Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- NS-Kriegsgefangenenlager: Letzter Beschuldigter tot
> In Berlin lief das letzte mögliche Verfahren gegen einen ehemaligen
> Wachmann eines NS-Kriegsgefangenenlagers. Dieser ist nun tot.
Bild: Sowjetische Kriegsgefangene in der ukrainischen Stadt Shitomir auf dem We…
Berlin taz | Der Versuch, Wachmänner in NS-Kriegsgefangenenlagern für dort
begangene Morde zu belangen, endet ergebnislos. Wie das Landgericht Berlin
bestätigte, ist der letzte Beschuldigte tot, verstorben am 8.12.2024 im
Alter von 101 Jahren. Das Gericht habe das Verfahren Ende Dezember
eingestellt, sagte eine Gerichtssprecherin auf Anfrage. Der Mann soll sich
der Beihilfe zum Mord in mindestens 809 Fällen schuldig gemacht haben – in
einem deutschen Kriegsgefangenenlager in der Ukraine. Doch das mutmaßliche
Verbrechen wird ohne juristische Konsequenzen bleiben.
Der Fall beschäftigte die Berliner Strafverfolger jahrelang. Als junger
Mann soll der Beschuldigte von November 1942 bis März 1943 im Lager
Wolodymyr-Wolynskyj in der Westukraine eingesetzt gewesen sein. Laut
Staatsanwaltschaft war er für die Bewachung der dort untergebrachten
Kriegsgefangenen zuständig. Er habe einen dezidierten Einblick in das
Lagergeschehen gehabt. Ihm sei bewusst gewesen, dass er durch seine
Tätigkeiten „einen reibungslosen Ablauf der angeordneten Massenvernichtung
unterstützt habe“, so die Anklage von 2022.
Im Herbst desselben Jahres entschied das Landgericht Berlin, der damals
99-Jährige sei „aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft
verhandlungsunfähig“. Dagegen beschwerte sich die Staatsanwaltschaft
erfolgreich. Im Oktober 2024 wurde die Hauptverhandlung schließlich
zugelassen.
Das Berliner Verfahren war das letzte gegen einen Wachmann in einem
NS-Kriegsgefangenenlager. [1][Die Zentrale Stelle zur Aufklärung
nationalsozialistischer Verbrechen] in Ludwigsburg hatte 2022 erstmals
Verfahren gegen solche Wachleute an die zuständigen Staatsanwaltschaften
abgegeben. Behördenleiter Thomas Will betonte, die Morde in diesen Lagern
seien mit den Verbrechen in Konzentrationslagern vergleichbar. Damals ging
es um insgesamt elf Beschuldigte, die der Beihilfe zum Mord verdächtig
waren. Keiner von ihnen wurde verurteilt.
## Übrig bleibt: Ein KZ-Wachmann
Im deutschen Angriffskrieg gerieten etwa 5,7 Millionen [2][sowjetische
Soldaten in Gefangenschaft]. Etwa 3,3 Millionen von ihnen verstarben, ein
Großteil davon an unzureichender Lebensmittelversorgung und den
katastrophalen hygienischen und medizinischen Bedingungen in den Lagern.
Häufig gab es dort nicht einmal Baracken und kaum Essbares. Der massenhafte
Mord war von den Machthabern einkalkuliert. Der Generalquartiermeister des
Heeres, Eduard Wagner, erklärte: „Nichtarbeitende Kriegsgefangene haben zu
verhungern.“ So geschah es.
Mit dem Ende des Berliner Falls bleibt nur noch ein Mann aus dem
Nazi-Wachpersonal angeklagt. [3][Gregor F. wird beschuldigt, als
SS-Wachmann im KZ Sachsenhausen Beihilfe zum Mord in mindestens 3.322
Fällen begangen zu haben.] Derzeit muss das Landgericht Hanau erneut
darüber entscheiden, ob es zu einer Hauptverhandlung kommt. Das
Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte im Dezember einen Beschluss
aufgehoben, das Verfahren wegen der Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten
nicht zu eröffnen. Entsprechend erfolgt nun eine erneute
Gesundheitsüberprüfung des mittlerweile 100-jährigen Beschuldigten.
Weitere Ermittlungen von Staatsanwaltschaften gegen NS-Beschuldigte sind
laut Thomas Will von der Zentralen Stelle derzeit nicht mehr anhängig.
19 Feb 2025
## LINKS
[1] /Staatsanwalt-ueber-Kriegsgefangenschaft/!5777470
[2] /Sowjetische-Kriegsgefangene/!5009806
[3] /KZ-Sachsenhausen/!5957549
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
## TAGS
Kriegsgefangene
Nazi
Ukraine
Prozess
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Holocaust-Gedenktag
Antisemitismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
UN-Sonderberichterstatterin in Berlin: Francesca Albanese muss erneut ausweichen
Ein Vortrag der UN-Berichterstatterin für Palästina wurde erneut verlegt.
Ihr wird Antisemitismus vorgeworfen, die Organisatoren beklagen politischen
Druck.
Zeremonie am Holocaust-Gedenktag: „Wir müssen die Erinnerung hochhalten“
Vor 80 Jahren befreite die Rote Armee das größte Vernichtungslager
NS-Deutschlands. Kanzler Scholz beklagt zunehmende Geschichtsvergessenheit.
80. Jahrestag der Auschwitz-Befreiung: Bald ist niemand mehr da
Vor 80 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Die letzten
Zeitzeugen sterben, deshalb braucht es neue Formen des Erinnerns.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.