# taz.de -- Autobahndeckel auf der A7: Die Stille über dem Verkehr | |
> In Hamburg zerschneidet die Autobahn A7 ganze Stadtteile. Nun ist einer | |
> von drei Deckeln fertig, und wenigstens dort kehrt jetzt Ruhe ein. | |
Bild: Über der Autobahn lässt sich’s leben | |
Hamburg taz | Ein paar Anzeichen sprechen dafür, dass man sich eigentlich | |
gerade auf dem Land befinden müsste. Der Güllegeruch zum Beispiel, der vom | |
südlichen Zipfel, einem kleinen dreieckigen Acker, herüberzieht. Oder: Dass | |
der ältere Herr, der mit seinem Hund den Weg entlang des Wiesenfeldes | |
spaziert, wie selbstverständlich grüßt. Und dass nicht viel Autoverkehr zu | |
hören ist, es ist fast still hier. | |
Nur trügen diese Anzeichen natürlich. Man ist mitten in der Großstadt, | |
achtstöckige Plattenbauten sind in Sichtweite, an der hippen „Calisthenics | |
Anlage“ ermöglichen die Metallstangen den Muskelaufbau nur mit | |
Eigengewicht. Den genauen Koordinaten zufolge gibt es kaum einen anderen | |
Ort in Deutschland, an dem mehr Autoverkehr sein könnte – mit mehr als | |
sagenhaften 150.000 Fahrzeugen pro Tag. Doch bekommt man von ihrem Lärm | |
nichts mit, denn die Laster und Autos sind, durch eine dicke Betondecke | |
getrennt, ein paar Meter unter einem auf der A7 – unter dem Park auf dem | |
„[1][Hamburger Deckel]“ in Stellingen. | |
Zwei kleine Wege führen im Süden von der Brücke, auf der die Ab- und | |
Auffahrten zur Autobahn sind, in den Park. Rechts neben dem einen Weg steht | |
ein kleines, nur zwei Meter hohes Gebäude aus Beton mit einer breiten, | |
metallenen Tür, das auch der Eingang zu einem Bunker sein könnte. Hinter | |
den kleinen Löchern in der Tür ist eine Treppe nach unten erleuchtet – ein | |
Notausgang von der Autobahn rund sechs Meter weiter unten. | |
Der im Sommer eröffnete, 900 Meter lange Park über der Autobahn ist in | |
mehrere Abschnitte geteilt. Auf den kleinen Zipfel, wo Gräser wild wachsen | |
sollen, folgt eine große, kurzgemähte Rasenwiese, ein paar Bänke stehen | |
darum herum. Leicht abschüssig ist sie und sicher gut zum Liegen im Sommer. | |
## Ein Schlafzelt flattert im Wind | |
Auf den nächsten rund 200 Metern wird es sogar leicht hügelig. Umzäunt sind | |
die 40 Parzellen dort bereits, doch auf den meisten Brachen wächst bislang | |
nur Unkraut. Auf wenigen steht schon eine nagelneue Laube, bei manchen | |
wurden immerhin schon kleine, runde Betonfundamente gegossen. Auf einer der | |
Parzellen ist ein kleines, flaches Schlafzelt aufgebaut und flattert im | |
Wind – die „Gartenfreunde Wittkamp“ sollen bis Jahresende hier hinziehen | |
und dafür ihre ein paar Hundert Meter entfernten Kleingärten räumen. Da | |
soll im kommenden Jahr mit dem Bau von Wohnungen begonnen werden. | |
Die A7, die unten im Tunnel verläuft, führt mitten durch Hamburgs Westen. | |
Wer vom Süden kommend den Elbtunnel passiert hat, fährt geradewegs durchs | |
Stadtgebiet. Seitdem der Abschnitt nördlich der Elbe in den 1960ern | |
fertiggestellt wurde, zerschneidet er auf 40 Meter Breite mehrere Hamburger | |
Stadtteile. So befindet sich, wer etwa den Bahrenfelder Marktplatz | |
ansteuert, nicht in einem belebten Stadtteilzentrum mit Fußgängerzone und | |
kleinen Geschäften, sondern nur einen Steinwurf von der Autobahn entfernt, | |
direkt an der lärmenden Auffahrt. | |
Der Deckel in Stellingen ist der zweite von dreien in Hamburg, die diese | |
städtebaulichen Wunden ein wenig heilen sollen. Auch in Bahrenfeld und im | |
benachbarten Othmarschen ist ein Deckel im Bau, er soll sogar knapp 2,5 | |
Kilometer lang werden. In rund vier Jahren sollen dort die Arbeiten | |
vollendet sein. | |
Die hintere Hälfte des Deckelparks in Stellingen ist flach belassen. Einige | |
frisch gepflanzte Bäume – allesamt Flachwurzler wegen der Betondecke – | |
stehen auf der langen Wiese, dazu hier und da Liegen und Sitzbänke. Auf der | |
rechten Seite ist der gepflasterte Weg so breit gebaut, dass | |
Radfahrer:innen und Fußgänger:innen genug Platz haben. Auf der | |
Seite reihen sich einfache, zweistöckige Häuser aneinander. Nur ihre | |
kleinen Hintergärten trennen sie nun vom Park und weil der etwas höher | |
liegt, ist die Sichtachse zwischen Park und den Fenstern in den oberen | |
Geschossen frei. | |
## Verschärfte Emissionsvorgaben | |
Früher konnte man aus den Fenstern dieser Häuser nur auf Schallschutzwände | |
blicken. Dass überhaupt darüber nachgedacht wurde, die Autobahn zu | |
überdeckeln, liegt auch daran, dass selbst noch höhere Schallschutzwände | |
nicht mehr die verschärften Emissionsvorgaben erfüllt hätten. Und da die | |
Schallschutzwände ja nun nicht mehr nötig sind, gibt es auch von der | |
unmittelbar an den Park angrenzenden Sommerterrasse des griechischen | |
Restaurants „Apollon“ freien Blick aufs Grün. | |
Am nördlichen Ende der 900 Meter, wo die Autobahn ungedeckelt bleibt und | |
Grafitti die durchsichtigen neuen Lärmschutzwände schon in weiten Teilen | |
verziert haben, steigt der Lärmpegel dann auch wieder rasant an. Durch ein | |
paar Lücken zwischen den Tags sind die leuchtenden Tempo-80-Schilder über | |
den Fahrstreifen zu erkennen. | |
Erst vier Kilometer weiter nördlich, wo die längste Autobahn des Landes den | |
Stadtteil Schnelsen unmittelbar neben seinem Zentrum zerschneidet, kehrt | |
wieder Ruhe ein. Dort ist der erste der drei Hamburger Deckel [2][schon vor | |
zwei Jahren fertig geworden]. | |
14 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Baubeginn-an-der-A7/!5043012 | |
[2] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/bezirke/bezirksamt-eimsbuette… | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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