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# taz.de -- Dubioza Kolektiv aus Sarajevo auf Tour: Bläser gegen Nationalismus
> Das Dubioza Kolektiv aus Sarajevo mischt Balkansound mit Latin und Reggae
> auf, seine Texte sind sarkastisch. Jetzt geht es auf Deutschland-Tour.
Bild: Ein bisschen Village People ist auch drin beim bosnischen Dubioza Kolektif
[1][Dubioza Kolektiv ist eine bosnische Band], der es mit ihrem dringlichen
Balkansound sogar gelingt, Nichtmusikaffine wie den Autor von den Sitzen zu
reißen. Die Energie der Musik springt sofort auf das Publikum über. Ihr
Sound wird als Mischung aus Ska, Reggae, Punk, HipHop, Dub und Turbofolk
beschrieben, für Laien ist der Sound von Dubioza Kolektiv vor allem
Inspiration und hält sie ständig in Bewegung.
Ihre ehemals beinhart ausgestellte Balkansozialisation wurde, so scheint
es, in den letzten Jahren etwas abgemildert, doch musikalisch ist das
Repertoire dadurch vielfältiger geworden. Wahrscheinlich mit Rücksicht auf
den internationalen Markt und den Plan, mit englischen Versionen und jetzt
sogar mit einer spanischen, das heißt lateinamerikanischen Version aus dem
balkanischen Ghetto auszubrechen und weltweit Karriere zu machen.
Lateinamerikanische Rhythmen verweben sich mit den bosnischen, verwegenen
Bläserarrangements zu genialen Klängen.
Für Leute aus Sarajevo ist diese Entwicklung eigentlich nicht komplett
erstaunlich, denn sie knüpft im Falle des Spanischen an einer tiefliegenden
Tradition in Bosnien an. Die klassische bosnische Musikrichtung, die
traurig schönen Klänge von Sevdalinka, sind ja beeinflusst von der Kultur
der altspanisch sprechenden sephardischen Juden, die ab 1492 nach Sarajevo
fliehen mussten. Aber das nur nebenbei.
## Immer schön gechillt bleiben
Der 1978 geborene Brano Jakubović ist Sänger der siebenköpfigen
multinationalen Band. „Wir leben in einer verrückten und gefährlichen Welt.
Viele Mächtige beziehen ihre politische Bildung aus Computerspielen.“ Es
komme gerade in einer solchen Situation darauf an, gechillt zu bleiben.
Wichtig sei für die Band die Qualität der Musik und die Message, die
Dubioza Kolektiv verbreitet.
Denn Dubioza Kolektiv steht auch für sarkastische und ironische Songtexte,
die Band greift die Mächtigen mit Ironie und Witz an. Da heute ein
Milliardär wie der Südafrikaner Elon Musk globale Politik macht, um über
Europa und die ganze Welt zu herrschen, verweist Brano wie bereits erwähnt
auf die Computerspiele: „Daraus beziehen sie ihr Weltbild, die Idee der
Kommunikation unter Menschen ist für sie offenbar nicht wichtig. Für uns
und unsere Musik ist das aber natürlich schon.“
Dubioza Kolektiv ist in der Tat bis heute unbeirrt kritisch und
angriffslustig gegenüber den Korrupten, den Oligarchen jeglicher Art, den
Mächtigen auf dem Balkan und in aller Welt geblieben. Und sie ist weiter
gut für Provokationen gegen dumpfen Nationalismus überall.
## Normalität ist für Bosnier ein Sehnsuchtsort
Als sie beim Silvester-Konzert in der kroatischen Hafenstadt Split einen
Song über den in Sarajevo immer noch populären ehemaligen jugoslawischen
Staatschef Tito vortrugen, forderten sie damit rabiate Kritik von
Nationalisten heraus. Brano Jakubović winkt ab: „Es kommt gerade in einer
solchen Situation darauf an, normal zu bleiben“, betont er am Telefon. Was
ist aber normal? „Auf jeden Fall nicht extremistisch, die einfachste Formel
für uns ist also in dieser verrückten Welt normal zu bleiben“, erklärt er
und drückt damit die Sehnsucht der bosnischen Gesellschaft aus, die in den
1990er Jahren durch einen zerstörerischen Krieg gehen musste.
Seine Position reflektiert die Geschichte des Landes und die Erfahrung mit
zerstörerischen Extremisten. Ein Land mit „normalen Verhältnissen“ bleibt
für Bosnier und alle anderen vom Krieg betroffene Menschen immer ein
Sehnsuchtsort, der Wunsch nach einer wieder heilen Welt ist also nicht
banal.
Dubioza Kolektiv startet jetzt eine große Tournee, die auch nach
Deutschland führt. Für Brano Jakubović ist Deutschland ein Schlüsselstaat.
„Wir Menschen aus Bosnien und Ex-Jugoslawien haben auch persönlich viele
Verbindungen zu Deutschland.“ Durch die vor 60 Jahren eingewanderten
Gastarbeiter sei eine bosnische Diaspora entstanden, auch später kamen noch
viele Menschen aus diesem Raum nach Deutschland. „Wenn wir hier auftreten,
haben wir ein gemischtes und begeisterungsfähiges Publikum aus Deutschen,
mehrere Generationen Zuwanderern vom Balkan, viele Leute, die die Sprache
der Musik verstehen, das ist einfach schön, daher spielen wir immer gerne
in Deutschland.“
8 Feb 2025
## LINKS
[1] /Musik-zum-1-Mai-in-Bosnien/!5682655
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Bosnien-Herzegowina
Folk
Musik
Bosnien und Herzegowina
Bosnienkrieg
Bosnien und Herzegowina
Sarajevo
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