# taz.de -- US-Journalist zur Lage nach Trumps Wahl: Aufmunternde Worte und Dur… | |
> Widerstand leisten? Auf Checks & Balances setzen? Oder auf die | |
> desaströsen Auswirkungen von Trumps Zollpolitik warten? Ein Stimmungsbild | |
> aus den USA. | |
Bild: Trump-Fans in der Wahlnacht in Florida | |
Menschen auf der ganzen Welt fragen sich nun, wie es überhaupt möglich war, | |
dass ein verurteilter Straftäter wie Donald Trump, der mit seinen | |
Missetaten prahlt und dabei ein bigottes Weltbild offenbart, erneut in Amt | |
und Würden kommen konnte. Eine Hälfte der US-Bevölkerung wundert sich | |
darüber auch noch. | |
Bisher war es so: Wächst die US-Wirtschaft in einem vernünftigem Maß und | |
bleibt dabei die Arbeitslosigkeit gering, kann die Regierungspartei ihre | |
Arbeit fortführen. Die hohe Inflation, wie sie bis 2022 während Joe Bidens | |
Amtszeit grassierte, konnte gebändigt werden. Vergangenes Jahr stiegen die | |
Reallöhne sogar wieder deutlich an. | |
Aber den schwelenden Frust über die hohen Lebenshaltungskosten in den USA, | |
die signifikant höher sind als noch vor vier Jahren, konnte Trumps | |
Wahlkampagne gewinnbringend ausbeuten. Umfragen am Wahltag zeigten, dass 75 | |
Prozent der Wähler:innen angegeben haben, die Inflation habe im Alltag | |
zu wirtschaftlichen Einschnitten geführt. Trump gewann hier die meisten | |
Stimmen. | |
Die Frage, wem in Sachen Wirtschaft die größte Kompetenz bescheinigt wird, | |
entschied Trump gegen Kamala Harris knapp für sich. Ein Ergebnis, das nicht | |
auf einer seriösen Bewertung der beiden konkurrierenden Wahlprogramme | |
erfolgt sein kann. War es doch Harris, die gleich mehrere Vorhaben auf den | |
Weg bringen wollte, um Lebenshaltungskosten zu senken: So etwa sollte | |
Wohnraum erschwinglich bleiben, Kosten für die häusliche Krankenpflege | |
sollten reduziert werden. | |
Ganz anders Trump, dessen wichtigster ökonomischer Impuls es ist, Zölle auf | |
Importe zu erheben. Obwohl viele Volkswirtschaftler ausdrücklich davor | |
warnen, weil dadurch eine Inflation ausgelöst werden kann, behauptet Trump | |
das Gegenteil. Erst vor wenigen Tagen hat der Ökonom Mark Zandi auf den | |
politischen Sprengstoff von Importzöllen hingewiesen. Er warnte: „Trump | |
benutzt Zölle als politisches Druckmittel, um seiner Skepsis gegen die | |
Globalisierung Ausdruck zu verleihen.“ | |
## Ein gigantischer Schuldenberg | |
Seine erste Amtszeit beendete Trump 2020 mit einer desaströsen | |
Covid-Pandemiepolitik. Er hinterließ seinem Nachfolger Joe Biden einen | |
gigantischen Schuldenberg. Objektiv gesehen, geht es den | |
Amerikaner:innen inzwischen deutlich besser als noch 2020. Nur ist | |
Trump dabei [1][erfolgreich gewesen, das Gegenteil zu behaupten.] | |
Eine wichtige Rolle im Wahlkampf spielte Sexismus. Trump erniedrigte seine | |
Konkurrentin Kamala Harris mit rüdesten Beleidigungen. Paternalistisch | |
sprach er davon, Frauen zu „beschützen, ob sie es mögen oder nicht“. Selb… | |
als ihn eine Jury vor Gericht des sexuellen Missbrauchs für schuldig | |
erklärte, setzte er die Beleidigungen seines Opfers fort. | |
Viele Harris-Unterstützer:innen, abgestoßen von Trumps dauerlüsternem | |
Charakter und entsetzt darüber, wie er das Recht von Frauen auf Abtreibung | |
auf Bundesebene einschränken will, gingen davon aus, dass Harris von einer | |
Welle der Frauensolidarität ins Amt gespült wird. Umfragen belegen nun | |
aber, dass die Präsidentschaftsbewerberin der Demokraten bei Männern und | |
auch bei Frauen schlechter abgeschnitten hat als Biden. | |
## Kaum Unterstützung durch junge Frauen | |
Zulegen konnte sie lediglich bei Wählerinnen über 65 und bei | |
Akademikerinnen. Jüngere und schwach qualifizierte Frauen haben sie dagegen | |
kaum unterstützt. | |
Trump dagegen hat unzählige Podcast-Interviews gegeben, deren Zielgruppe | |
junge Männer sind. Von weißen, schwarzen und Latino-Männern unter 30 bekam | |
er viele Stimmen. | |
Es steht noch nicht fest, wie die Sitzverteilung in den beiden Kammern im | |
US-Kongress jeweils ausfällt. Der Senat ist zwar in Händen der | |
Republikaner, im Repräsentantenhaus ist das Rennen jedoch noch nicht zu | |
ihren Gunsten entschieden. Hier hätte eine demokratische Mehrheit | |
Möglichkeiten, Trump am Durchregieren zu hindern. | |
Obwohl er während seiner ersten Amtszeit republikanische Mehrheiten in | |
beiden Kammern zur Verfügung hatte, gelang es ihm nie, Lieblingsvorhaben | |
wie rechtliche Einschränkungen für Migrant:innen und die Rücknahme von | |
Obamas Gesundheitsvorsorge durchzuboxen. Falls die Republikanische Partei | |
nur eine knappe Mehrheit im Kongress erringt, wird auch die zweite Amtszeit | |
zur Bremse für Trumps Gesetzesvorhaben. | |
## Was wird mit der Nato? | |
Freilich scheint er kein gesteigertes Interesse an den Mühen der | |
legislativen Ebene zu hegen. Seine Art der autokratischen Amtsführung lässt | |
erahnen, dass ihm nur daran liegt, exekutiv Macht auszuüben. In seinen | |
ersten vier Jahren als US-Präsident wollte ihm selbst das nur schwer | |
gelingen. | |
Der Journalist Rob Wolfe hat vor Kurzem untersucht, welche Gesetzesvorhaben | |
Trumps abgeschmettert wurden, und kam auf 77,5 Prozent. Bei anderen | |
US-Regierungen liegt die Anzahl der rückgängig gemachten Gesetze im | |
Durchschnitt bei 30 Prozent. Es könnte auch dazu kommen, dass Trump seine | |
zweite Amtszeit ohne jede Hemmung vor juristischen Entscheidungen zugunsten | |
von Checks & Balances auffassen wird und juristische Entscheidungen einfach | |
ignoriert. | |
Anders als vor acht Jahren wird ein vom Wahlergebnis trunkener Trump | |
außerdem möglicherweise erfahrene Außenpolitik-Experten, die die | |
US-Mitgliedschaft in der NATO beibehalten wollen, aus seiner | |
Regierungsmannschaft heraushalten. Stattdessen kommt Trumps Vorliebe für | |
Putins Russland zum Tragen. | |
Wie die gebeutelte Demokratische Partei [2][zurück an die Macht] gelangen | |
will, bleibt vorerst unklar. Unmittelbar nach der Wahl gab es aus den | |
Reihen der Demokraten trotzdem aufmunternde Worte zu hören. Harris | |
aufrüttelnde Rede, bei der sie Mittwochnacht ihre Niederlage eingestand, | |
klingt nach einem Eintrag ins Geschichtsbuch: „Verzweifelt nicht“, mahnte | |
sie ihre Gefolgsleute. „Jetzt ist die Zeit, Widerstand zu organisieren und | |
wachsam zu bleiben, damit Freiheit und Gerechtigkeit bestehen bleiben und | |
eine lebenswerte Zukunft möglich ist, die wir nur gemeinsam gestalten | |
können.“ | |
Kurz zuvor hatte der [3][Comedian Jon Stewart] in seiner TV-Sendung The | |
Daily Show die Stimmung skizziert. „Schlüsse, die Experten aus dem | |
Wahlergebnis ziehen, werden sicher falsch sein.“ Daher riet er | |
eindringlich: „Wahrscheinlich werden wir so tun, als sei nun das Ende der | |
Zivilisation erreicht. Aber morgen früh werden wir aufstehen und uns enorm | |
anstrengen müssen, damit die Welt wieder zu einem Ort wird, wie wir ihn uns | |
wünschen.“ | |
Wenn die US-Wirtschaft ins Straucheln gerät, sobald Trumps Zollpolitik | |
einsetzt, wird das Pendel womöglich tatsächlich zurückschwingen. | |
Aus dem Englischen von Julian Weber. | |
8 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Bill Scher | |
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