| # taz.de -- Lüneburg-Krimi über Serienmörder: Wenn die Heide wieder blutet | |
| > Tote, mit Gedichten über Schuld garniert: Kathrin Hankes und Claudia | |
| > Krögers Serienkiller arbeitet im Krimi „Blutheide“ am Gesamtkunstwerk. | |
| Bild: Trügerisches Idyll: Lüneburgs Wasserturm | |
| Er will ein Gesamtkunstwerk schaffen, wie die Welt noch keins gesehen hat. | |
| Eins, das seine Intelligenz und seine moralische Überlegenheit illustriert. | |
| Anlage und Abfolge der Taten gehorchen einer akribischen Choreographie, und | |
| jede Leiche ist ein Mosaiksteinchen, bis zum „großen Finale“. | |
| Dabei wirken Opfer und Mordmethoden des Serientäters im Lüneburg-[1][Krimi] | |
| „Blutheide“ von Kathrin Hanke und Claudia Kröger auf den ersten Blick und | |
| für sehr lange Zeit vollkommen disparat und willkürlich: Ein Mann wird | |
| scheinbar überfahren, eine Frau erdrosselt und mit Alkohol übergossen, ein | |
| kleines Mädchen entführt und … nun ja, das weiß man noch nicht. | |
| Jedes Mal hat der Täter einen Zettel mit Gedichtzeilen hinterlassen, | |
| handgeschrieben vom Opfer. Das ist mal ein Text von [2][Erich Fried], den | |
| die Kommissare bitteschön zusammenstückeln sollen, mal sind es eigene | |
| Zeilen, immer geht es um Strafe und Sühne. Dabei haben die Opfer – außer | |
| etwa Alkoholismus und Ehebruch – nichts Erkennbares verbrochen. Manchmal | |
| kennt der Täter sie, manchmal nicht, und er weidet sich an ihrer | |
| Gutgläubigkeit und Manipulierbarkeit, wenn sie zu ihm, dem freundlichen | |
| Herrn, ins Auto steigen, um ein paar Schritte zu spren. | |
| Man ahnt schon: Dieser Mörder, in dessen Seelenleben man in aus seiner | |
| Sicht verfassten Kapiteln – und das ist etwa jedes vierte – tief | |
| hineinlugt, ist das klassische „verkannte Genie“, das endlich das perfekte | |
| Verbrechen schaffen will. Und der sich – und das ist das eigentlich | |
| [3][Psychopathische] daran – in immer kürzerer Folge und höherer Dosis | |
| dieses Fieber verschaffen will, das ihn nach vollbrachter Tat befällt. Bis | |
| ihm diese gierige Rastlosigkeit zur Falle wird, vergehen etliche Morde. | |
| Soweit, so grausam und auch ambivalent, denn die im „künstlerischen Rausch“ | |
| verfassten inneren Monologe gehören zu den besten Passagen des Buchs. Sie | |
| ziehen einen hinein in seine „Logik“, lassen einen sekundenweise | |
| ehrfürchtig werden angesichts der geplanten großen Tat. | |
| ## Der Zwilling taucht wieder auf | |
| Wobei auch das ermittelnde Kommissariat nicht arm an Wirrnissen ist: Nicht | |
| nur, dass der eineiige, einst in illegale Geschäfte verwickelte | |
| Zwillingsbruder des Kommissars nach Jahren wieder in Lüneburg auftaucht. Er | |
| wird quasi aus Versehen zum One-Night-Stand der neuen Kommissarin aus | |
| München, einen Tag vor Dienstantritt. | |
| Das Zwillingsmotiv hat zwar [4][Georges Simenon] im Maigret-Krimi „Pieter | |
| der Lette“ schon gespielt, und auch wesentlich raffinierter. In „Blutheide�… | |
| kommt es eher als entspannendes Slapstick-Element daher, zwischen all dem | |
| Grauen und der Verzweiflung der Kommissare angesichts des unberechenbaren | |
| Täters. | |
| Das „Konzept“ hinter den Morden ist ein Mix aus Machtgier, Besserwisserei | |
| und dem Wunsch, gesehen zu werden. Das geht eben nur im Superlativ – gerade | |
| in Zeiten millionenfacher Postings in Endlosschleife auf Social Media, die | |
| um Aufmerksamkeit buhlen. Dieses Medium nutzt der Täter im Roman allerdings | |
| nicht: Er hat ein Foto-Album als Dokumentation seiner Taten fertig gemacht, | |
| als Geschenk für die Kommissarin. Die wird seine Leistung würdigen können. | |
| 31 Aug 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
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