| # taz.de -- Cannabis Social Clubs: Ungewisse Zukunft für Kiffer | |
| > Die Berliner Cannabis-Szene blickt besorgt auf einen möglichen Wahlsieg | |
| > der CDU. Denn die will die Teillegalisierung wieder rückgängig machen. | |
| Bild: Gefährdete Schönheit: Cannabis in voller Blüte | |
| Berlin taz | Ein leicht mulmiges Gefühl macht sich derzeit in der Berliner | |
| Cannabis-Szene mit Blick auf die Bundestagswahl am kommenden Sonntag breit. | |
| Noch vor wenigen Wochen wirkte der Umgang der Szene mit einem [1][möglichen | |
| Bundeskanzler Friedrich Merz von der Anti-Cannabis-Partei CDU] ziemlich | |
| tiefenentspannt. Dabei fordert die CDU in ihrem Sofortprogramm, das sie bei | |
| einer Regierungsübernahme umsetzen will: „Das Cannabis-Gesetz der Ampel | |
| wird wieder gestrichen.“ | |
| Nachdem Merz nun die „Brandmauer“ zur AfD durchlöchert und seine Partei | |
| noch weiter nach rechts verschoben hat, ist die politische Gesamtlage ein | |
| Stück weit unberechenbarer geworden. Was also, wenn die nächste | |
| Bundesregierung die seit dem 1. April vergangenen Jahres geltende | |
| Teillegalisierung wieder zurücknimmt? Geht das überhaupt? Und was bedeutet | |
| das für die Cannabis-Social-Clubs, die in Berlin gerade erst ihre | |
| Genehmigungen bekommen? | |
| „Es wäre ein großer Aufwand, das Gesetz zurückzudrehen, und es würde | |
| enormen Gegenwind geben“, sagt Mario Gäde, Vorstand des Berliner | |
| Cannabis.Social-Clubs White Lake Weed in Weißensee, der taz. Um das Gesetz | |
| komplett zurückzunehmen, sei schon zu viel passiert, glaubt er. „Die Büchse | |
| der Pandora ist offen, und die geht auch nicht mehr zu.“ | |
| Sein Kollege Sebastian Schmidt, Vorstandsvorsitzender des Cannamo Cannabis | |
| Clubs in Friedrichshain, teilt diese optimistische Einschätzung: „Der Markt | |
| für medizinisches Cannabis ist inzwischen zu groß. Es kann zu | |
| Verschärfungen kommen, aber eine komplette Rücknahme des Gesetzes ist | |
| unmöglich.“ | |
| Die Cannabis-Clubs freilich sind wohl nur bedingt eine Lebensversicherung | |
| gegen eine solche Rücknahme. Denn dafür fehlt es ihnen aktuell noch an | |
| Bedeutung. Nach der Vorstellung der Ampel sollen sie eigentlich dazu | |
| beitragen, den Schwarzmarkt auszutrocknen, und der Behauptung der CDU | |
| entgegenarbeiten, das derzeitige Cannabisgesetz würde diesen sogar | |
| ausweiten. Doch bis Ende vergangenen Jahres wurden bundesweit bei rund 400 | |
| Anträgen nur etwas mehr als 80 Anbauvereinigungen Genehmigungen erteilt. | |
| Bei der Grundversorgung von Kiffern haben sie bislang kaum eine Bedeutung. | |
| ## Bislang drei Genehmigungen | |
| Erst recht nicht in Berlin, wo es länger als irgendwo sonst in Deutschland | |
| gedauert hat, bis man sich überhaupt darauf einigen konnte, welche Behörde | |
| denn nun die Anträge von Anbauvereinigungen bearbeiten soll. Inzwischen | |
| macht den Job zentral das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso). | |
| Nachdem es zunächst so aussah, als würde auch dort nichts passieren, geht | |
| nun doch langsam etwas voran. [2][Inzwischen wurden drei Genehmigungen | |
| erteilt], so eine Sprecherin des Lageso auf taz-Anfrage. 18 weitere seien | |
| in Bearbeitung. Bald schon könnten weitere Genehmigungen folgen, heißt es. | |
| Sebastian Schmidt vom Cannamo Cannabis Clubs etwa sagt, er sei im Austausch | |
| mit dem Lageso und habe gespiegelt bekommen, relativ sicher mit einer | |
| Erlaubnis rechnen zu dürfen. Noch besser sieht es bei Mario Gäde in | |
| Weißensee aus. Dort ist die Urkunde mit der Genehmigung bereits in einem | |
| gelben Brief zugestellt worden. | |
| Man befinde sich gerade in einem „Rennen gegen die Zeit“, so sieht das | |
| Sebastian Schmidt. Je mehr erteilte Genehmigungen, desto schwerer würde | |
| eine Rückabwicklung des Cannabisgesetzes nach der Bundestagswahl werden, so | |
| die Vorstellung. | |
| Rechtsanwältin Julia Seestädt von der „Cannabis Kanzlei“ in Lübeck, bei … | |
| nicht schwer zu erraten ist, auf welches Thema sie sich spezialisiert hat, | |
| hat sich ebenfalls mit den möglichen Konsequenzen einer Rücknahme der | |
| Teillegalisierung beschäftigt. „Eine erteilte Lizenz ist ein begünstigender | |
| Verwaltungsakt. Damit wird dem Verein etwas erlaubt, was er vorher nicht | |
| durfte. Und mit dieser Erlaubnis muss man als Verein planen, sich auf diese | |
| verlassen dürfen“, sagt die Juristin der taz. | |
| Würde das Projekt mit den Cannabisclubs wieder beendet, „dann müsste es | |
| nach meinem Verständnis Entschädigungen geben für die bisherig getätigten | |
| Investitionen“. Schon jetzt würden demnach bei einer Umsetzung der | |
| CDU-Pläne allein die Entschädigungen der Cannabisvereine den Staat zig | |
| Millionen Euro kosten. | |
| Wie sieht es bei den anderen Parteien aus, würden die eine – möglicherweise | |
| sehr kostspielige – Rückabwicklung der Teillegalisierung mittragen? Die AfD | |
| ist zwar gegen die Legalisierung, eine Koalition mit der CDU erscheint | |
| trotz aller Annäherungen derzeit allerdings noch unwahrscheinlich. Anwältin | |
| Julia Seestädt findet grundsätzliche Worte zum schlimmsten vorstellbaren | |
| Szenario nach der Wahl: „Wenn die CDU mit der AfD koalieren sollte, dann | |
| haben wir echt andere Probleme als Cannabis.“ | |
| Das BSW hat keine Meinung zu Cannabis, auch nicht in seinem Wahlprogramm. | |
| Alle anderen demokratischen Parteien mit auch nur halbwegs realistischen | |
| Chancen auf den Einzug in den Bundestag sind weiterhin für die | |
| Teillegalisierung. Geht man davon aus, dass es sehr unwahrscheinlich ist, | |
| dass Linke und FDP etwas mit der nächsten Regierungsbildung zu tun haben | |
| werden, bleiben der CDU als voraussichtlicher Wahlsiegerin nur zwei | |
| mögliche Koalitionspartner aus dem demokratischen Spektrum. | |
| „Sowohl Rot als auch Grün sagen aber, es muss noch weiter gehen mit dem | |
| Thema Cannabis, wir haben eben erst den Anfang gemacht. Und die würden | |
| komplett ihr Gesicht verlieren und sich unglaubwürdig machen, wenn sie der | |
| CDU helfen würden, ihr eigenes Gesetz rückabzuwickeln“, so Seestädt. | |
| ## „Super mega unwahrscheinlich“ | |
| Zumal das Gesetz ja auch keine negativen Auswirkungen habe. „Die Welt dreht | |
| sich weiter wie bisher. Menschen, die vorher gekifft haben, kiffen jetzt | |
| immer noch, jedoch ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen“, sagt | |
| Seestädt. Dass die Prohibition zurückkehrt, hält sie daher für „super mega | |
| unwahrscheinlich“. | |
| Eher rechnet die Juristin mit Kompromissen unter den künftigen | |
| Koalitionspartnern. Statt drei erlaubter Hanfpflanzen für den Eigenanbau | |
| könnte dann vielleicht nur noch eine erlaubt sein. | |
| Die Obergrenze beim THC-Gehalt von Cannabis könnte nach unten korrigiert | |
| werden. Ebenso die Abgabemenge in den Cannabis-Clubs, deren Mitglieder nach | |
| aktueller Gesetzeslage 50 Gramm im Monat beziehen dürfen. | |
| Aber zurück in die Gegenwart. So ganz auf der sicheren Seite ist in Berlin | |
| nicht einmal ein Verein wie White Lake Weed, trotz bereits erteilter | |
| Genehmigung. Denn die überforderte Berliner Verwaltung ist der Umsetzung | |
| des haarsträubend komplizierten Cannabisgesetzes einfach nicht gewachsen. | |
| Die Geschichte, die White Lake Weed Vorstand Mario Gäde zu erzählen hat, | |
| hätte sich jedenfalls auch Franz Kafka kaum besser ausdenken können. Und | |
| sie könnte völlig irre Folgen für seinen Verein haben. | |
| Denn Gäde muss trotz der bereits erteilten Genehmigung noch etwas | |
| nachreichen: Ein Zertifikat als Sucht- und Präventionsbeauftragter, das | |
| obligatorisch für jeden Cannabis-Club ist. Eigentlich besitzt Gäde längst | |
| ein solches. Weil aber nun in Berlin lange Zeit passende Schulungen gar | |
| nicht angeboten wurden, ließ er sich im hessischen Hanau fortbilden. Nur um | |
| dann vom schwarz-roten Senat zu erfahren: Das Zertifikat akzeptieren wir | |
| nicht. | |
| ## Unsichere Zertifikate | |
| Inzwischen weiß er: Es gibt diese Zertifikate bei Landes- und bei | |
| Fachstellen. Die der Landesstellen würden auch in Berlin problemlos | |
| akzeptiert, die der Fachstellen aber nicht. Gerade durchläuft er also zum | |
| zweiten Mal seine Schulung. Dieses Mal in Berlin, bei dem einzigen | |
| Lehrgang, der hier überhaupt angeboten wird. Und zwar von der Fachstelle | |
| für Suchtprävention Berlin. | |
| Und die warnt auf ihrer Webseite: „WICHTIG: Wenn Sie an einer Berliner | |
| Anbauvereinigung teilnehmen wollen, können Sie dies sehr gerne tun. Wir | |
| können Ihnen aktuell jedoch nicht verbindlich zusichern, dass die Schulung | |
| in Berlin anerkannt wird, da das Land Berlin noch keine rechtssichere | |
| Verfahrensordnung veröffentlicht hat.“ | |
| Gäde sagt: „Wenn ich ganz großes Pech habe, habe ich zweimal je 700 Euro | |
| für die Schulungen bezahlt und immer noch nichts erreicht.“ Und wenn er | |
| drei Monate nach Erteilung der Genehmigung seines Vereins kein Zertifikat | |
| vorzuweisen hat, das dem Berliner Senat genehm ist, dann kann sich | |
| Friedrich Merz freuen. Denn dann verfällt die Genehmigung so oder so. | |
| 17 Feb 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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