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# taz.de -- III. Weltkrieg, Femizide, Wagenknecht: Eine düstere Woche
> Küppersbusch über die Besonnenheit der SPD, die Gefahr vom III. Weltkrieg
> zu sprechen und eine Krankenhausreform. Und ein Wagenknecht-Selfie.
Bild: Pistorius hat eingepackt
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Sozitainment überdröhnt FDP-Putsch und die
Schwächen der Konkurrenz
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Endlich Zeit für eine neue Taurus-Debatte.
taz: Boris Pistorius tritt nicht als SPD-Kanzlerkandidat an. Was kann die
SPD bei der Wahl im Februar ohne ihn erreichen?
Küppersbusch: Leihstimmenkampagne! „Wer Pistorius will, muss Scholz
wählen!“ Die SPD hat sich vom [1][„horse race journalism“] irre machen
lassen, und immerhin Pistorius scheint zu ahnen: Nach zwei Monaten
Wahlkampf hängt er genau so tot übern Zaun wie jetzt Scholz. Auf diese
Stories haben die Medien immer Appetit. Scholz ist gut beraten, das Thema
„Besonnenheit“ zu plakatieren, und sich dabei von Kamerad Boris besonnen zu
lassen. Die Sozis haben keinen Streit, sondern einfach mehrere gute Leute.
Meine Fresse, ist das denn so schwer? Irgendwo im Keller muss das Wort
„Solidarität“ rumliegen, guckt mal nach.
taz: 1.000 Tagen nach dem Überfall auf die Ukraine hat der Konflikt nach
Ansicht von Wladimir Putin nun einen „globalen Charakter“. Ist das schon
der [2][III. Weltkrieg]?
Küppersbusch: Längst. Würde Putin antworten. Er sieht sich von vornherein
im Krieg mit Nato und den USA, und setzt dabei die Osterweiterungen mit
Kampfhandlungen gleich. Das ist Quatsch, und wird noch quätscher, wenn „der
Westen“ nun beschwörend vom Weltkrieg redet und im Grunde Putins Sicht
recht gibt. In unseren Debatten wird schnell und gründlich abgestraft und
aussortiert, wer das Kreml-Narrativ auch nur schildert, um – walk a mile in
my shoes – einen für Russland gangbaren Ausweg zu finden. Stattdessen
selber die roten Linien zu überschreiten, ähnelt Putins Vorgehen.
taz: Fast täglich wird in Deutschland ein Femizid begangen, also eine Frau
getötet, weil sie eine Frau ist . Das ist das Ergebnis des [3][„Lagebilds
zu gegen Frauen gerichteten Straftaten“]. Wann ändert sich endlich etwas?
Küppersbusch: Jetzt. Es ist nämlich das erste Lagebild zu diesem Thema
überhaupt, mit allen Startschwierigkeiten: Das BKA beklagt darin, dass es
keine einheitliche Definition von Feminiziden gebe und die polizeiliche
Kriminalstatistik keine Informationen über Tötungsmotive gebe. Kurz: Die
Zahlen könnten nicht als „Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist“,
gelesen werden. Man nähere sich dem Thema nur an. Die Zahl der so erfassten
Gewalttaten ist eher gruselig konstant. Signifikant dagegen die Anstiege um
25 Prozent bei „digitaler Gewalt“ und um 56 Prozent bei „politisch
motivierter Gewalt“. Das sind keine „Beziehungstaten“, sondern aus der
Anonymität begangene Verbrechen. Kurz: Dies Lagebild zeigt den
gesellschaftlichen Hintergrund und weckt Bewusstsein. Vielleicht ändert das
erstmal nichts, doch ohne Bewusstmachung ändert sich garantiert nichts.
taz: Bei der [4][Weltklimakonferenz in Baku] weist die EU den vorgelegten
Beschlussentwurf als „eindeutig inakzeptabel“ zurück und wird als
Bremsklotz der Verhandlungen kritisiert. Geht es wieder nur ums Geld?
Küppersbusch: Nein, es ging endlich mal ums Geld. Blumige Verheißungen und
fantasievolle Vertagungen auf übermorgen gab's genug. 300 Milliarden
US-Dollar wurden den klimabedrohten Ländern zugesagt, ein Pfad zu den
geforderten 1,3 Billionen soll gefunden werden. Und zwar auch von Akteuren
wie China und arabischen Ölförderländern, die aus dem vorigen Jahrhundert
noch stets als Entwicklungsländer herüberwinken wollen. Die Saudis haben
den Ausstieg aus fossilen Energien bestritten, die ölbesoffenen Gastgeber
in Baku lätschert verhandelt. Trotzdem schafften es „alternative
Geldquellen“ ins Schlussdokument: Gaskonzerne, Luft- und
Schifffahrtsunternehmen. Vulgo: Täter. Verursacherprinzip. Geh ihnen an die
Brieftasche und sie zeigen ihr wahres Gesicht.
taz: Die Krankenhausreform wurde auf Herz und Nieren geprüft – und
beschlossen. Verstehen Sie, was sich ändern soll?
Küppersbusch: Weniger Krankenhäuser in der Fläche – mehr Spezialisierung in
den verbleibenden Kliniken. Dazu weniger „Fallpauschalen“, mehr Geld für
„Bereitstellung“. Als Patient habe ich also längere Wege, kompetentere
Versorgung und weniger Therapien, die vielleicht nix helfen, ganz sicher
aber Kohle bringen. Nach gehabtem Streit und allen Argumenten neigt man zu
der Entscheidung, einfach gesund zu bleiben. Interessant: Hier wurde eine
Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, während wir de facto keine
Mehrheitsregierung haben. Immerhin das riecht nach Zukunft.
taz: Für ein Foto posierte Sahra Wagenknecht mit der „Patentochter Putins“,
der israelisch-russischen Polit-Influencerin Xenija Sobtschak. Wagenknecht
beteuert, sie nicht erkannt zu haben. Wie glaubwürdig ist das?
Küppersbusch: Wagenknechts Ex-Gatte Niemeyer hat sich dem Putin-Regime als
legitimer Vertreter einer deutschen „Exil-Regierung“ zu Verhandlungen
angedient. Für den kann sie auch nix. Just, da die BSW-Statthalter in
Thüringen und Sachsen sich zu imageschädlich vernünftigen Kompromissen
anschicken, kommt das Foto mit „Putins Patin“ zur rechten Zeit.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Remis gegen den Tabellenzweiten Sandhausen, nachdem sie
neulich den ersten Cottbus geschlagen haben. Dazwischen irgendwelche
anderen Spiele, die sie auf Platz 16 halten. Kurz: Irre werden an seinem
Klub kann man auch in der dritten Liga.
Fragen: Christina Koppenhöfer
24 Nov 2024
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## AUTOREN
Friedrich Küppersbusch
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