| # taz.de -- Bilanz der Großen Koalition in Südafrika: Dauerstreit, aber alle … | |
| > Südafrikas ANC regiert seit einem halben Jahr zusammen mit der bisherigen | |
| > Hauptopposition DA. Das funktioniert, aber manchmal mehr schlecht als | |
| > recht. | |
| Bild: Südafrika ist bunter denn je, aber kommt es voran? Weihnachtliche Straß… | |
| Johannesburg taz | Seit einem halben Jahr regiert in Südafrika die | |
| ehemalige Befreiungsbewegung ANC (African National Congress) nicht mehr | |
| allein. Die ANC-geführte [1][Koalitionsregierung, die Präsident Cyril | |
| Ramaphosa am 30. Juni 2024 vorstellte], verzeichnet aber eine gemischte | |
| Bilanz in ihren Bemühungen, eine politische und ökonomische Wende | |
| herbeizuführen. | |
| 32 Minister und 38 Vizeminister sitzen in der Koalition, die enstand, | |
| nachdem der ANC bei den Wahlen vom 29. Mai erstmals seit der | |
| Demokratisierung vor dreißig Jahren [2][seine absolute Mehrheit verlor]. | |
| Damit der ANC weiterregieren konnte, lud Staats- und Parteichef Ramaphosa | |
| die liberale Oppositionskraft DA (Democratic Alliance), die Zulu-Partei IFP | |
| (Inkatha Freedom Party) und die rechtspopulistische PA (Patriotic Alliance) | |
| [3][in die Regierung ein]. | |
| Ramaphosa wurde daraufhin vom Parlament [4][im Amt bestätigt] und sechs | |
| weitere Parteien schlossen sich der GNU (Government of National Unity) an. | |
| Gemeinsam halten alle Regierungsparteien nun 287 der 400 Parlamentssitze. | |
| Der ANC stellt 20 der 32 Minister. | |
| Hauptziele der GNU sind ein höheres, inklusives und nachhaltiges | |
| Wirtschaftswachstum, eine Reduzierung der Armut, Stabilisierung der | |
| Kommunalverwaltungen, Verstärkung der Sicherheitsdienste zur | |
| Kriminalitätsbekämpfung, mehr sozialer Zusammenhalt sowie eine Außenpolitik | |
| „auf der Grundlage von Menschenrechten, Verfassungsmäßigkeit, des | |
| nationalen Interesses, Solidarität, friedlicher Konfliktlösung, Erreichen | |
| der afrikanischen Agenda 2063, Süd-Süd-, Nord-Süd- und afrikanischer | |
| Zusammenarbeit, Multilateralismus und einer gerechten, friedlichen und | |
| gleichen Welt“, wie es im Regierungsprogramm heißt. | |
| ## Bildung und Außenpolitik als Streitthemen | |
| Friedlich ist es in der Koalition allerdings nicht geblieben. ANC, die | |
| einstige schwarze Befreiungsbewegung, und DA, bislang die größte | |
| Oppositionspartei und teils aus den ehemals weißen Parteien der | |
| Apartheid-Ära hervorgegangen, befinden sich miteinander im Dauerstreit. | |
| So setzte Ramaphosa im September ein neues Bildungsgesetz in Kraft, obwohl | |
| die DA, die für diesen Politikbereich zuständig ist, es ablehnt. Der Basic | |
| Education Laws Amendment Act“ (BELA) unterwirft Homeschooling sowie die | |
| Wahl der Unterrichtssprache in einzelnen Schulen zukünftig staatlicher | |
| Regulierung – laut ANC werden damit Ungleichheiten abgeschafft, DA sieht | |
| darin ungerechtfertigte Restriktionen, etwa für weiße afrikaans-sprachige | |
| Schüler. | |
| Das Gesetz trat in Kraft, obwohl die zuständige DA-Grundschulministerin | |
| Siviwe Gwarube – mit 35 Jahren das jüngste Kabinettsmitglied – die | |
| Inkraftsetzung boykottierte. Es gab daraufhin Forderungen, Ramaphosa solle | |
| die Ministerin wegen Ungehorsam entlassen. „Das wäre das Ende der GNU“, | |
| wehrte sich DA-Führer John Steehuisen, zugleich Agrarminister. | |
| Gwarube blieb im Amt. Aber Ramaphosa zog eine kleinere Kabinettsumbildung | |
| ohne Konsultation seiner Partner durch. ANC-Justizministerin Thembi | |
| Simelane, der Korruption beschuldigt, wechselte ins Bauministerium. DA | |
| hatte ihre Entlassung gefordert. | |
| Solche Themen mögen trivial erscheinen, aber sie prägen das politische | |
| Klima. Daher werden auch Konflikte über Südafrikas Außenpolitik, bei der | |
| ANC und DA grundsätzlich gegensätzliche Positionen vertreten, äußerst | |
| brisant. | |
| Zuletzt hat das ANC-geführte Außenministerium die Schließung der Ständigen | |
| Vertretung Taiwans in der Hauptstadt Pretoria angeordnet – Südafrika ist | |
| [5][Kernland des Schwellenlandbündnisses BRICS] mit Brasilien, Russland, | |
| Indien und China. Die DA warf daraufhin dem ANC vor, in einem Kontext | |
| geopolitischer Spannungen Druck „auswärtiger Akteure“ nachzugeben. „Der … | |
| genießt keine absolute Mehrheit mehr und kann damit nicht mehr unilateral | |
| Südafrikas außenpolitische Positionierung festlegen“, sagte Emma Powell, | |
| außenpolitische Sprecherin der DA. | |
| Noch viel tiefer ist der Dissens zwischen beiden Parteien zu den Kriegen | |
| [6][in der Ukraine] und im Nahen Osten. Die DA wirft dem ANC vor, Russland | |
| zu unterstützen, aber Israel zu verurteilen, und im Oktober gewährte | |
| DA-Innenminister Leon Schreiber ohne Rücksprache Visafreiheit für Ukrainer. | |
| ## Wirtschaftlich sieht es besser aus | |
| Wirtschaftlich sieht die Bilanz etwas besser aus. Südafrikas Wirtschaft | |
| verzeichnet wieder ein leichtes Wachstum, die Währung hat sich | |
| stabilisiert. Die Arbeitslosenquote – wichtigster Indikator für die soziale | |
| Lage des Landes – ist im dritten Quartal von 33,5 auf 32,1 Prozent | |
| gesunken, die Inflation hat ein 14-Jahres-Tief erreicht. | |
| Und kurz vor Weihnachten vermeldete der staatliche Stromversorger Eskom, es | |
| seien nunmehr 270 Tage ohne Stromausfall vergangen – in den vergangenen | |
| Jahren verging kaum ein Tag ohne „load shedding“, also vorab angekündigte | |
| Stromausfälle in einzelnen Gegenden. [7][Im Wahlkampf war das beendet | |
| worden], was zunächst als Wahlkampftrick galt, aber der Strom fließt | |
| seither weiter. „Eskoms Reise zu einem stabilen und verlässlichen | |
| Stromversorgung ist auf einem guten Weg“, sagte Eskom-Chef Mteto Nyati. | |
| Beim alljährlichen „Versöhnungstag“ am 16. Dezember zeigte sich Ramaphosa | |
| zufrieden. Die GNU bringe unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen | |
| Perspektiven und Geschichten zusammen, sagte er, „aber wir sind geeint im | |
| Bestreben, ein besseres Südafrika für alle aufzubauen“. | |
| 1 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Savious Kwinika | |
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