Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Franzosen und Fischficker
> Frankophilie ist eine ansteckende Krankheit, deren Behandlung allerlei
> aufschlussreiche Erkenntnisse über das eigene Land bereithält.
Wenn es einen Song gibt, der noch öder und zugleich populärer ist als „Last
Christmas“ von Wham!, dann ist es das Lied vom „Niedergang von Deutschland�…
in angeblich allen Bereichen. Dieses „Mimimi!“ ist so etwas wie eine
alternative Nationalhymne geworden, und ich kann’s nicht mehr hören.
Ich bin nicht germanophil. Nationalstolz liegt mir ebenso fern wie
Nationalscham. Anders als meiner vierzehnjährigen Nichte, die als Kind
deutscher Eltern mit deutschem Pass in Deutschland wohnt, aber vierzehn
Jahre ihres Lebens in Spanien verbrachte. Als ich sie neulich neckisch eine
„Deutsche“ nannte, wurde sie leidenschaftlich: „Que te folle un pez, hijo
de puta, me cago en tus muertos!“. Keine Ahnung, was das bedeutet. Ich bin
auch nicht hispanophil, sondern frankophil.
Frankophilie ist eine ansteckende Krankheit, zu deren Behandlung ich mich
immer wieder nach Frankreich begebe, auch beruflich. Dann nehme ich die
Dienste der SNCF in Anspruch. Unlängst musste ich aus Dijon im Burgund nach
Saint-Nazaire am Atlantik reisen, zurück nach Nantes, dann wieder nach
Saint-Nazaire und von da nach Hause. Alle Wege führen über Paris, weshalb
ich die „Stadt der Liebe“ (Süddeutsche Zeitung) mit ihren vier Bahnhöfen
für jede Himmelsrichtung zweimal durchqueren musste, und zwar unter
Zeitdruck.
Was soll ich sagen? Jeder einzelne Zug, sogar die Metro in Paris und die
bretonische Bimmelbahn, ist auf die Sekunde pünktlich. Es gibt auch keinen
„überfüllten TGV“, weil im Schnellzug nur mitfahren darf, wer einen Platz
reserviert hat. Es ist jederzeit möglich, auch im Tunnel, sich ungehindert
einer Technologie namens „Telefonie“ zu bedienen und dabei im Speisewagen
einen Château Haut-Mayreau zu süffeln.
Trotzdem freute sich der Restdeutsche in mir, auf der Heimreise am Gare de
l’Est endlich wieder einen ICE zu sichten. Er war noch nicht angefahren, da
informierte eine Durchsage: „Verehrte Fahrgäste, leider werden wir heute
voraussichtlich eine Verspätung von mehr als 60 Minuten haben.“ Zwar rollte
der Zug pünktlich aus, konnte aber aus „technischen Gründen“ nicht
schneller als 160 Stundenkilometer fahren. Was mich nicht kümmerte. Ich bin
so frankophil, dass ich das endlose Nichts zwischen Paris und Saarbrücken
gerne auch in Zeitlupe betrachte.
Allerdings schaukelte der ICE alle 60 Minuten auf ein Nachbargleis – und
wartete dort, still und devot, bis ein kurzes Getöse und ein leichtes
Schaukeln anzeigte, dass soeben ein weiterer TGV mit 350 Sachen an uns
vorbeigedonnert war. Prompt stimmte mein Sitznachbar wieder die Hymne an:
„Mimimi!“ Wenn ich nur gewusst hätte, wie man das auf Spanisch ausdrückt,
hätte ich ihm meine ehrliche Meinung gegeigt: „Lass dich von einem Fisch
ficken, Hurensohn, ich scheiße auf deine Toten.“
27 Dec 2024
## AUTOREN
Arno Frank
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
Bahnfahren
Reisen
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Hirnmuskelspiele auf dem Gedankenstrich
So schwach die Interpunktion der Tochter ist, so rigoros urteilt die
Vierzehnjährige über einen tödlichen Punkt in einer sehr kurzen
Kurznachricht.
Die Wahrheit: Bizarre Zungen
Die wahren und letzten Sprach-Freaks greifen auf wirklich alte
Kommunikationssysteme zurück wie Keltisch, Baskisch oder sogar Sanskrit.
Die Wahrheit: Ochs vorm Bitcoin
Sinn und Zweck von Kryptowährungen zu verstehen, verbraucht ungefähr so
viel Energie wie die Schaffung dieses überflüssigen Scheingelds.
Die Wahrheit: Connaisseur des Sprits
In den Hängen von Peak Oil wächst der beste Stoff: Bekenntnisse eines
Benzinkenners.
Die Wahrheit: Geschissen wird immer
Nicht immer sind naturnahe Lösungen für dringende Bedürfnisse die
angenehmsten. Das gilt vor allem bei Sanitäranlagen.
Die Wahrheit: Mille Grazie, Moto Guzzi
Der älteste Motorradhersteller der Welt produziert einen der letzten
übriggebliebenen italienischen Klassiker der zweirädrigen Fortbewegung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.