# taz.de -- G20-Gipfel in Brasilien: Lahme Enten am Zuckerhut | |
> Brasiliens Präsident Lula will eine weltweite Allianz gegen den Hunger | |
> schmieden. Doch schon sein Nachbar aus Argentinien macht Schwierigkeiten. | |
Bild: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begrüßt US-Präsident Joe Biden … | |
Rio de Janeiro taz | Hunger und Armut seien, sagte Brasiliens Präsident | |
Luiz Inácio Lula da Silva am Montagmorgen in Rio de Janeiro, das Ergebnis | |
politischer Entscheidungen. Deshalb sei es notwendig, jetzt zu handeln. | |
Seine Rede markierte den Auftakt des zweitägigen G20-Gipfels in der | |
brasilianischen Metropole am Zuckerhut. In seiner Eröffnungsansprache | |
setzte Lula die Schwerpunkte für die kommenden Tage: Die Bekämpfung von | |
Armut und Hunger soll im Zentrum der Diskussionen stehen. Lula kündigte die | |
Gründung einer globalen Allianz an, die bis 2030 rund 500 Millionen | |
Menschen durch Geldtransferprogramme und Sozialschutzsysteme erreichen | |
will. | |
[1][Lula, der selbst in einer armen Landarbeiterfamilie] im vom Hunger | |
geplagten Nordosten Brasiliens aufwuchs, setzt sich auch für die Einführung | |
einer Steuer für Superreiche ein. Laut Diplomaten könnte sich jedoch | |
Argentiniens Präsident Javier Milei gegen eine entsprechende Passage in der | |
Abschlusserklärung stellen. Auch in anderen Bereichen gibt es | |
Konfliktpotenzial. | |
Der Gipfel findet unter schwierigen Vorzeichen statt. Sowohl US-Präsident | |
Joe Biden als auch Bundeskanzler Olaf Scholz, die in ihren Heimatländern | |
als „lame ducks“ gelten, sind politisch stark geschwächt. Das wird ihre | |
Fähigkeit, beim G20-Gipfel in Brasilien wesentliche Impulse zu setzen, | |
erheblich einschränken. | |
## Was kostet der Kampf gegen die Erderwärmung? | |
Ein weiteres zentrales Thema des G20-Gipfels ist der Kampf gegen die | |
Klimakrise. Es sollen Weichenstellungen für die COP30 im nächsten Jahr in | |
der Regenwaldmetropole Belém erfolgen. Viele erhoffen sich zudem ein Signal | |
für die parallel stattfindenden Verhandlungen der COP29 in Baku, | |
Aserbaidschan, wo die Gespräche bislang nur schleppend vorankommen. | |
Besonders strittig bleibt die Frage der Finanzierung: Länder des Globalen | |
Südens drängen auf hohe Summen, um die bereits entstandenen enormen | |
Klimaschäden zu beheben und verweisen auf die historische Verantwortung der | |
Industrieländer. Diese drängen wiederum vor allem wohlhabendere | |
Schwellenländer wie China, sich stärker an den Kosten des Klimaschutzes zu | |
beteiligen. Doch diese wehren sich häufig und argumentieren, dass die | |
westlichen Industrieländer über Jahrhunderte hinweg maßgeblich zur | |
Zerstörung des Klimas beigetragen haben. | |
Die Wahl von Donald Trump, der [2][auf einen Ausbau der Ölförderung setzt] | |
und sich in seiner ersten Amtszeit aus dem Pariser Klimaabkommen zurückzog, | |
könnte das [3][Erreichen von Klimazielen] in weite Ferne rücken. Auch | |
Brasiliens Nachbarland Argentinien könnte Pläne zur Klimafinanzierung | |
torpedieren. Obwohl das Land noch in Rio vertreten ist, wird spekuliert, | |
dass es sich aus dem Pariser Abkommen zurückziehen könnte. Vor drei Tagen | |
hatte die argentinische Delegation die COP28 in Baku abrupt verlassen. | |
Präsident Javier Milei, der den menschengemachten Klimawandel infrage | |
stellt, heizt die Debatte zusätzlich an. Für viele Diplomaten könnte Milei | |
als eine Art Vorbote von Trump in Erscheinung treten. | |
## Das brisante Thema Ukraine | |
Brisanz hat auch das Thema Ukraine. Dessen Präsident Wolodymyr Selenskyj | |
wurde nicht eingeladen, Russlands Präsident Wladimir Putin lässt sich durch | |
seinen Außenminister vertreten. Lula hatte ursprünglich versucht, Kriege | |
aus den Gesprächen herauszuhalten, um nicht von anderen wichtigen Themen | |
abzulenken, wie er dem brasilianischen TV-Sender Globo sagte. Dennoch wird | |
erwartet, dass die Abschlusserklärung einen Stopp von weltweiten | |
Kriegshandlungen fordern wird. Lula ist bekannt dafür, auf der | |
internationalen Bühne große Ankündigungen zu machen, sorgt im Westen aber | |
regelmäßig für seine Aussagen über den Ukraine-Krieg und Israel für | |
Kopfschütteln. | |
Brasilien strebt zudem eine Reform der multilateralen Institutionen an, um | |
dem Globalen Süden mehr Gewicht zu verleihen – ein Anliegen, das Lula stets | |
unterstützt hat. Außenpolitisch verfolgt er eine Politik der Neutralität, | |
setzt sich für eine multipolare Weltordnung ein und strebt gute Beziehungen | |
zu allen Großmächten an. Nach dem G20-Gipfel wird Lula Chinas | |
Staatspräsident Xi Jinping zu einem Staatsbesuch in der Hauptstadt Brasília | |
empfangen. | |
18 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Luiz-Inacio-Lula-da-Silva/!t5030106 | |
[2] /Zukuenftige-Regierung-in-den-USA/!6049529 | |
[3] /UN-Klimakonferenz-in-Baku/!6045532 | |
## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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