# taz.de -- Linke kämpft um Verbleib im Bundestag: Mission (almost) accomplish… | |
> Gregor Gysi und Bodo Ramelow gastieren mit ihrer „Mission Silberlocke“ in | |
> Berlin-Friedrichshagen und offenbaren dabei: „Jesus würde links wählen“. | |
Bild: Zwei der drei „Silberlocken“ waren am Donnerstagabend im Rathaus Frie… | |
Berlin taz | Oh, schon zu Ende? Vor der Tür des früheren Rathauses | |
Friedrichshagen, seit vielen Jahren ein Kulturtreff, steht über ein halbes | |
Dutzend Menschen neben einer roten Linkspartei-Fahne im Schnee. Nein, es | |
sei bloß wegen Überfüllung geschossen, schon eine halbe Stunde vor Beginn | |
habe man leider den Einlass stoppen müssen. Hinter denen macht an diesem | |
Donnerstagabend die „Mission Silberlocke“ Station. | |
Dank Presseausweis geht es in den zweiten Stock, wo vor der kunstvoll | |
gestalteten Holztür zum Ratssaal aber wirklich Stopp ist. Bis vor den | |
Türrahmen ist der Raum voll, auch auf der Treppe davor sitzen Leute. Aus | |
dem Saal dringt immerhin eine Stimme. Und, ja klar, die gehört dem, | |
dessentwegen sie ja alle hier sind: Gregor Gysi. Der Mann, der im Wahlkreis | |
Treptow-Köpenick, zu dem Friedrichshagen gehört, seit 2005 immer das | |
Bundestagsmandat geholt hat und das auch am 23. Februar tun soll. | |
Wobei Gysi nicht allein ist. Neben ihm, durch den Spalt zwischen Tür und | |
Rahmen einigermaßen zu erkennen, sitzt Thüringens Ex-Ministerpräsident Bodo | |
Ramelow. Zusammen mit Gysi und dem früheren Fraktionschef im Bundestag, | |
Dietmar Bartsch, bildet er das ältere Herrentrio zwischen 66 und 77 Jahren, | |
das Ende November [1][die „Mission Silberlocke“ ausrief]. Ihre Linkspartei | |
lag damals in den meisten Umfragen bei 3 Prozent und drohte aus dem | |
Bundestag zu fliegen. | |
Einzige Rettung schien zu sein, erneut wie 2021 mit drei Direktmandaten die | |
5-Prozent-Hürde auszuhebeln – damals siegte die Linkspartei in | |
Treptow-Köpenick, Lichtenberg und Leipzig-Süd. Weil Lichtenberg nach der | |
BSW-Abspaltung keine sichere Bank mehr war, wollten die drei es richten: | |
Gysi in Berlins Südosten, Ramelow in Erfurt und Bartsch in Rostock. Hinter | |
Rostock stand gleichwohl ein sehr großes Fragezeichen – bei der Europawahl | |
im vergangenen Juni wurde die Linke dort nur fünftstärkste Partei, weit | |
hinter AfD und SPD. | |
## Großer Andrang | |
Am Donnerstagabend in Friedrichshagen wirkt die Direktmandate-Mission schon | |
fast überflüssig. Auf 6 Prozent ist die Linkspartei [2][in Umfragen | |
inzwischen gestiegen], nachdem die CDU vor zwei Wochen im Bundestag für | |
einen Abstimmungserfolg [3][erstmals AfD-Stimmen in Kauf nahm]. So ist die | |
Stimmung alles andere als bedrückt im Ratssaal, in dem schätzungsweise über | |
200 Zuschauer sitzen und an den Wänden stehen, Senioren genauso wie | |
Menschen um die 20. Gysi und Ramelow sitzen auf Holzstühlen vor einem roten | |
Linkspartei-Banner, erst mit einer Moderatorin, dann allein. | |
Es ist nicht so, dass da nun zwei ältere Herren Geschichten von früher | |
erzählen und eine Polit-Version des Muppet-Show-Duos Waldorf und Statler | |
präsentieren würden. Es geht konkret um die Krankenhausreform, um | |
vernachlässigte Ost-Errungenschaften wie Polikliniken und | |
Gemeindeschwestern. Wobei die beiden immer mal wieder einen Kalauer | |
einflechten. | |
Etwa, wenn Ramelow in jenen drei Millionen, die nach der Wende den Osten | |
verließen, Aufbauhelfer sieht und erklärt: „Die haben den Laden im Westen | |
am Laufen gehalten.“ Oder Gysi sich in einer Klinik doch weiter ein derzeit | |
Privatversicherten vorbehaltenes Einzelzimmer wünscht, um nicht mit einem | |
CDUler zusammen liegen zu müssen: „Dann würde der nie gesund werden.“ | |
Gar nicht witzelnd beansprucht Ramelow mehr oder minder das C der | |
Christdemokraten für seine Partei. Weil die CDU aus seiner Sicht ein System | |
stützt, in dem wenigen Milliardären ein großer Teil des Vermögens im Land | |
gehört. Das hat für Ramelow nichts mit christlicher Nächstenliebe und | |
Fürsorge zu tun. „Jesus würde links wählen“, sagt er. Von Gysi ist das | |
schon seit Jahren zu hören. | |
Was im Saal ungesagt bleibt: Beide können die Behauptung zu Jesu | |
Wahlpräferenz auf eine gewisse Kenntnis bauen. Sie haben nämlich Christi | |
Stellvertreter auf Erden persönlich erlebt– [4][Ramelow, bekennender | |
Protestant,] hat Papst Franziskus 2016 getroffen, [5][Gysi war 2019 bei ihm | |
in Rom]. Ob das am 23. Februar Wunder wirken lässt? Spätestens am Morgen | |
nach dem Silberlocken-Abend scheint das gar nicht mehr nötig: Da sieht die | |
neueste Umfrage die Linkspartei auf 7 Prozent gestiegen und damit deutlich | |
weiter im Bundestag. | |
14 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.mission-silberlocke.de/start/aktuell/ | |
[2] https://www.wahlrecht.de/umfragen/index.htm | |
[3] /Merz-Debatte-im-Abgeordnetenhaus/!6063320 | |
[4] /Klausur-der-Berliner-Linksfraktion/!5278818 | |
[5] https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2019-05/papst-empfing-eurolinken… | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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Ines Schwerdtner | |
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