# taz.de -- Die Wahrheit: Zuckende Schatten hinter Stahltüren | |
> Neue Bunker braucht das Land. Nach Nancy Faesers Beichte sieht die | |
> Zukunft des Bevölkerungsschutzes im Ernstfall nicht gerade rosig aus. | |
Ein Nachtgespenst geht um in Europa. Was passiert mit Deutschland im Krieg? | |
Was ist, wenn der Russe aus dem Osten kommt und seine Russenpeitsche | |
auspackt? Werden die German-Angsthasen dann ihre Hasenfüße in die Hand | |
nehmen und fliehen? Und was ist die natürliche Fluchtrichtung? Nach Westen? | |
Da werden sich die Westeuropäer aber schön bedanken, wenn sich Millionen | |
Deutsche auf der Flucht im Amsterdamer „Paradiso“ zudröhnen und in die | |
Grachten fallen. Oder auf Mallorca die sowieso schon sich im | |
Ausnahmezustand befindende Schinkenstraße zureihern, bis die germanische | |
Kotzwelle an die sonnendurchfluteten Gestade des Mittelmeers schwappt. | |
## Kein Schutz im Ernstfall | |
Nicht nur Brüssel drängt die Berliner Bundesregierung deshalb dazu, | |
schleunigst ein Notfallprogramm zum Schutz der Bevölkerung im Krieg ins | |
Leben zu rufen. Wobei der größte anzunehmende Notfall immer noch die | |
Bundesinnenministerin ist. Jüngst legte Nancy Faeser, wie Bild stabreimte, | |
eine „brisante Bunker-Beichte“ vor der Weltöffentlichkeit ab. | |
Zusammengefasst: Im Ernstfall gibt es keinen Schutz. | |
Dennoch ist und bleibt das Vorbild die Schweiz, in der angeblich alle | |
Eidgenossen einen kuscheligen Platz bekommen, sobald die Bomben fallen. | |
Obwohl die eigenbrötlerischen Alm-Öhis, kommt es hart auf hart in | |
Helvetien, sicher sofort eine Abstimmung abhalten werden, wer ins gelobte | |
Land hinein darf und wer nicht, um anschließend Fremdlinge wie die | |
Frankfurter Heidi hinaus- und hinter ihr die Eisentür zuzuwerfen. | |
Es hilft nichts: Bunker müssen her. Schon werden die verwitterten | |
Luftschutzbauten aus dem alten Kalten Krieg in der Eifel und in Brandenburg | |
für den neuen Heißen Krieg in Augenschein genommen. Auch die aufwändig | |
renovierten städtischen Hochbunker sollen ihrer eigentlichen Bestimmung | |
gemäß wieder von Galerien und Luxusquartieren befreit und in graue | |
Betonburgen zurückverwandelt werden. Zumindest die Regierung könnte damit | |
ein Plätzchen finden im unter- oder überirdischen Hochsicherheitstrakt. | |
Alle anderen müssen auf private Vorsorge setzen und tun das ja auch schon. | |
Der Bunkerbau boomt, jedenfalls bei den Reichen, die finanzielle | |
Möglichkeiten haben, sich schon jetzt Beton-Domizile mit allem Pipapo in | |
die heimische Landschaft zu setzen. Und der Rest muss Prepper spielen und | |
Schwarzbrot, Dosenfleisch und Tütensuppen im Keller bunkern. Mit | |
Knorr-Suppen hat es die Wehrmacht schließlich auch bis Stalingrad | |
geschafft, allerdings leider nicht zurück. „Knorr bringt Kraft in den | |
Teller“, wusste noch das Nachkriegskind Franz Beckenbauer in der Werbung | |
der sechziger Jahre. | |
Aber ist es dann erst so weit, wird es unter der Erde eher kraft- und | |
saftlos zugehen. Denn die ganze Familie hockt wie bei einem ewigen | |
Weihnachtsfest für unbestimmte Zeit aufeinander. Vati kann nicht mehr an | |
den Büroarbeitsplatz flüchten oder am Eigenheim schrauben. Mutti muss auf | |
zwei traurigen Gaskochflammen die Bagage mit Spaghetti und Tomatensoße als | |
tägliche Hauptmahlzeit ruhigstellen. Die Kinder quengeln nur noch, weil das | |
Internet und Social Media nicht mehr funktionieren und ihre Freunde nicht | |
erreichbar sind. Und die Videoschalte zur Schule bricht permanent zusammen. | |
Putin und seine fünfte Kolonne haben leichter Hand die Glasfaserkabel | |
gekappt. Es ist alles wie zu Coronazeiten. Öde ist das Bunkerleben. | |
Da bringt es auch wenig, dass die einzige verbliebene Rundfunkanstalt über | |
einen fest installierten Lautsprecher 24 Stunden am Tag vor sich hin quäkt. | |
Das Programm des im Volksmund „Faeser-Schnauze“ getauften Radios besteht | |
aus pädagogisch wertvollen Sendungen wie „Grüße in die verlorene Heimat“ | |
und dem „Fluchtreiseruf“, bei dem mit Grabesstimme Vermisstenmeldungen | |
vorgetragen werden: „Ines Kaminski, Jahrgang 1965, Wattenscheid, abgängig | |
auf der Raststätte ‚Hünxe Ost‘ beim Treck nach Holland …“ | |
Ein wenig Abwechslung für das Langweilerleben unter Tage bietet da das | |
Fernsehen mit seinen zwei Programmen. Endlich wird das ZDF seiner | |
staatstragenden Aufgabe gerecht und lässt Thomas Gottschalk rund um die Uhr | |
moderieren. Der beliebteste Übriggebliebene Deutschlands schwärmt tagein, | |
tagaus von den herrlichen Zeiten, als man noch richtige Supernasenwitze | |
machen durfte: „Wie die Nase eines Mannes, so sein Johannes.“ Prust! Brüll! | |
Gacker! | |
In den Pausen kommt eine andere Blondine zum Einsatz: Heidi Klum, die als | |
Kuttel verkleidet, dem Fernsehvolk vorkocht, wie sich aus Notgemüsen | |
schmackhafte Gerichte zaubern lassen: „Schwarzwurz à la Bergisch Gladbach“. | |
Und nebenbei erzählt Ehegespons Tom Kaulitz, der alles, was „Mama Heidi“ | |
fabriziert, „total lecker“ findet, Schwänke aus seiner bewegten Jugend als | |
ostdeutscher Provinzstar: „Damals im Monsum kreischten die Girlies die | |
ganze Nacht …“ | |
Das Nachtprogramm bestreitet Richard David Precht, der mit wechselnden | |
Gästen bis in die Puppen über dunkle Welträume schwadroniert: „So ein | |
Bunker, der macht ja etwas mit dir. Der grenzt dich ein. Wie in Platos | |
Höhle mit ihren zuckenden Schatten. Ist Putin ein moderner Schatten? Ist | |
Nancy Fae-ser das Licht der Aufklärung?“ | |
## Keine Lieferung von draußen | |
So aufgeklärt und spannend geht es zu im Kriegsjahr Nummer eins, auch weil | |
die unterirdischen Deutschen weiterhin ihrer wichtigsten Tätigkeit | |
nachkommen und die Konsumlust befriedigen dürfen. Der zweite Sender, die | |
ARD, wird nämlich umbenannt in Amazon. Ein Shopping-Kanal, bei dem nach | |
Lust und Laune alles, wonach das Herz begehrt, bestellt werden kann. Zum | |
Beispiel bei Echsenmoderator Wolfgang Joop, der endlich seine verwitterte | |
Kleidung aus dem vorigen Jahrhundert an den Mann, die Frau und alle | |
Sonstigen bringen kann. Auch wenn nichts davon tatsächlich im Bunker | |
ankommt. Es gibt leider Lieferprobleme, weil die Liefersklaven von Amazon | |
draußen im Kriegsgebiet beliebte Zielscheiben für die Rotarmisten sind. | |
Ein Schlachtfeld übersät mit verblichenen Zustellern und unzustellbaren | |
Paketen – das ist Deutschland im ersten Jahr des Großen Vaterländischen | |
Krieges Teil zwei. Unterirdisch herrscht Ennui, ein Mischung aus Langeweile | |
und Verdruss. Wirklich traurig über die Lage ist nur Putin, denn seine | |
Lieblingssendung, die er bislang an keinem Donnerstag verpasst hat, wurde | |
vom ZDF abgesetzt. Seit Jahren ist der Zar in die fulminante Moderatorin | |
verknallt: Maybrit Illner. Die irgendwo zwischen Mainz und Berlin-Mitte auf | |
der Flucht nach Mallorca verschollen ist. | |
Aber politische Meinungen, haben die Verantwortlichen in der | |
Bundesregierung beschlossen, könnten den ängstlichen Bunkerbewohnern | |
sowieso momentan nicht zugemutet werden. Im Krieg müssen alle hinter den | |
dicken Stahltüren tapfer auch ohne die heldenhaften Politiker durchhalten. | |
7 Dec 2024 | |
## AUTOREN | |
Jan Asberg | |
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