# taz.de -- Kopftuchstreit in Spanien: Glaube und Feminismus | |
> In einem Madrider Vorort demonstrieren Schüler und Studierende für das | |
> Recht, einen Hidschab zu tragen. Sie werfen dem Staat Rassismus vor. | |
Bild: Streik gegen Kopftuchverbot mit der Forderung: „Zwinge mich nicht, zwis… | |
Madrid taz | Was ist Laizismus an einer Schule? Darüber wird an drei | |
Oberschulen im spanischen Ort Parla, der Nicolás Copérnico, der Humanejos | |
und der Narcís Monturiol, derzeit gestritten. Ende Februar beteiligten sich | |
mehrere Dutzend Schülerinnen an einem Streik an den drei Schulen im Vorort | |
30 Autominuten südlich der Hauptstadt Madrid. | |
Sie gingen auf die Straße, um das Tragen des islamischen Kopftuchs, des | |
Hidschabs, zu verteidigen. An zwei der drei Oberschulen ist jedwede | |
Kopfbedeckung, egal ob Mütze oder Kopftuch, im Unterricht strikt verboten, | |
an der dritten wird eine solche Regelung diskutiert. | |
„Unser Kopftuch stört niemanden, eure Islamfeindlichkeit schon“ und „Mein | |
Körper, meine Entscheidung“ lauten zwei der Parolen, die die jungen Frauen, | |
meist mit Migrationshintergrund und mehrheitlich mit Kopftuch, immer wieder | |
skandierten. Streik und Marsch, an dem auch religiös korrekt gekleidete | |
Mütter teilnahmen, war von der linken spanischen Studentengewerkschaft | |
organisiert worden. Es gehe um die Rechte der Immigrantinnen, geben sie dem | |
ganzen im Vorfeld des Internationalen Frauentags eine feministische | |
Begründung. | |
„Für uns besteht der Laizismus darin, dass die Religion Privatangelegenheit | |
ist. Die Schule kann das nicht verbieten. Genauso wie jemand mit einem | |
Kreuz an einer Halskette in den Unterricht kann, können sie unseren | |
muslimischen Mitschülerinnen nicht verbieten, mit Hidschab in die Schule zu | |
gehen“, sagt Celia Del Barrio, Sprecherin der Studentengewerkschaft, die an | |
ihrer Tasche neben allerlei linker Symbole einen Batch mit der Aufschrift | |
„Zionismus ist Todeskult“ trägt. | |
## Unverständnis auf beiden Seiten | |
Für die junge Frau, die gemeinsam mit zwei komplett schwarz gekleideten | |
Frauen mit eng anliegendem schwarzen Kopftuch, das kein bisschen Haar | |
freilässt, die Demo per Megafon animiert, ist das Verbot „als Laizismus | |
getarnter Rassismus“. „Jede hat das Recht sich zu kleiden, wie sie will. | |
Das Bildungsgesetz erlaubt es nicht, die Meinungs- und Religionsfreiheit | |
einzuschränken“, fügt Del Barrio hinzu. | |
In den betroffenen Schulen freilich sehen sie das anders. Der Streik sei | |
„ein direkter Angriff auf die Unabhängigkeit und auf den laizistischen | |
Charakter unseres Bildungsprojekts“, heißt es in einem Kommuniqué des | |
Direktors der Nicolás-Copérnico-Schule, an der die Mobilisierung den | |
größten Zulauf hat. Auf die Copérnico gehen viele Schüler und Schülerinnen | |
mit marokkanischem Migrationshintergrund. Es habe vor dem Streikaufruf nie | |
Beschwerden über das Kopftuchverbot gegeben, erklärt ein Lehrer, der im | |
Schulrat sitzt und nicht mit Namen genannt werden will, „um nicht noch mehr | |
Öl ins Feuer zu gießen“. Für ihn ist es ein künstlicher Konflikt. Die | |
Haltung der linken Studentengewerkschaft kann er nicht verstehen. | |
Die Copérnico ist überall in der Region für ihren laizistischen | |
Bildungsansatz – alle integrieren – bekannt. Hier gibt es zu Weihnachten | |
keine Krippe und auch nicht die sonst übliche Dekoration. Die | |
Religionslehrer dürfen die Schule nur in „zivil“ betreten. So wurde zwei | |
Nonnen der Zutritt im typischen Gewand verwehrt. Laut Bildungsgesetz können | |
die Schulen über solche Fragen entscheiden. Den christlichen | |
Religionsunterricht allerdings können die Schulleitungen nicht abschaffen, | |
er ist gesetzlich vorgeschrieben. | |
Der Schulleiterverband stellt sich hinter die drei Schulen in Parla. Der | |
Streik sei „eine Kampagne, um eine gereizte Stimmung zu erzeugen“ und | |
Probleme zu schaffen, wo es bisher keine gab. Alles begann damit, dass an | |
der Oberschule Narcís Monturiol, die bisher das Tragen des Kopftuchs | |
zulässt, zwei junge Frauen im Burka auftauchten. Es waren kaum die Augen zu | |
sehen, selbst die Hände waren mit Handschuhen bedeckt. Das war der Grund | |
dafür, dass jetzt auch dort über ein Verbot jedweder Kopfbedeckung | |
nachgedacht wird. Hinter vorgehaltener Hand ist davon die Rede, dass alles | |
damit begann, dass die Moschee in Parla einen neuen Iman bekam. Der sei | |
radikaler als der alte. | |
Debatte geht weiter | |
An Druck durch den Imam glaubt die Sprecherin der Studentengewerkschaft Del | |
Barrio nicht. Das Tragen eines Kopftuchs oder nicht sei eine „individuelle | |
Entscheidung“. Schließlich wären beim Streik auch Mädchen ohne Hidschab | |
dabei, „um das Recht ihrer Schwestern zu tragen zu verteidigen“. Die | |
öffentlichen Schulen müssten „das Recht auf Bildung verteidigen – egal | |
welcher Rasse oder Religion jemand angehört“, fordert sie etwas, was | |
niemand wirklich infrage stellt. | |
Zwei Tage nach dem Streik meldete sich die auch ins deutsche übersetzte | |
marokkanischstämmige Schriftstellerin Najat El Hachmi in einer Kolumne in | |
der größten spanischen Tageszeitung El País zu Wort. „Keine Frau wacht | |
eines Morgens auf und beschließt, nie wieder mit unbedecktem Kopf | |
auszugehen und ihren männlichen Begleitern kein einziges Haar zu zeigen“, | |
schreibt die in Spanien aufgewachsene Schriftstellerin. | |
„Sie fordern das Tragen des vorgeschriebenen Schleiers, eines | |
fundamentalistischen Schleiers, auch wenn die Trägerinnen sich dessen nicht | |
bewusst sind, legitimieren sie einen frauenfeindlichen patriarchalischen | |
Zwang, dessen Ziel es ist, dass wir mit diesem Zeichen, diesem mobilen | |
Gefängnis, durch die Welt gehen“, richtet sie sich an die | |
Studentengewerkschaft, die ihren Kopftuchstreit als feministisch | |
darzustellen versucht. | |
6 Mar 2025 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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