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# taz.de -- Kriegsangst in Schweden: Per Postwurfsendung auf Atomschlag vorbere…
> Die schwedische Regierung verteilt eine Broschüre mit Hinweisen, wie sich
> Bürger bei Krieg und Krise zu verhalten haben. Die Nachbarn reden darüber
> nicht gerne.
Bild: „Wenn Krise oder Krieg kommen“: Eine Info-Broschüre, herausgegeben v…
Diesen Gruß der Regierung im Briefkasten zu übersehen, ist quasi
ausgeschlossen. Leuchtend gelb, festes Papier, klare Ansage: „Wichtige
Information für die Einwohner Schwedens“ steht ganz oben. Und unten,
fünfmal größer: „Wenn Krise oder Krieg kommen“. Fehlt nur noch der
Werbehinweis: „Jetzt mit mehr Krieg!“
Obwohl, dafür gibt es ja die zierliche Zeichnung: Eine Soldatin mit
Maschinengewehr, im Hintergrund ein Soldat mit Gewehr im Anschlag, ein
Kampfjet vor dunklen Wolken und ein das Wasser durchpflügendes
Kriegsschiff. Zwei Kinder und ein bei ihnen sitzender Erwachsener links im
Bild symbolisieren, was verteidigt werden muss: das sichere, friedliche,
freie Dasein in Schweden.
Der Vorgänger dieser Broschüre, die gerade an alle Haushalte verteilt
wurde, war 2018 erschienen, damals noch mit mehr Betonung auf Krise statt
Krieg. Aber, das hören die Menschen hier schon das ganze Jahr von ihrer
Regierung, und jetzt lesen sie es im Vorwort: „[1][Wir leben in einer
unruhigen Zeit].“ So unruhig, dass innerhalb weniger Jahre die Bedrohungen
durch Fake News, Terror und gefährliche Krankheiten hinzugekommen sind.
## Kriegsgefahr wird als real gesehen
Und so unruhig, dass die Gefahr eines militärischen Angriffs als real genug
angesehen wird, um Schwarz auf Gelb prophylaktisch klarzustellen: „Wenn
Schweden angegriffen wird, werden wir niemals aufgeben. Behauptungen, dass
der Widerstand beendet wird, sind falsch.“
„Das ist doch Angstmacherei“, findet die Nachbarin. Dabei ist es fast
beruhigend, zu lesen, was man bei einem Atomwaffenangriff tun soll: Schutz
suchen wie bei einem Luftangriff, in einem Schutzraum, notfalls im
Straßengraben. „Nach ein paar Tagen hat die Strahlung kräftig abgenommen“,
steht da. Die Organisation „Schwedische Ärzte gegen Atomwaffen“ verurteilte
das sogleich empört als Verharmlosung. Bei einem Atomschlag auf Stockholm
wären nach ihren Berechnungen 90.000 Menschen sofort tot.
Die Behörde für Zivilschutz und Bereitschaft, die die Broschüre
verantwortet, sagte dem Fernsehsender TV4, dass sie habe abwägen müssen
zwischen dem Ziel, zu informieren, und der Gefahr, Angst zu verbreiten. Im
Fall Atomwaffen war das eventuell eine unlösbare Aufgabe.
## Auf Stromausfall ist man auch ohne Krieg vorbereitet
Ein Atomschlag aber erscheint von allen Szenarien wohl am weitesten
entfernt vom nordschwedischen Winteralltag. Einen Stromausfall kennen viele
auch ohne Kriegserfahrung, und der kann bei eisigen Temperaturen und
Elektroheizungen durchaus bedrohlich sein. Streichhölzer, Kerzen,
Taschenlampen, Feuerholz für den Kamin: Das immerhin können viele Menschen
hier im Ort prinzipiell von der Liste in der Broschüre abhaken.
Auch andere Hinweise – wie das Kurbelradio, das auch ohne Steckdosenstrom
den Notfallsender reinkriegt – erscheinen immer weniger absurd. „So eins
wollten wir schon längst besorgen!“, sagt eine Sangesschwester nach der
Chorprobe. Die gelbe Broschüre hat sie wieder daran erinnert. Es macht ihr
keine Angst, [2][sie wäre einfach gerne auf alles vorbereitet]. Wenn sie
nur mal dazu käme! Im Notfall müsse ihr Sohn sie aufnehmen, der habe alles
parat. Sie lacht, aber es ist natürlich klar: Niemand möchte bei einem
Ernstfall erleben, dass man es verbaselt hat, ein paar läppische,
lebenswichtige Vorräte anzulegen.
## Nachbarschaftshilfe und Kindheitswissen
Der Nachbar gegenüber legt gar keine Vorräte an. Und er lässt seit Jahren
Vögel im Schornstein nisten, weswegen er im Notfall nicht mit Holz heizen
könnte – aber er könnte anderen mit Holzhacken und Feuermachen helfen. Und
er kennt alle Verstecke der Gegend aus seiner Jugend. Er überlegt, ob der
alte Eisenbahntunnel ein guter Schutzraum wäre. Aber: „Wenn wirklich Bomben
fallen, ist es doch reines Glücksspiel, ob man getroffen wird“, meint er.
Und erklärt auch gleich, warum zwar alle etwas zur neuen Broschüre zu sagen
haben, aber erst auf Nachfrage. „Man will lieber nicht zu viel darüber
sprechen“, sagt er, „dann wird es zu ernst.“
30 Nov 2024
## LINKS
[1] /Minister-Bohlin-ueber-Sicherheitspolitik/!6050836
[2] /Schweden-preppt-fuer-den-Ernstfall/!6031305
## AUTOREN
Anne Diekhoff
## TAGS
Kolumne Stadtgespräch
Schweden
Zivilschutz
Atomwaffen
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