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# taz.de -- Wer bald aus der Sozialhilfe fällt: Labours umstrittene Reformplä…
> Die britische Sozialministerin Kendall will massive Einsparungen
> durchsetzen. Vor allem Menschen mit Behinderungen und chronischen
> Erkrankungen wären betroffen.
Bild: Mit Hornbrille auf der Nase und großen Plänen auf dem Papier: Liz Kenda…
London taz | Im Hosenanzug und auf der Nase eine stets rutschende, riesige,
schwarze Designerbrille, steht am Dienstag die britische Sozialhilfe- und
Rentenministerin Liz Kendall am Rednerpult des britischen Unterhauses und
erklärt ihre Vorstellung von neuen Sozialhilfereformen. Bei der
Unterstützung von Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten
soll gespart werden – umgerechnet rund sechs Milliarden Euro pro Jahr. Die
Vorschläge, die noch durch zahlreiche Ausschussprüfungen und
parlamentarische Debatten und Abstimmungen müssen, könnten laut der
Denkfabrik Resolution Foundation dazu führen, dass einer Million
Brit:innen die Sozialhilfe entzogen wird.
Erreichen will [1][die Labour-Regierung] das so: Unter anderem soll die
Zahl der Anspruchsberechtigten für Personal Independence Payment (PIP) –
einer Sozialleistung, die von einer Behinderung oder Langzeiterkrankung
verursachte Zusatzkosten ausgleicht – gesenkt werden. Dafür sollen die
Hürden, ab wann Personen mit körperlichen und psychischen Diagnosen und
Krankheiten PIP beantragen können, ab November 2026 stark angehoben werden.
Menschen, die Hilfe beim Essen, Anziehen und Waschen benötigen, könnten
hohe Summen an derzeit gewährter Hilfe verlieren.
Laut Prognosen der Regierung und einer unabhängigen Prüfbehörde könnte sich
ohne Reformen die Zahl der Sozialhilfeempfänger:innen in den
nächsten fünf Jahren von derzeit 2,7 Millionen auf 4,2 Millionen Personen
erhöhen. Die Höhe der Zahlungen an sich sollen nicht gekürzt werden. Im
Gegenteil: Die generelle Sozialhilfe (Universal Credit) soll stets mit der
Inflationsrate angehoben werden.
Dass der Sozialhilfeanteil für Gesundheitsprobleme gesenkt werden soll,
liegt auch daran, wie viele Menschen diese heute in Anspruch nehmen: Im
Vergleich zu 2019 ist die Rate der Empfänger:innen um 37 Prozent
gestiegen. Kendall begründete die Maßnahmen so: Das Vereinigte Königreichs
sei das einzige Land innerhalb der G7, dessen Sozialhilfesektor sich nach
der Pandemie nicht stabilisiert habe. Mittlerweile würden jeden Tag mehr
als tausend neue PIP-Zuschüsse bewilligt, so Kendall.
## „Wir richten ein zerbrochenes System“
Die jährlichen Ausgaben für Sozialleistungen sollen – so keine Reform
erfolgt – nach Prognosen bis 2030 von umgerechnet etwa 77 Milliarden Euro
auf 119 Milliarden Euro steigen. Der größte Teil davon seien
Sozialhilfeleistungen an Personen im arbeitsfähigen Alter.
Die Verantwortung für diese Lage liege bei den konservativen Regierungen
der letzten 14 Jahre, behauptete Kendall. „Wir richten ein zerbrochenes
System. Wir wollen dem [2][Sozialhilfesystem] wieder Vertrauen und Fairness
geben und Anreize, die die Menschen in Sozialhilfe drücken, beseitigen.“
Kendall nannte Gegenden in den Midlands, im Norden Englands und in Wales,
welche in den 1980er Jahren von einem Rückgang der Industrie betroffen
waren, als Beispiel. Die Raten der Sozialhilfeempfänger seien dort viermal
so hoch wie andernorts. Menschen seien in Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe
gefangen und dies halte das ganze Land im Rückstand, erklärte sie.
## Politik für Arbeiter:innen, sagt Keir Starmer
Zahlreiche Labour-Abgeordnete zeigen sich besorgt: Etwa Debbie Abrahams,
die Vorsitzende des zuständigen Ausschusses. So wie zahlreiche andere gab
sie zu verstehen, dass es bessere Wege gebe, den Staatshaushalt
auszugleichen. Auch Hilfsorganisationen und Gewerkschaftsvertreter
verurteilten die Vorschläge nahezu geschlossen als unmoralisch. Darunter
ist etwa das Disability Benefits Consortium, welches über 100
Organisationen repräsentiert.
Kendall gab sich Gesprächen und Änderungsvorschlägen sowie der
Expertenmeinungen von Hilfsorganisationen gegenüber offen. Niemandem mit
vollkommener Arbeitsunfähigkeit solle Hilfe genommen werden. Diese Gruppe
von Menschen müsse auch nicht mehr wiederholt ihre Arbeitsunfähigkeit
prüfen lassen, versicherte sie.
Die Labour-Regierung steckt in der Zwickmühle: Zum einem versprach sie,
keine Steuern für arbeitende Menschen zu erhöhen. Zum anderen will sie
gleichzeitig das Wirtschaftswachstum fördern und das Land sozial gerechter
machen. Kendall sagte, dass man zeitgleich stärkeren Arbeits- und
Einkommensschutz einführe. Manchen Arbeitssuchenden würde nicht mehr die
Sozialhilfe entzogen werden, wenn sie versuchten zu arbeiten. Der Schlüssel
dieser Politik liege im Namen, formulierte es [3][Premier Keir Starmer]:
„Wir sind die „Arbeiter:innenpartei.“
19 Mar 2025
## LINKS
[1] /Labour-Party/!t5008958
[2] /Sozialhilfe/!t5019711
[3] /Keir-Starmer-in-Washington/!6072853
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
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