# taz.de -- Nachruf auf Jorge Lanata: Der Unbequeme | |
> Der argentinische Journalist Jorge Lanata ist tot. Zeit seines Lebens | |
> legte er sich mit den Mächtigen des Landes an – zuletzt mit Präsident | |
> Milei. | |
Bild: Der argentinische Journalist Jorge Lanata im Oktober 2022 | |
BUENOSES taz | „Se nos fue un Grande – Ein Großer ist gegangen.“ So laut… | |
der Tenor, als am 30. Dezember der Tod von Jorge Lanata bekannt wurde. Ob | |
Freund, Kollege oder Kritiker – Lanata war einer der bekanntesten und | |
zugleich umstrittensten Journalisten Argentiniens. Sein Markenzeichen: das | |
schonungslose Hinterfragen der Machenschaften der Mächtigen. Er gehörte zu | |
den Ersten, die beharrlich die Korruption unter Präsident Carlos Menem | |
(1989–1999) und später den [1][Kirchner-Regierungen] (2003–2015) | |
aufdeckten. Dies tat er in einer Medienlandschaft, die stark von | |
staatlicher Werbung abhängig ist. | |
Lanata wurde am 12. September 1960 in der Küstenstadt Mar del Plata | |
geboren, wuchs aber in Sarandí im Großraum Buenos Aires auf. Erst mit 55 | |
Jahren erfuhr er, dass er adoptiert war. Schon mit 14 schrieb er für lokale | |
Publikationen. Seine 50-jährige Karriere zeigte, dass er ein | |
Allround-Talent war, das Zeitung, Radio und Fernsehen beherrschte. | |
Im Mai 1987 gründete er [2][Página/12], eine Tageszeitung, die sich schnell | |
als progressives und kritisches Blatt etablierte. Mit einem jungen und | |
engagierten Redaktionsteam veränderte die Zeitung die argentinische | |
Presselandschaft. Lanata nahm es nicht nur mit den Mächtigen in Politik und | |
Wirtschaft auf, sondern auch mit dem Medienriesen Grupo Clarín, dessen | |
Macht und Kumpanei mit der Regierung er kritisierte. | |
Mitte der 1990er Jahre verließ er Página/12 schon wieder. 2008 startete er | |
mit der Gründung von Crítica de la Argentina ein zweites Zeitungsprojekt, | |
das aber schon nach zwei Jahren wegen fehlender Geldmittel eingestellt | |
werden musste. Dass er 2012 seine wöchentliche Fernsehsendung „Periodismo | |
para todos“ (PPT) als Frontmann eines Senders im Besitz des Mediengiganten | |
Clarín startete, kam bei vielen seiner mittlerweile zahlreichen Anhänger | |
nicht gut an. | |
## Der ungesunde Lebensstil gehörte ebenfalls zu Lanata | |
Allerdings war die einstige Allianz zwischen Clarín und den Kirchners | |
bereits zerbrochen und in eine erbitterte Feindschaft umgeschlagen, deren | |
Schlachten mit harten Bandagen geführt wurden. Für Lanata die Chance, mit | |
Unterstützung von Clarín die korrupten Machenschaften anzuprangern. | |
Tatsächlich avancierte PPT schnell zum kritischen Politmagazin mit den | |
besten Einschaltquoten. | |
Als Página/12 seinen 25. Geburtstag feierte, ohne Lanata einzuladen oder | |
auch nur zu erwähnen, präsentierte dieser in PPT pikiert ein | |
Erinnerungsstück. „Das ist das erste Werbeschild der Zeitung, mit dem sie | |
1987 ihr Erscheinen ankündigte“, sagte er und schnitt es mit einer Schere | |
in Stücke. „Página/12 ist zu einem willfährigen Mitteilungblatt der | |
Kirchner-Regierung geworden“, [3][begründete Lanata die Aktion]. | |
Der 64-Jährige war bereits am 14. Juni ins Krankenhaus eingeliefert worden. | |
Sein ungesunder Lebensstil war sein zweites Markenzeichen. Wo immer Lanata | |
war, qualmte auch eine Zigarette. Der Dialysepatient hatte sich bereits | |
eine neue Niere implantieren lassen. | |
Mit seinem Tod endet jedoch nicht seine Auseinandersetzung mit dem heutigen | |
rechtslibertären Präsidenten Javier Milei. Den hatte er angezeigt, als | |
Milei ihn und andere Journalisten als „ensobrado“ beschimpfte, womit jene | |
Umschläge gemeint sind, mit denen die regelmäßigen Bestechungsgelder unter | |
der Tür durchgeschoben werden. „Die Freiheit, die auf dem Spiel steht, ist | |
die derjenigen, die anders denken als die Staatsgewalt“, schrieb Jorge | |
Lanata in der Strafanzeige, die seine journalistischen Kollegen | |
weiterführen werden. | |
1 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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