| # taz.de -- Bürgerschaftswahl in Hamburg: Strategisches Dilemma der Grünen | |
| > Das Projekt einer anschlussfähigen Volkspartei wackelt stark: Gerade | |
| > junge Wähler sind mit dem mittigen Kurs der Hamburger Grünen unzufrieden. | |
| Bild: Mixed emotions: Die Grünen-Spitze mit Katharina Fegebank in der Mitte be… | |
| Auf Augenhöhe mit der CDU – was anderswo klingen mag wie ein Erfolg, ist | |
| für die Hamburger Grünen ein Rückschlag. Nach den Prognosen [1][haben sie | |
| ordentlich eingebüßt gegenüber der vorigen Bürgerschaftswahl vor fünf | |
| Jahren]. | |
| Zugegeben, damals war es eine „Klimawahl“ im Aufstieg der Klimabewegung, | |
| und die Grünen hatten ihr Rekordergebnis erzielt, zeitweilig sogar davon | |
| geträumt, mit dem Koalitionspartner SPD die Plätze zu tauschen. | |
| Dass es nun ganz anders gekommen ist, nur auf den Bundestrend nach dem | |
| Ampel-Aus zu schieben, wäre zu billig. Zumal die Verluste viel größer sind | |
| als bei der Bundestagswahl. Und zumal sich der Abwärtstrend der Hamburger | |
| Grünen schon bei den Bezirkswahlen im vergangenen Frühsommer deutlich | |
| gezeigt hatte. | |
| ## Das Projekt der anschlussfähigen Volkspartei wackelt | |
| Die Partei steckt in einem strategischen Dilemma: Wie auf Bundesebene | |
| wackelt auch in Hamburg das Projekt einer in alle Richtungen | |
| anschlussfähigen Volkspartei – ausgerechnet in jenem Landesverband also, | |
| der mit der ersten schwarz-grünen Koalition auf Landesebene mal so etwas | |
| wie die Speerspitze dieses Projekts war. | |
| Für einen Moment hatte es 2020 so ausgesehen, als ließe sich die Expansion | |
| ins etablierte Bürgertum mit den sozial-ökologischen Wurzeln vereinbaren. | |
| Doch bei dieser Wahl haben die Grünen nun an beide Seiten verloren. | |
| Die klimabewegte Jugend ist in Scharen zur Linken übergelaufen. Weil die | |
| Grünen in Hamburg in diesem Feld wenig Sichtbares erreicht haben und sich | |
| dann auch noch schwergetan haben, dieses Wenige als ihre Erfolge zu | |
| reklamieren. | |
| Gleichzeitig haben sie es versäumt, der Parteilinken in symbolisch hoch | |
| aufgeladenen Fragen die Hand zu reichen: Wie sie eine Abgeordnete | |
| abgekanzelt haben, die es gewagt hatte, mit der Linken für einen | |
| NSU-Untersuchungsausschuss zu stimmen, hat viele Grünen-Sympathisant:innen | |
| verstört. | |
| Noch schwerer wiegt vielleicht die Dehnbarkeit grüner Positionen in der | |
| Migrationspolitik – auf Bundesebene, aber auch in Hamburg selbst. Da haben | |
| die Grünen dem Vorpreschen der SPD [2][mit einer sehr restriktiv | |
| ausgelegten Bezahlkarte für Geflüchtete] ebenso wenig entgegengesetzt wie | |
| der unmittelbar bevorstehenden Einrichtung von Deutschlands erstem | |
| Dublin-Abschiebezentrum. | |
| Die Folge war der Auszug der kompletten Führungsebene der Grünen Jugend – | |
| wie in vielen Ländern. Aber in Hamburg hat das Partei-Establishment das | |
| mindestens mit demonstrativer Gleichmut hingenommen. Auf ihrem | |
| Programm-Parteitag klangen in vielen Reden sogar Triumphalismus und Häme | |
| der mittelalten und sehr alten Grünen gegenüber dem nervigen Nachwuchs | |
| durch, wo Schmerz [3][über den Verlust der engagierten Jugend] angebracht | |
| gewesen wäre. | |
| Noch vor wenigen Wochen hat das Spitzenpersonal der Partei hinter | |
| verschlossenen Türen freimütig darüber schwadroniert, dass man die | |
| jugendlichen Bedenkenträger:innen ja nun hinter sich gelassen habe und | |
| bereit sei für eine grün-schwarze Koalition – in dieser Reihenfolge, bitte | |
| schön. | |
| Es ist fast ein bisschen ungerecht, dass es auch auf der anderen Seite in | |
| der grünen Kernklientel rumort: Besserverdiener vor allem in den dicht | |
| besiedelten, innenstadtnahen Vierteln. Dort sind sie besonders stark davon | |
| betroffen, wie die Grünen noch am ehesten grüne Inhalte durchgesetzt haben: | |
| von einer Verkehrspolitik, die ernsthaft versucht, den Vorrang der Autos | |
| einzudämmen. Auch der Autos der Grünen-Wähler:innen. | |
| ## Die SPD hat kein Interesse, die CDU aufzuwerten | |
| Dass sich die Grünen – egal ob sie als Zweiter oder Dritter ins Ziel gehen | |
| – keine Sorgen um ihre Regierungsbeteiligung machen müssen, ist auch kein | |
| gutes Zeichen. Es liegt nämlich daran, dass die SPD kein Interesse daran | |
| haben kann, die CDU durch eine Regierungsbeteiligung aufzuwerten. Am Ende | |
| könnten die Konservativen sich dort noch profilieren und den seit Olaf | |
| Scholz’ absoluter Mehrheit vor 14 Jahren im Niedergang befindlichen | |
| Sozialdemokraten gefährlich werden. | |
| Der SPD kann nichts Besseres passieren als ein ewiger grüner Juniorpartner. | |
| Wenn er geschwächt ist, umso besser, solange es zur gemeinsamen Mehrheit | |
| reicht. Bürgermeister Peter Tschentscher hat schon vor der Wahl | |
| angekündigt, seinem Koalitionspartner in diesem Fall einen Senatorenposten | |
| wegzunehmen. Und Obacht: Der Mann pflegt zu tun, was er sagt. Das ist | |
| sozusagen sein Markenkern. | |
| 2 Mar 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Kahlcke | |
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