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# taz.de -- Basketballverein Alba Berlin unter Druck: Im Dauereinsatz
> Alba Berlin will benachteiligten Kindern helfen, Frauenbasketball
> professionalisieren und das Männerteam macht zudem Sorgen. Ein
> schwieriger Spagat.
Bild: Spieler vom Männerteam von Alba schauen den Frauen bei einem Finalspiel …
Berlin taz | Mehr als sein halbes Leben [1][steht Marco Baldi] schon in
Diensten von Alba Berlin. Die sportliche Leitung übernahm er mit der
Vereinsgründung vor 33 Jahren. Und seine Identifikation mit dem Klub
unterstreicht der 62-Jährige an diesem Tag zum Gespräch auf der
Geschäftsstelle mit seiner Garderobe. Er trägt einen schwarzen Hoodie mit
Alba-Wappen auf der Brust. Die Lage ist ernst. Ein Boulevardblatt schrieb
bereits im November von der größten „Alba-Krise der letzten 25 Jahre –
mindentens“. Seither hat sich die Situation kaum verbessert. Das Männerteam
steht in der Basketball-Bundesliga trotz zweithöchstem Etat auf dem 14.
Platz. Erstmals droht Alba die Playoffs zu verpassen. In der EuroLeague
belegt man den letzten Tabellenrang. Das entspricht zumindestens der
Budgetrangliste.
Der Krisenbefund trifft zu und wiederum auch nicht. Denn Alba hat mehrere
Gesichter und zeigt sich andernorts in seiner schönsten Blüte. Am Vortag,
erzählt Baldi, sei er in der Sömmeringhalle beim 65:46 des Frauenteams von
Alba gegen Hannover vor knapp 2.000 Zuschauern gewesen. „Das ist nicht nur
eine persönliche Freude. [2][Da wächst und entsteht etwas.]“ Binnen
kürzester Zeit hat sich Alba zum Publikumsmagneten im Frauenbasketball
entwickelt und schon in der zweiten Bundesligasaison vergangenes Jahr den
deutschen Meistertitel gewonnen. Wie bei den Männern profitiert das Team
von einem organisch gewachsenen einmaligen Nachwuchsprogramm in
Deutschland, das immer wieder Talente bis an die Spitze befördert.
Und Alba hat noch eine dritte Seite. Der Verein hat sich in Zusammenarbeit
mit Schulen, Kitas, kommunalen Behörden und Stiftungen der Förderung des
Breitensports verschrieben mit besonderem Augenmerk auf Kinder, denen der
Zugang durch soziale Barrieren erschwert wird. 15.000 Kinder sind in Berlin
in die Alba-Projekte involviert. Daraus ist mittlerweile unter Federführung
des ehemaligen Nationalspielers und Alba-Vizepräsidenten Henning Harnisch
[3][mit „Sport Vernetzt“] eine bundesweite Initiative mit über 50
Kooperationspartnern geworden.
In Berlin sind für Alba um die 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im
Einsatz. Baldi sagt: „Wir haben viele Menschen bei uns, die nicht nur sehr
viel Energie für ihre Arbeit aufbringen, sondern auch unseren Wertekanon in
sich tragen und Ideen weiterentwickeln. Das ist unser eigentliches
Kapital.“ Vom Berliner Modellprojekt in der Gropiusstadt berichtet Marc
Ulrich, Schulleiter der Janusz-Korczak-Schule: „Wir haben in letzter Zeit
weniger Gewaltvorfälle an der Schule zu verbuchen, und das schreiben wir
auch der Arbeit von Alba Berlin zu.“
## „Es ist ein Zusammenspiel“
Der Verein wächst an allen Ecken und Enden. Die Gleichzeitigkeit der
Prozesse ist gewollt, wie Baldi versichert. „Es ist ein Zusammenspiel. Wir
haben zwei Teams, die strahlen und das ganze Grassrootprogramm in positiver
Art und Weise anzünden und motivieren. Das ist unsere einzigartige Kraft.“
Doch wie stabil ist dieses so groß gewordene Gebilde, wenn der größte
Stützpfeiler, das Männerprofiteam, mehr ins Wanken geraten würde? Marco
Baldi räumt ein: „Die Strahlkraft des Ganzen hängt schon massiv davon ab,
wie wettbewerbsfähig wir mit diesem Team sind.“ Eine dauerhafte Krise wäre
auch für das Ganze ein Risiko.
Die aktuelle Misere führt Baldi vornehmlich auf Verletzungspech
historischen Ausmaßes zurück, das schlechte Ergebnisse begünstigt hätte und
diese wiederum einen kollektiven Vertrauensverlust des Teams in die eigenen
Fähigkeiten. Ein Teufelskreis. Und er bestätigt, dass der Kader von Alba,
mit dem der Verein zuletzt 2020, 2021 und 2022 Deutscher Meister wurde, in
den vergangenen beiden Jahren an Qualität verloren habe. Baldi erklärt: „Es
fließen mittlerweile erhebliche Mittel in unsere Infrastruktur, die dem
Team fehlen.“
## Alba muss sich selbst helfen
Gemeint ist die im Sommer 2023 erneut deutlich hochgesetzte Miete für die
Multifunktionshalle am Ostbahnhof durch den amerikanischen Eigentümer, der
Anschutz Entertainment Group. Es ist die derzeit größte Baustelle des
Vereins. Gespräche mit dem Berliner Senat über einen Umzug in eine
alternative Sportstätte, das Velodrom etwa, blieben in den letzten Jahren
ergebnislos.
So muss Alba vermutlich sich selbst helfen. Die Lösung dieses Problems
könnte aus Sicht von Marco Baldi mit der Lösung eines anderen Problems
verbunden sein – der Reform der europäischen Basketballordnung. Momentan
ist Alba Berlin nur dank einer Wildcard [4][in der EuroLeague], dem
hochklassigsten Wettbewerb, dabei und müsste aufgrund seiner schwachen
sportlichen Bilanz um den Verbleib dort bangen.
Doch 2026 laufen ohnehin die A-Lizenzen der 13 festen
EuroLeague-Anteilseigner aus – und die Unzufriedenheit der Klubs ist groß.
Über 170 Millionen Euro Verlust machten die 18 Teilnehmer in der Vorsaison.
Es fehle eine Strategie des nachhaltigen Wirtschaftens. Und die
nordamerikanische NBA denkt offenbar über einen Liga-Ableger in Europa in
Zusammenarbeit mit dem Weltbasketballverband (Fiba) nach. Der
Handlungsdruck auf die EuroLeague sei groß, stellt Marco Baldi fest.
Seine Sympathie zum NBA-Modell will er gar nicht verhehlen. Nicht in allem
sei die Liga ein Vorbild, aber wenn ein turbokapitalistisches Land wie die
USA sozialistische Elemente in seine Liga trage, wenn die starken Märkte
(New York) die schwachen Märkte (Indiana oder Sacramento) unterstützen
würde, es eine Gehaltsobergrenze gebe und die schlechtesten Teams sich die
besten Talente auswählen könnten, dann müsste man sich das schon mal
genauer anschauen. Der europäische Basketball müsse seine Kultur
beibehalten, aber besser zusammenarbeiten und nicht ohne Rücksicht auf
Verluste auf den kurzfristigen Erfolg setzen.
## Hoffen auf europäische Reformen
Der Wildwuchs von Wettbewerben hat in den vergangenen Jahren in Europa zu
einer Unübersichtlichkeit und Planungsunsicherheit geführt. Aus Sicht von
Baldi hat man dadurch nicht ansatzweise die Wachstumspotenziale
ausgeschöpft, die Marktanalysen dem Basketball verheißen. In einem Wandel
des Basketballangebots sieht Alba Berlin also seine Zukunftschance. Baldi
weiß, dass auch in Berlin die Schulterklopfer vor allem nach sportlichen
Erfolgen kommen. Das Grassrootprogramm sei dagegen eher ein „Nice to have“.
Der Berliner Senat begründe seine immensen Ausgaben für drei [5][Gastspiele
der National Football League] aus den USA (ca 12,5 Millionen Euro) mit der
hohen Rendite für die Stadt. „Das kann man machen“, sagt Baldi, „aber ich
würde mir wünschen, dass einmal die Stadtrendite von Alba auch unter dem
sozialen Aspekt berechnet würde.“
Mit dem Engagement im Frauenbasketball will Alba wiederum eine ganz andere
Aufgabe schultern, die Umgestaltung eines extrem amateurhaften Umfelds.
[6][Svenja Brunckhorst,] die im Sommer erst Olympiasiegerin im
3x3-Basketball wurde, leitet das Projekt seit dieser Saison. Die nationale
Spitze hat man mit dem Titel bereits vergangenen Sommer erklommen, zur
europäischen Spitze ist es noch ein weiter Weg. Brunckhorst sagt: „Es
bringt nicht viel, wenn Alba sein eigenes Ding macht und die Bundesliga
kommt nicht hinterher. Wir müssen daran arbeiten, das ganze System
weiterzuentwickeln.“ Um das zu beschleunigen, wäre es „eine große Hilfe�…
wenn Männerbasketballklubs wie Bayern München oder die Telekom Baskets Bonn
mit Frauenteams einsteigen würden. Man könnte auch sagen, Alba ist darauf
angewiesen, dass derartige Klubs folgen.
In Berlin hat man die professionellen Strukturen des Männerteams auf das
Frauenteam übertragen. Die Spielerinnen haben den gleichen Zugang zu
Einzeltrainings, Physiotherapie, medizinischer Betreuung,
Ernährungsberatung oder psychologischer Beratung.
## Andere Basketballwelt
Noch ist das Frauenteam von Alba ein Solitär insbesondere mit seiner
Fan-Comunity, die in der Sömmeringhalle, wo einst auch die Männer groß
wurden, allein mit ihrer großen Präsenz und Lautstärke die staunenden
Gästeteams in eine andere Basketballwelt entführen. Das zahlreiche Publikum
speist sich auch aus den vielen Alba-Basketballnachwuchsprojekten und trägt
dazu bei, dass der Weg zur finanziellen Selbstständigkeit bereits in zwei,
drei Jahren abgeschlossen sein soll, wie Baldi sagt. Bis zu 20 Prozent vom
Budget des Frauenteams würden momentan noch aus der Männerabteilung
quersubventioniert werden, sagt er. Von der Frauenbasketball-WM 2026 in
Deutschland verspricht sich der Verein weiteren Rückenwind für die
Entwicklung.
Angst, Alba könne angesichts des kriselnden Männerteams vom Prinzip des
gleichzeitigen Vorantreibens seiner Projekte abrücken und die Kräfte
bündeln, hat Svenja Brunckhorst nicht. „Ich glaube, wir sind schon sehr
eigenständig. Wir zeigen durch unsere Leistungen und die volle Halle unsere
Bedeutung. Auch in der Vereinsführung sind alle begeistert.“
In der Gleichzeitigkeit des Engagements von Alba liege die Kraft, sagt
Marco Baldi. Die Projekte würden sich gegenseitig „beatmen“. Das sei aber
verdammt anstrengend. Selbstverständlich gebe es auch Stimmen im Verein,
die davor warnen, zu viel auf einmal zu machen. Ambivalenzen gehören
sozusagen zum alltäglichen Geschäft. Baldi räumt ein: „Die Zweifel gibt es
manchmal auch bei mir.“
3 Feb 2025
## LINKS
[1] /Alba-Berlin-Geschaeftsfuehrer-im-Interview/!5110311
[2] /Alba-Berlin-wird-weiblich/!5889670
[3] https://sport-vernetzt.de/
[4] /Debatte-um-die-Super-League/!5762258
[5] /NFL-zu-Gast-in-Deutschland/!6044229
[6] /Basketballerin-Svenja-Brunckhorst/!6026342
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Basketball
Alba Berlin
Frauensport
Basketball
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Kolumne leibesübung*innen
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