# taz.de -- Professorin über Kita-Qualität: „Manchmal ist nur die Hälfte d… | |
> Kleine Kinder brauchen enge Betreuung, doch diese gewährleistet der Staat | |
> oft nicht. Was passiert, wenn die Qualität in der Kita nicht stimmt. | |
Bild: Alleine Schuheanziehen? Für Kita-Kinder nicht immer einfach | |
taz: Frau Dreyer, was wäre aus wissenschaftlicher Sicht ein gutes | |
Verhältnis zwischen Kindern und Betreuungspersonen für Kitas? | |
Rahel Dreyer: Die Wissenschaft definiert Schwellenwerte, ab denen negative | |
Auswirkungen auf das Verhalten und Wohlbefinden der Kinder zu erwarten | |
sind. Diese liegen im Bereich der unter Dreijährigen bei 1:3 bis 1:4. In | |
altersgemischten Gruppen liegt der Schlüssel bei höchstens 1:5 und bei den | |
Drei- bis Sechsjährigen bei 1:7,5. Zusätzlich müssten noch individuelle | |
Benachteiligungen berücksichtigt werden, und es braucht zusätzliche | |
Stellenanteile für andere Aufgaben in den Kitas und für Ausfallzeiten. | |
taz: Was bedeutet es im Kita-Alltag, wenn dieses Verhältnis unterschritten | |
wird? | |
Dreyer: Ich will es mal andersherum sagen: Eine gute Betreuungsrelation | |
bedeutet, dass Fachkräfte situationsbezogen und angemessen auf Bedürfnisse | |
der Kinder reagieren und etwa auch das Bedürfnis nach Körperkontakt | |
ermöglichen können, indem sie als Spielpartner*innen verfügbar sind. | |
Sie können so besser Impulse für Bildung und Entwicklung setzen. | |
taz: Und wenn das nicht gewährleistet ist, welche Auswirkungen hat das auf | |
die frühkindliche Entwicklung und Bildung? | |
Dreyer: Die Erfahrungen, die Kinder in diesen frühen Jahren machen, haben | |
eine Langzeitwirkung und prägen die weitere Entwicklung maßgeblich. Das | |
zeigt sich in Gruppen mit den unter Dreijährigen noch stärker. In dieser | |
Phase sind Kinder besonders verletzlich und empfänglich für äußere – sowo… | |
positive als auch negative – Einflüsse. | |
Kinder in dem Alter können Stress noch nicht ausreichend verarbeiten und | |
brauchen daher in stressigen Situationen ausreichende Begleitung. In großen | |
Gruppen geht das nicht. Die Erzieher*innen müssen dafür | |
Stressreaktionen wahrnehmen können und etwa den Emotionsausdruck im Blick | |
haben. | |
Manche Kinder weinen, wenn sie überfordert sind – andere leiden still, und | |
es hat sich gezeigt, dass sie besonders von Stress betroffen sind. Man hört | |
es so oft: „Dann sind sie eben nur betreut.“ Aber das ist falsch. [1][Wenn | |
die Qualität in der Kita nicht stimmt], dann entwickeln sich Kinder | |
nachweislich schlechter. | |
taz: Warum stellt sich die Betreuungsrelation in Kitas konkret oft anders | |
dar? | |
Dreyer: [2][Der Betreuungsschlüssel] ist gesetzlich festgelegt. Aber nicht | |
in jedem Bundesland ist festgeschrieben, was passiert, wenn er | |
unterschritten wird, also wenn etwa jemand krank ist. Und so habe ich dann | |
die Situation, dass morgens vielleicht nur die Hälfte des Personals da ist | |
und damit ist die reale Situation dann ganz anders als auf dem Papier. | |
Erzieher*innen geben selbst an, nicht adäquat reagieren zu können. Das | |
ist auch nicht im Sinne der Chancengerechtigkeit. | |
taz: Was braucht es, um die [3][Betreuung und Bildung in Kitas] zu | |
verbessern? | |
Dreyer: Es brauchte bundesweite Regeln für unterschrittene | |
Personalschlüssel. Ein erster Schritt könnte auch sein, in den Regionen, in | |
denen die Zahl der Kinder zurückgeht, Qualitätsverbesserungen, zum Beispiel | |
beim Betreuungsschlüssel, umzusetzen. In Berlin gibt es jetzt eine Zusage, | |
dass dieser im Bereich U3 verbessert werden soll. In Brandenburg bauen | |
Kitas Stellen aktuell ab. Hier wäre auch der Bund gefragt, der laut Artikel | |
72 des Grundgesetzes gleichwertige Lebensverhältnisse garantieren muss. | |
Die Reportage zu dem Thema können Sie [4][hier] nachlesen. | |
13 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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