Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Oper „Ariadne auf Naxos“ in Hamburg: Familientherapie im Altbau
> Regisseur Dmitri Tcherniakov braucht in seiner Neuinszenierung Richard
> Strauss' Oper einige Kunstgriffe. Spannend ist die Inszenierung dennoch.
Bild: Tcherniakovs „Ariadne“ spielt wie die beiden Teile zuvor in einer Alt…
Man merkt der Oper „Ariadne auf Naxos“ an, wie [1][Richard Strauss] und
sein Textdichter Hugo von Hofmannsthal die Ursprungskonstruktion des Stücks
auf Repertoire-Fähigkeit getrimmt haben. In der ersten Fassung von 1912
brauchte es noch ein Schauspiel- und ein Opernensemble, um die Kombination
aus Molières „Der Bürger als Edelmann“ und dem eigentlichen
Musiktheater-Part aufzuführen.
In der heute gängigen zweiten Fassung ist alles durchkomponiert – das
Vorspiel und die eigentliche Ariadne-Handlung mit den lustigen Einlagen der
Komödianten rund um Zerbinetta. Nur die Rolle des Haushofmeisters braucht
einen Schauspieler – hier ragt das Sprechtheater noch in den
[2][vielschichtigen Opernkosmos] hinein.
In seiner Neuinszenierung von „Ariadne auf Naxos“ an der Staatsoper Hamburg
setzt [3][Dmitri Tcherniakov] hier an. Er macht aus dem Haushofmeister
Theseus. Diesen Namen trägt der vermögende Ehemann von Ariadne. Der Vorhang
geht hoch, auf der Bühne feiert das Paar Silberhochzeit in seiner luxuriös
ausgestatteten Wohnung: lilafarbene Wände, goldener Stuck und zentral ein
extravaganter Kronleuchter (den Lampen im Foyer der Metropolitan Opera in
New York nachempfunden).
Schnell wird mit blauen Zetteln hantiert. Wolfram Koch als Theseus liest
etwa die exaltierten Ausführungen des Haushofmeisters immer wieder ab.
Theater auf dem Theater, das Hin- und Herspringen zwischen Wirklichkeit und
Spiel im Spiel zieht sich durch die ganze Inszenierung. Es gibt also keine
Trennung zwischen Vorspiel und Opernaufführung im Stück.
## Duett als Musiktherapie
Theseus stirbt an einem Herzinfarkt – auch ein Einfall Tcherniakovs.
Ariadne (ausdrucksstark, doch am Premierenabend mit Problemen in der hohen
Lage: Anja Kampe) trauert um ihren toten Mann und nicht wie im Original,
weil er sie verlassen hat. Das sind alles Eingriffe, Überschreibungen, die
funktionieren.
Ariadnes Todessehnsucht, ihr depressives Brüten – darauf reagiert jetzt
nicht ein Club von Komödianten und Nymphen, sondern es sind besorgte
Familienmitglieder, die mit lustigen Liedern und Späßen versuchen, die
todtraurige Ariadne ins Leben zurückzulocken. Regisseurin des
Aufmunterungstheaters ist Zerbinetta – laut Schaubild im Programmheft eine
Cousine von Ariadne.
Nadezhda Pavlova ist in dieser extrem anspruchsvollen, Koloratur-gespickten
Partie das Kraftzentrum der Aufführung. Souverän surft sie durch virtuose
Verzierungen. Sie ist eigentlich mit Bacchus liiert, animiert ihren
Liebhaber jedoch, Ariadne zum Leben und zur Liebe zu bekehren. Schnell die
blauen Zettel herausgekramt, Jackett und Schal von Theseus angelegt, und
Bacchus (klangschön: Jamez McCorkle) versucht Ariadne zu bezirzen. Da hilft
es auch nur bedingt, Theseus’ Zigarre zu schmauchen, die Witwe drückt das
Bild des Toten an sich. Plötzlich aber mischt sie sich unter die Verwandten
und ist gut gelaunt. Duett-Singen als Musiktherapie?
Hier wirkt Tcherniakovs Inszenierung verkopft – auch auf die Bühne gebracht
im Gegensatz zu dem, was die Musik erzählt. Das Liebesduett zwischen
Bacchus und Ariadne läuft auf amouröser Ebene ins Leere. Vielleicht lässt
Regisseur und Bühnenbildner Tcherniakov auch deshalb am Schluss noch mal
die Drehbühne bedeutungsschwer rotieren. Der Ariadne-Clan blickt uns durchs
Fenster an.
## Opernbubble nicht angepikst
Wie im Kino gibt es einen Abspann. Hier liest das Publikum, dass die zweite
Fassung der Strauss-Oper 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, ihre
Uraufführung erlebt hat. „Außerhalb des gemütlichen Wohnzimmers“ stand d…
„Welt am Abgrund“. In der Kommunikation rund um die Premiere wird eine
mögliche Parallele zu heute immer wieder thematisiert. Schade, dass dieser
Abgrund nicht in der eigentlichen Inszenierung aufscheint.
So bleibt der Abschluss von Tcherniakovs Hamburger Strauss-Trilogie blasser
als Teil 1, „Elektra“, und Teil 2, „Salome“, die beide ebenfalls in die…
Altbau-Wohnung angesiedelt sind. Der russische Regisseur und Bühnenbildner,
der sich gleich von Anbeginn des Ukraine-Krieges gegen Putins Angriffskrieg
positioniert hat, bleibt auch vor dem Hintergrund dieses unerträglichen
Verstoßes gegen das Völkerrecht erstaunlich zaghaft, die von Hofmannsthal
und Strauss so prickelnd aufgeladene Opernbubble zumindest etwas
anzupiksen.
Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg spielte mitreißend, schwelgte
in der facettenreichen Partitur, ohne das sehr überzeugende Gesangsensemble
zu vergessen. Generalmusikdirektor Kent Nagano trug die Sänger:innen auf
Händen und über manche Klippe. Alles in allem gibt es hier eine spannende
Interpretation zu erleben, weil der Zugriff auf das Stück direkter,
heutiger erfolgt. Bei allen Schwächen sind da auch Türen zu Neuland
aufgesprungen.
8 Feb 2025
## LINKS
[1] /Richard-Strauss-auf-allen-Buehnen/!5987013
[2] /!vn5910520/
[3] /Leo-Janaek-auf-der-Ruhrtriennale/!5954915
## AUTOREN
Dagmar Penzlin
## TAGS
Richard Strauss
Staatsoper Hamburg
Oper
Oper
Schwerpunkt Stadtland
Staatsoper Hamburg
Richard Strauss
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Cassandra“ an der Berliner Staatsoper: Die scharfe Düsternis einer, die d…
„Cassandra“ in der Staatsoper von Bernard Foccrolle soll die
Post-Greta-Klima-Trägheit als Musiktheater erfahrbar machen. Doch wohin mit
den Gefühlen?
Baudenkmal in der Hafencity: Hamburgs Oper soll Neubau weichen
Der Milliardär Klaus-Michael Kühne will ein Opernhaus an einem neuen
Standort stiften. Dem heutigen Bau fehle es an Strahlkraft.
Oper „Das Tagebuch der Anne Frank“: Frühlingserwachen und Totenglocke
David Böschs Inszenierung von Grigori Frids „Das Tagebuch der Anne Frank“
an der Staatsoper Hamburg verbindet den Holocaust mit Teenager-Lebenswelt.
Richard Strauss auf allen Bühnen: Dem Faschismus angeschmiegt
Richard Strauss' Opern stehen 2024 auf fast allen Spielplänen. Dabei
bestand seine Kunst darin, sich mit faschistischen Machthabern zu
arrangieren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.