# taz.de -- Hochverratsvorwurf in der Ukraine: Im Dienste Putins? | |
> Ein ukrainischer Parlamentsabgeordneter soll im Interesse Russlands tätig | |
> gewesen sein. Bei einer Verurteilung drohen 15 Jahre Haft. | |
Bild: Hochverrat im Sinne Putins? | |
Kyjiw taz | Der ukrainische Parlamentsabgeordnete Jewhenij Schewtschenko | |
wird des Hochverrats beschuldigt. Bei einer Verurteilung drohen 15 Jahre | |
Haft. Dies berichten ukrainische Medien unter Berufung auf den | |
Inlandsgeheimdienst SBU, das Staatliche Ermittlungsbüro und die | |
Generalstaatsanwaltschaft. | |
Der mittlerweile inhaftierte Schewtschenko soll, so berichtet das Portal | |
detector.media unter Berufung auf die Ermittlungsakten, subversiv im | |
Informationsraum im Interesse eines feindlichen Staates tätig gewesen zu | |
sein. Er habe unter anderem die ukrainische Regierung öffentlich | |
diskreditiert, Fakten und Ereignisse in der Ukraine verfälscht | |
wiedergegeben sowie zur Änderung der Staatsgrenzen aufgerufen. | |
Er betreibe eigene Kanäle auf Youtube und Telegram, und habe prorussischen | |
Bloggern und Experten Interviews gegeben. Deren Inhalte seien anschließend | |
in russischen Medien verbreitet worden, um den Anschein zu erwecken, dass | |
dies die offizielle Haltung eines ukrainischen Regierungsvertreters sei. | |
Die von Schewtschenko verbreiteten Informationen, so detector.media weiter, | |
sollten den Eindruck erwecken, die ukrainische Regierung habe das Land an | |
den Rand des Abgrunds geführt sowie den Verlust von Gebieten und Menschen | |
zu verantworten. Insbesondere im Oktober und November 2024 habe | |
Schewtschenko verzerrte Berichte über die Leitung der ukrainischen | |
Streitkräfte und die Stimmung im Land verbreitet. Außerdem habe er die | |
Auffassung verbreitet, dass die Ukraine nicht gewinnen könne und deswegen | |
[1][Verhandlungen mit Russland] zu beliebigen Bedingungen aufnehmen müsse. | |
## Westliche Partner diskreditiert | |
Außerdem, so der detector.media, hätten seine Informationen die westlichen | |
Partner und europäischen Werte diskreditiert. Er habe auch behauptet, der | |
Westen würde nicht nur die inneren Angelegenheiten der Ukraine beeinflussen | |
und eine Mitverantwortung für den Krieg tragen. Zudem habe er dem Westen | |
vorgeworfen, durch Beeinflussung der Wahlen die Stabilität in [2][Georgien] | |
und [3][Moldau] zu gefährden. | |
Ein psychologisch-linguistisches und militärisches Gutachten, so | |
detector.media, hätte ergeben, dass der fraktionslose Abgeordnete mit | |
seinen Aktivitäten die Verteidigungsfähigkeit und den Informationsraum des | |
Landes geschädigt habe. | |
Übereinstimmend erwähnen ukrainische Medien die engen Beziehungen von | |
Schewtschenko mit dem Lukaschenko-Regime. So habe er sich mehrfach mit dem | |
belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko getroffen und dessen | |
Vorgehen gegen die Opposition gutgeheißen. | |
Man erinnert sich daran, dass er 2020 mit einem belarussischen Fähnchen am | |
Rednerpult des Parlaments gestanden und die Festnahme des oppositionellen | |
belarussischen Bloggers Roman Pratassewitschbei nach einer | |
Flugzeugentführung durch den belarussischen Geheimdienst KGB gutgeheißen | |
hatte. | |
## Persönliche Daten veröffentlicht | |
Einige der wenigen Plattformen, die die Nachricht von den Beschuldigungen | |
gegen Schewtschenko kommentieren, ist die Site Mirotworez. Was | |
Schewtschenko gemacht habe, sei eine „humanitäre Aggression“. Die Plattform | |
schiebt in einer Erklärung nach, dass das Ziel einer „humanitären | |
Aggression“ nicht ein Territorium sei. Vielmehr ziele diese auf den | |
Informationsraum und die Gehirne der Menschen. | |
[4][International bekannt wurde der „Mirotworez“ 2016, als er die | |
persönlichen Daten von Journalisten veröffentlicht hatte], die die | |
„Volksrepubliken“ von Donezk und Luhansk besucht hatten. Aktuell führt die | |
Plattform eine öffentlich einsehbare Datenbank von Personen, die nach | |
Auffassung des Portals gegen die Interessen der Ukraine handeln. | |
Im September 2019 hatte das Parlament in Kyjiw mit großer Mehrheit für die | |
Abschaffung der Abgeordnetenimmunität gestimmt. Der Fall Schewtschenko | |
wirft auch ein Licht auf den Abgeordneten Olexandr Dubinski. Dubinsky, der | |
seit einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt, wird ebenfalls Hochverrat | |
vorgeworfen. Er steht im Verdacht, mit dem russischen Militärgeheimdienst | |
GRU zusammenzuarbeiten und für Russlands spioniert zu haben. | |
Dubinski war im Dezember 2019 einer der Hauptkontakte von Rechtsanwalt Rudy | |
Giuliani. Dieser hatte im Auftrag seines Mandanten [5][Donald Trump] die | |
Ukraine besucht, um belastendes Material gegen den in der Ukraine als | |
Geschäftsmann tätigen Sohn von Joe Biden, Hunter Biden, zu finden. | |
15 Nov 2024 | |
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[5] /Diplomatie-im-Ukrainekrieg/!6045533 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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