |
Dann ging es um Grundrechte wie Bewegungsfreiheit, Berufsfreiheit oder das | |
Eigentumsrecht. Sind sie betroffen und wenn ja, ist der Grundrechtseingriff | |
verhältnismäßig? Die Senatsvertreter bejahten dies natürlich. Zudem | |
unterstellten sie, dass in vier Jahren Übergangsfrist der öffentliche | |
Nahverkehr nicht in der nötigen Weise ausgebaut werden kann. Dafür sei auch | |
gar nicht genug Geld da. | |
Schulte hielt dagegen, es gebe keinen rechtlichen Anspruch darauf, dass | |
Gemeingüter wie Straßen für alle Zeit zur Verfügung stehen. „Wir haben uns | |
an viele Autos im Straßenverkehr gewöhnt, aber das ist nicht gottgegeben.“ | |
Die autogerechte Stadt sei ein „Irrweg“, der Gesetzgeber müsse umsteuern | |
können. | |
## Jederzeit überall hin mit dem Auto? | |
Einige der Richter schienen den Argumenten der Initiative durchaus | |
zugeneigt. Ob er wirklich meine, dass es einen Anspruch gebe, jederzeit mit | |
jedem Verkehrsmittel überall hinzukommen, fragte eine Richterin in Richtung | |
Innenverwaltung. Dann würden ja schon jetzt „täglich Grundrechte verletzt�… | |
Wann das Gericht eine Entscheidung fällt, ist offen. Laut Statut soll sie | |
innerhalb von drei Monaten erfolgen. Bekommt Berlin autofrei das Go, müssen | |
mindestens 220.000 Berliner überzeugt werden, zu unterschreiben, damit es | |
zum Entscheid kommen kann. | |
2 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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