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# taz.de -- Diesmal meint es Peking ernst: China will Konsum ankurbeln
> Das Reich der Mitte will, dass seine Bewohner mehr Geld ausgeben. Dafür
> brauchen viele von ihnen aber erst mal mehr davon.
Bild: Das gefällt der Partei in China: Power-Shoppen in Shanghai
Seoul taz | Seit Jahrzehnten redet Chinas Parteiführung bereits davon, den
chronisch schwachen Konsum seitens der Bevölkerung ankurbeln zu wollen. Den
rhetorischen Versprechen folgten jedoch bislang selten Taten. Diesmal
jedoch scheint Peking ernst zu machen.
Über die Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichte das Zentralkomitee und
der Staatsrat am Sonntag ein Maßnahmenpaket zur Steigerung des
Binnenkonsums, welches von chinesischen Ökonomen als umfassendste
Richtlinie seit Beginn der Reformpolitik Ende der 1970er Jahre betitelt
wurde. Die Hoffnungen sind zu Recht immens: Von der Steigerung der
Mindestlöhne über die Ausweitung der Gesundheitssysteme bis hin zu höheren
Renten umfasst der Plan sämtliche Punkte, die Ökonomen schon seit Jahren
fordern.
„Frühere konsumpolitische Maßnahmen setzten in erster Linie auf der
Angebotsseite an“, sagte Li Chunlin von der nationalen Reformkommission
während einer lang erwarteten Pressekonferenz am Montag. „Dieses Mal stärkt
unser Plan die Bemühungen auf der Nachfrageseite“.
Tatsächlich ist der schwache Konsum so etwas wie die Achillesferse der
[1][chinesischen Volkswirtschaft]. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt gibt es
keinen anderen Staat, in dem die Privathaushalte so viel sparen und so
wenig ausgeben.
## Weniger als 150 Euro pro Monat
Das hat weniger mit kulturellen Eigenheiten zu tun als mit ökonomischen
Zwängen: In der Volksrepublik leben nach wie vor rund 600 Millionen
Menschen, die mit umgerechnet weniger als 150 Euro pro Monat auskommen
müssen. Und selbst weite Teile der gehobenen Mittelschicht müssen große
Teile ihres Ersparten zusammenhalten, um sich für die Eventualitäten des
Lebens zu wappnen: Wer seinen Arbeitsplatz verliert oder schwer erkrankt,
endet in China oft im finanziellen Ruin. Die sozialen Netze sind nur
rudimentär entwickelt.
Schon während des [2][Nationalen Volkskongresses zu Beginn des Monats]
mehrten sich die Zeichen eines Kurswechsels bei der Regierung in Peking.
Kein anderes Schlagwort erwähnte Premierminister Li Qiang in seinem
Arbeitsbericht öfter als „Konsum“. Und Li Daokui, Ökonom und ehemaliger
Berater der chinesischen Zentralbank, sagte damals in einem bemerkenswerten
Fernsehinterview: „Die Strafzölle von Donald Trump sind, ehrlich gesagt,
kein wirklich großes Problem für China mehr“.
Peking kenne das Rezept dafür, wie man mit dieser Herausforderung umgehen
müsse: „den heimischen Konsum ankurbeln“. Und darüber, so Li, gäbe es
innerhalb des chinesischen Führungszirkels bereits enorme Diskussionen:
„Viele politische Maßnahmen werden schließlich auch umgesetzt werden.“
## Technologische Erfolge
Auch wenn China zuletzt technologische Erfolge erzielen konnte – vom E-Auto
Marktführer BYD bis hin zum revolutionären KI-Chatbot Deepseek – hat die
chinesische Bevölkerung seit der Pandemie empfindliche Wohlstandsverluste
hinnehmen müssen – in Form von Lohnkürzungen, Entlassungen und vor allem
durch die Immobilienkrise. Denn aus Mangel an Alternativen haben die
Privathaushalte im Schnitt 70 Prozent ihres Ersparten in einen
Wohnungsmarkt gesteckt, dessen Preise in den letzten Jahren deutlich
gefallen sind.
Gleichzeitig ist der schwache Binnenkonsum auch eine außenpolitische
Angelegenheit geworden, und das nicht erst seit Donald Trump. Denn je
stärker Chinas Volkswirtschaft von den nach wie vor boomenden Exporten
abhängt, aber gleichzeitig immer weniger importiert, desto unausgeglichener
fallen die Handelsbilanzen des Reichs der Mitte aus. So erzielt China
immense Handelsüberschüsse sowohl gegenüber der Europäischen Union als auch
den Vereinigten Staaten. Das sorgt für Spannungen und hat auch dazu
geführt, dass immer mehr ausländische Unternehmen dem chinesischen Markt
den Rücken kehren.
Experten fordern daher seit längerem, dass der Staat einen größeren Teil
seiner Ressourcen an die Bevölkerung abgeben müsse – in Form von Löhnen und
besseren Sozialleistungen. Nur so würden diese wieder mehr ausgeben können.
## Ideologische Bedenken
Warum dies ausgerechnet im kommunistischen China nicht passiert, wurde
ironischerweise oft mit ideologischen Bedenken begründet. „Xi Jinping will
gar nicht zu viel Konsum. Er glaubt, dass es den Menschen besser geht, wenn
sie sich abmühen und ein hartes Leben führen“, sagte etwa der renommierte
Ökonom und jahrzehntelange China-Kenner Barry Naughton während eines
Peking-Besuchs 2023. Schlussendlich ist die Konsum-Debatte vor allem eine
Frage von Macht, Kontrolle – und ob die Regierung bereit ist, diese
abzugeben.
Daran hat sich auch durch das jüngste Maßnahmenpaket nichts geändert. Denn
der Plan des Staatsrats hat einen entscheidenden Haken: Die meisten Punkte
sollen ausgerechnet von den Lokalregierungen getragen werden, die jedoch
seit der Corona-Pandemie extrem verschuldet sind und nur wenig
Möglichkeiten haben.
Dementsprechend skeptisch zeigen sich einige Experten. „China muss den
Anteil der privaten Haushalte am Bruttoinlandsprodukt um mindestens zehn
Prozentpunkte erhöhen“, argumentiert der US-Ökonom Michael Pettis, der an
der renommierten Peking Universität forscht, auf der Plattform X. Bislang
jedoch ist die Verteilungsfrage nicht geklärt.
17 Mar 2025
## LINKS
[1] /Nationaler-Volkskongress-in-China/!6073878
[2] /Nationaler-Volkskongress-in-China/!6070246
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
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