Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neues Asylgesetz in Ägypten: Mit harter Hand und EU-Unterstützung…
> Ägypten regelt den Status Geflüchteter neu. Menschenrechtler:innen
> kritisieren den Gesetzentwurf. Sie sagen: Die EU habe das Land dazu
> ermutigt.
Bild: Die sudanesische Geflüchtete Fatheya kocht in ihrer Wohnung in Kairo, Ä…
Berlin taz | Ds ägyptische Repräsentantenhaus hat einen Gesetzesentwurf zur
Regelung des Status von Geflüchteten im Land verabschiedet. Während die
Regierung und viele Abgeordnete die Gesetzgebung begrüßen, kritisieren
Menschenrechtsorganisationen sie scharf – und bezeichnen sie als einen
Schritt, der „den grundlegenden Schutz von Flüchtlingen untergräbt“.
Der von der Regierung eingebrachte Gesetzesentwurf ist der erste seiner
Art: Er soll Asylverfahren und Flüchtlingsangelegenheiten in Ägypten
regeln, seit 1954 wurde dieser Prozess vom Hohen Flüchtlingskommissar der
Vereinten Nationen (UNHCR) im Auftrag der Regierung abgewickelt. Der
Entwurf überträgt die Befugnis zur Gewährung des Flüchtlingsstatus und zur
Verwaltung von Flüchtlingsangelegenheiten vom UNHCR auf ein Komitee, das
dem Premierminister unterstellt ist.
Das Gesetz tritt in Kraft, sobald es von Präsident Abdel Fattah el-Sisi
ratifiziert wurde – ein Routineverfahren.
„Dies ist ein äußerst wichtiges Gesetz, das sich direkt auf die nationale
Sicherheit auswirkt. Wir haben aufgrund der regionalen Instabilität eine
große Anzahl von Flüchtlingen aufgenommen, was den Staat jährlich 10
Milliarden Dollar kostet. Doch Ägypten profitiert weder davon, noch erhält
es angemessene Mittel“, sagte der pensionierte General Ahmed Al-Awadi,
Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Repräsentantenhaus, in einem
Fernsehinterview. Ägyptische Beamte hatten jüngst wiederholt ihre Besorgnis
über die Unzulänglichkeit der internationalen Hilfe im Verhältnis zum
zunehmenden Zustrom von Flüchtlingen geäußert, insbesondere nach den
[1][Konflikten im Sudan] und im [2][Gazastreifen].
## Wieviele Geflüchtete halten sich in Ägypten auf?
Laut dem UNHCR belief sich die Zahl der registrierten Flüchtlinge und
Asylsuchenden in Ägypten am 19. November 2024 auf 833.000, [3][von denen
fast die Hälfte im Jahr 2024 registriert wurden.] Tausende weitere warten
noch auf ihre Registrierung. Diese Zahl steht in krassem Gegensatz zu den
Schätzungen der ägyptischen Regierung. Präsident Abdel Fattah el-Sisi
behauptet, das Land beherberge 9 Millionen Flüchtlinge. Die große
Diskrepanz bei den Zahlen ist auch auf die weit gefasste Definition
Ägyptens von „Flüchtlingen“ zurückzuführen: Denn sie umfasst wohl alle
ausländischen Staatsangehörigen, die sich innerhalb seiner Grenzen
aufhalten.
Die UN hat sich bisher nicht zu dem Gesetzesentwurf geäußert. Doch 22
lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen eine gemeinsame
Erklärung veröffentlicht, in der sie den Entwurf rundheraus ablehnen.
„Dieses Gesetz ist katastrophal und viele seiner Bestimmungen verstoßen
gegen die Verfassung und internationale Verträge, die Ägypten bisher
unterzeichnet hat“, sagte Nour Khalil von der Refugees Platform in Ägypten,
der taz.
Die Organisationen kritisieren weiter, dass der Entwurf ohne Rücksprache
mit den Beteiligten, einschließlich Flüchtlingen, ihren Vertretern und
Menschenrechtsorganisationen, verabschiedet wurde. „Der Gesetzesentwurf
erweitert ungerechtfertigt die Befugnisse des Flüchtlingsausschusses der
Regierung, den Flüchtlingsstatus aus Gründen, die mit vagen und
mehrdeutigen Begriffen wie „nationale Sicherheit“ verbunden sind, zu
widerrufen. Diese Ausweitung könnte dazu genutzt werden, die Rechte von
Flüchtlingen übermäßig einzuschränken“, heißt es in der Erklärung.
Der Gesetzesentwurf klärt außerdem nicht den rechtlichen Status derjenigen,
die derzeit als Flüchtlinge anerkannt sind oder auf Asylentscheidungen
warten. „Wenn wir bereits unter dem Schutz des UNHCR stehen und dennoch
unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit oder der Verletzung der
öffentlichen Ordnung zwangsweise abgeschoben werden, was wird dann erst
passieren, wenn die Regierung diesen Prozess kontrolliert und die
Abschiebung legal wird?“, sagte Adam Abakar, ein [4][sudanesischer
Geflüchteter], der seit 2013 in Ägypten lebt, der taz.
## Geflüchteten sollen politische Aktivitäten verboten werden
Der Gesetzesentwurf kriminalisiert und erlaubt außerdem die Ausweisung von
Personen, die gegen die „öffentliche Ordnung“ oder „ägyptische
gesellschaftliche Werte und Traditionen“ verstoßen. Khalil warnt davor,
dass solche Bestimmungen „eine erhebliche Bedrohung für Flüchtlinge und
Asylsuchende aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen, Praktiken oder
sexuellen Orientierungen darstellen“. Ägypten erkennt offiziell nämlich nur
den Islam, das Christentum und das Judentum als Religion an,
[5][Homosexualität stellt außerdem weiterhin eine Straftat dar.]
Darüber hinaus verbietet das Gesetz Flüchtlingen die Teilnahme an
politischen, parteiischen oder gewerkschaftlichen Aktivitäten.
Menschenrechtsgruppen sehen darin eine übermäßige Einschränkung der
Grundrechte, insbesondere der Meinungsfreiheit und des Rechts auf
friedliche Versammlung. „Vieles, was im Zusammenhang mit dem Gesetz vor
sich geht, macht mir Angst und bedroht mich. Und der UNHCR hat noch nicht
mit uns über unsere Zukunft gesprochen“, sagte Abakar.
## Zusammenhang mit EU-Abkommen
„Dieser Gesetzesentwurf kann nicht losgelöst von den [6][laufenden Abkommen
und Partnerschaften zwischen Ägypten und der EU] und deren Entwicklung seit
2014 betrachtet werden. Die Einführung eines nationalen Asylsystems ist
nicht auf einen echten ägyptischen Willen zurückzuführen. Sie ist eine
Reaktion auf Druck von außen“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der
Organisationen, die sich gegen das Gesetz aussprechen.
Seit Präsident Al-Sisi 2014 sein Amt antrat, arbeitet Ägypten in
Migrationsfragen eng mit der EU zusammen und konnte bisher etwa erfolgreich
verhindern, dass Boote mit Migranten von seinen Küsten ablegen.
Im März kündigte die EU aus Sorge um die Stabilität Ägyptens an, die
Beziehungen zu Ägypten auf die Ebene einer „strategischen und umfassenden
Partnerschaft“ zu heben. Die EU sagte Zuschüsse und Investitionen in Höhe
von insgesamt 7,4 Milliarden Euro zu, wobei etwa 200 Millionen Euro
speziell für die Migrationskontrolle vorgesehen sind.
Nour Khalil von der Refugees Platform sagt: „Die EU hat die ägyptische
Regierung ermutigt, das Asylgesetz zu verabschieden, und Ägypten als
sicheres Land für die Rückkehr von Flüchtlingen dargestellt.“ Folglich sei
die EU auch für die Verabschiedung des Gesetzes in seiner jetzigen Form
verantwortlich, das die grundlegenden Rechte von Flüchtlingen untergrabe.
21 Nov 2024
## LINKS
[1] /Ein-Jahr-Krieg-in-Sudan/!6001611
[2] /Fluchtweg-nach-Aegypten/!5988781
[3] /Flucht-aus-Sudan/!5938888
[4] /Vertreibung-aus-Sudan/!6038909
[5] /Rechte-von-LGBTQ/!5867280
[6] /Vertreibung-aus-Sudan/!6038915
## AUTOREN
Karim Assaad
## TAGS
Ägypten
Sudan
Schwerpunkt Flucht
Italien
Schwerpunkt Krieg in Sudan
Schwerpunkt Krieg in Sudan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vertreibung aus Sudan: Einst Kolonialisten, heute in Angst vor den Geflüchteten
Italien beherrschte einst mit Gewalt die Region am Horn von Afrika. Heute
wirft Rom Menschen von dort vor, als „Invasoren“ nach Europa zu kommen.
Vertreibung aus Sudan: Der General des Grauens
Der Warlord Hemedti verübte Kriegsverbrechen in Darfur, dann sollte er für
die EU Flüchtlinge stoppen. Heute führt er Krieg um die Macht in Sudan.
Vertreibung aus Sudan: Flieht doch in einen anderen Krieg
Nur wenigen der vielen Millionen vertriebenen Sudaner:innen gelingt
heute die Flucht an einen sicheren Ort. Daran hat die EU jahrelang
gearbeitet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.