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# taz.de -- Die Wahrheit: Meine zweite Karriere als Nackttänzerin
> Auch reifere Damen haben absolut ein Recht auf Berufsausübung im
> hüllenlosen Bewegungsgewerbe, wollen sie doch unbedingt entdeckt werden.
Damit meine Freundinnen und Freunde etwas zum Angeben haben, aber auch,
weil es sich gut auf der Visitenkarte macht, denke ich momentan über ein
neues Berufsfeld nach. Denn es ist nie zu spät für eine Karriere als
Nackttänzerin. Im Gegenteil. Wenn ich mir die Vorbilder anschaue, dann
schien es, zumindest bei den großen Nackttänzerinnen der Zwanzigerjahre des
vorigen Jahrhunderts, eh gar nicht mal so sehr um das Tanzen zu gehen.
Sondern eher um das Nacktsein. Und das kann ich gut.
Auch das Tragen von ausladenden Kopfteilen und das Ausdenken von Namen für
verschiedene Tanz-Acts liegt mir. Ich plane gerade eine Revue mit den
Nummern „Greise im Kreise“ (ich schreite in Kreisformation nackt über die
Bühne), „Arthrose ohne Hose“, Untertitel „Knackende Knochen“ (ich mache
nackt ein paar Kniebeugen) und „Frühling im BER“ (ich mache nackt ein paar
Fluglotsenbewegungen). Ich zeige quasi naturalistisches Ballett, nur eben
ohne Ballett. Natürlich unterscheidet sich meine Form des Nackttanzens ein
wenig von dem herausfordernd-akrobatischen Pole-Dance – das müsste man ja
erst mühsam erlernen, und die Zeit habe ich nicht.
Richtig jung bin ich nämlich leider nicht mehr – aber selbst wenn die
klassischen Nackttänzerinnen früher selten jenseits der 30 waren, werde ich
mich nicht vom Ageismus an die Kandare nehmen lassen. Auch wir reifen
Nackttänzerinnen haben schließlich ein Recht auf Berufsausübung. Oder auch
nicht: Man muss, wenn meine Recherchen mich nicht täuschen, in meinem
designierten neuen Arbeitsumfeld nämlich jederzeit damit rechnen, wegen
Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet zu werden. Aber so etwas
erzeugt immer auch Aufmerksamkeit.
Allein, wie und wo ich „entdeckt“ werden soll, bereitet mir noch
Kopfzerbrechen – anscheinend wurden die meisten großen Nackttänzerinnen von
wohlhabenden Fabrikanten bei Besuchen in Etablissements mit Namen wie
„Potpourri“ oder „Topp-Keller“ entdeckt. Ich habe schon in ein paar
Stammkneipen gefragt, ob etwas gegen eine kleine Nackttanzeinlage zum
Zwecke der „Entdeckung“ spräche, aber bislang hat noch niemand angebissen.
Das Beste an meiner neuen Karriere ist, dass man sich als berühmte
Nackttänzerin bestimmt das Anrecht auf ein Ehrengrab verdient. Und wenn
meine gute Idee mit der Pyramide auf dem Tempelhofer Feld doch aus
irgendwelchen Gründen nicht klappt, würde mich ein Ehrengrab auf einem der
Berliner Friedhöfe sehr glücklich machen.
Die Grabstätte habe ich bereits designt: Als Riesen-Skydancer-Fan, das sind
diese aufblasbare, schwankenden Schlauchpuppen, die einen in die Tankstelle
oder den Schnellimbiss hineinwinken sollen, hätte ich gern einen
hautfarbenen Skydancer auf meinem Grab, der Tag und Nacht hin- und
herschwankt. Das Problem, inmitten des Meeres an Grabsteinen mein Grab zu
finden, wäre damit ebenfalls gelöst.
3 Jan 2025
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Tanz
Nacktheit
Karriere
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