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# taz.de -- Missbrauch in der anglikanischen Kirche: Erzbischof tritt nach Vert…
> In Großbritannien war der Druck auf Justin Welby immer weiter gestiegen.
> Laut einer Untersuchung soll er schweren Missbrauch vertuscht haben.
Bild: Ihm vergeht wohl jetzt das Lachen: Justin Welby, Erzbischof von Canterbur…
London taz | Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, ist am Dienstag
zurückgetreten. Rücktrittsforderungen waren in den letzten Tagen immer
lauter geworden. Denn eine am letzten Donnerstag von der Kirche
veröffentlichte unabhängige Untersuchung hatte ergeben: Welby, der seit
2013 Oberhaupt der anglikanischen Kirche ist, soll von einer Reihe von als
besonders schlimm geltenden Missbrauchsfällen gewusst haben.
In einer Petition hatten bereits mehr als 10.000 Menschen seinen Rücktritt
gefordert, darunter zahlreiche Mitglieder der Generalsynode, außerdem
Überlebende des Missbrauchs. Sie werfen ihm vor, die [1][Missbrauchsfälle
durch John Smyth] gedeckt zu haben.
Der Anwalt John Smyth hatte über einen Zeitraum von fünf Jahrzehnten
mindestens 115 Jungen und junge Männer in England, Südafrika und in
Simbabwe sexuell und psychisch schwer missbraucht. Auch seinen eigenen Sohn
hat er wohl misshandelt. Smyth war Vorsitzender einer Organisation, die
christliche Jugendlager organisierte.
## Missbrauchsfälle bereits 2017 aufgedeckt
Er soll einige Jungen gedrängt haben, kalt mit ihm zu duschen, es ging um
erzwungene Masturbation und Peitschenhiebe, die Smyth den Jungen versetzt
haben soll, angeblich zum Ziel „christlichen Wachstums“. Smyth verstarb
2017 im Alter von 75 Jahren, ohne je verurteilt worden zu sein.
Im Februar 2017 wurden die Missbrauchsfälle in einer [2][Untersuchung des
britischen Fernsehsenders Channel 4] News aufgedeckt. Diese Untersuchung
folgte auf einen Bericht aus dem Jahr 1982, der wohl von der Kirche
vertuscht und erst 2016 veröffentlicht wurde.
Die nun veröffentlichte unabhängige Untersuchung stellt fest, dass Welby
spätestens seit Juli 2013 vom Missbrauch wusste. Eine Untersuchung leitete
er nicht ein, auch die Behörden verständigte er nicht. 2017 erklärte Welby
in einem Interview gegenüber einem britischen Fernsehsender, er sei sich
der Schwere der Vergehen von Smyth nicht bewusst gewesen, sonst hätte er
reagiert.
Ob er auch zuvor bereits darüber informiert war, ist umstritten. Jedoch
sagt der Untersuchungsbericht aus, es sei „unwahrscheinlich“, dass er in
den 1980er Jahren nichts davon wusste.
## Welby soll nicht eingegriffen haben
Der Untersuchungsbericht kommt zu dem Schluss, dass Welby als Vertreter der
Kirche Smyth in Großbritannien und in Südafrika polizeilich hätte melden
müssen. Smyth lebte damals in Südafrika. So hätte Welby sicherstellen
müssen, dass dort niemand mehr sein Opfer werden könnte. Der Bericht nimmt
auch weitere Personen in die Verantwortung und beschuldigt etwa Welbys
Vorgänger, weitere Bischöfe und Pfarrer, nicht eingegriffen zu haben.
„Die Untersuchung macht deutlich, dass ich persönlich nach Enthüllungen im
Jahr 2013 versagt habe, die fürchterliche Tragödie untersuchen zu lassen“,
erklärte Welby in einer öffentlichen Entschuldigung. Er habe sich nicht
sofort mit Opfern getroffen, nachdem die schrecklichen Einzelheiten im
Fernsehsender Channel 4 gezeigt worden waren.
Er versicherte, dass der [3][Umgang mit Opfern von Missbrauch] sich seitdem
grundlegend geändert hätte, auch wenn es das Geschehene nicht rückgängig
machen könne. Rücktrittsforderungen hatte Welby zunächst zurückgewiesen.
Vor seinem Ruhestand wären ihm noch zwei Jahre im Amt geblieben.
## Bischöfin von Newcastle: Rücktritt ziehe Schlussstrich
Die Bischöfin von Newcastle, Dr. Helen-Ann Hartley, war überzeugt davon,
dass Welby sich nicht auf seinem Posten würde halten können – und dies auch
nicht sollte. „Es ist schwer vorstellbar, wie wir unsere Stellung als
nationale Stimme der Moral halten können, wenn wir unser Haus nicht rein
kehren“, sagte sie.
Für eine Institution, die die Botschaft Jesu Christi trage und den Anspruch
hat, sich um die Verletzlichsten zu kümmern, gelte dies besonders. Zwar
würde ein Rücktritt Welbys nicht alle Probleme lösen, jedoch einen klaren
Schlussstrich ziehen. Die Sicherheit von verletzlichen Personen müsse in
Zukunft unabhängig von kirchlichen Verantwortlichen geprüft werden.
Die Mitgliederzahlen der anglikanischen Kirche sind in den letzten
Jahrzehnten stark geschrumpft, nur noch zwölf Prozent aller Brit:innen
sind Mitglied. Laut einer in der Untersuchung zitierten Psychiaterin
könnten konservativ-christliche Lehren den Missbrauch begünstigt haben.
12 Nov 2024
## LINKS
[1] https://www.bbc.com/news/articles/cje0y3gqw1po
[2] https://www.channel4.com/news/archbishop-admits-church-failed-terribly-over…
[3] /Prior-Alois-Loeser-tritt-ab/!5946107
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
Großbritannien
Kirche
Missbrauch
Bischof
London
Vereinigtes Königreich
Großbritannien
Großbritannien
sexueller Missbrauch
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