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# taz.de -- Türkei auf dem Brics-Gipfel: Erdogan will auf beiden Seiten des Ti…
> Der türkische Präsident kommt zum Brics-Gipfel. Er hofiert aber nicht
> Putin, sondern verfolgt eigene Ziele.
Bild: Wird am Mittwoch zum zweiten Tag des Brics-Gipfels im russischen Kasan an…
Istanbul taz | Am heutigen Mittwoch wird der türkische Staatspräsident
Recep Tayyip Erdoğan zum zweiten Tag des Brics-Gipfels (das Bündnis der
Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, das
mittlerweile weitere Mitglieder hat) im russischen Kasan anreisen. Damit
will Erdoğan dem Wunsch der Türkei, perspektivisch in der einen oder
anderen Form an [1][Brics] teilzunehmen, persönlich Nachdruck verleihen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Erdoğan an einem Brics-Gipfel als
Beobachter teilnimmt, doch dieser Auftritt wird mit besonderer
Aufmerksamkeit verfolgt, weil die Türkei angeblich einen förmlichen Antrag
zur Mitgliedschaft gestellt hat. Sollte die Türkei beitreten, wäre sie der
erste Nato-Staat in dem nichtwestlichen Bündnis.
Will die Türkei ihre Bindungen an den Westen lockern oder gar ganz
abbrechen? So einfach ist es nicht. Nachdem im Juni im Anschluss an ein
Treffen der Brics-Außenminister ein russischer Sprecher erklärt hatte, die
Türkei habe einen förmlichen Aufnahmeantrag gestellt, drückte sich Ankara
um eine klare Stellungnahme. Im September sagte dann Regierungssprecher
Ömer Çelik: „Unsere Anfrage in dieser Angelegenheit ist klar, der Prozess
ist im Gang.“ Welcher Prozess das genau sein soll, ist immer noch unklar.
Klar ist nur, dass Russland angesichts seines Kriegs in der Ukraine sehr
gerne die Türkei an seiner Seite hätte. Für Putin wäre es ein enormer
Propagandaerfolg.
Doch genau das will Erdoğan vermeiden. In einer Grundsatzrede vor seiner
Fraktion hat er kürzlich klargemacht, welche Außenpolitik die Türkei
verfolgen soll. „Angesichts der Spannungen in der Region“, sagte er,
„müssen wir ein Gleichgewicht in unseren Auslandsbeziehungen herstellen.
Die Türkei kehrt weder dem Osten noch dem Westen den Rücken zu. Das ist für
uns eine Notwendigkeit.“
In einer Analyse der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu schreibt Yunis
Scharifli, eine Zusammenarbeit mit Brics diene dazu, die türkischen Exporte
in die Brics-Länder zu steigern, die Brückenfunktion der Türkei zwischen
Ost und West zu stärken und die „strategische Autonomie“ der Türkei zu
verbessern.
Tatsächlich hat die Türkei ein starkes Handelsungleichgewicht mit den
Brics-Ländern, vor allem mit China. Die Türkei importierte aus China im
Jahr 2023 je nach Rechnung Güter im Wert von 38 bis 45 Milliarden Dollar,
exportierte aber umgekehrt nur für 3,3 Milliarden Dollar. Auch gegenüber
Russland hat die Türkei ein chronisches Defizit, aufgrund ihrer Öl- und
Gasimporte.
Dem Handelsblatt sagte Asli Aydintasbas vom Washingtoner Brookings
Institut: „In der Türkei herrscht eine gewisse Panik, dass eine neue
Weltordnung entsteht und die Türkei nicht mit dabei ist.“ Gemeint ist, dass
der Westen seine Lieferketten wieder mehr nach Hause verlagert und
demgegenüber um China und Russland herum ein antiwestlicher
Wirtschaftsblock entsteht.
Erdoğan will weder auf der einen noch auf die anderen Seite, sondern
überall mit „am Tisch sitzen“, wie sein Regierungssprecher Ömer Celik sag…
Entsprechend meinte Erdoğan vor seinem Abflug nach Kasan: „Brics ist für
uns keine Alternative zu anderen Strukturen, es ist eine Ergänzung.“ Die
Frage ist, ob die sich verfestigenden westlichen und östlichen Blöcke
Erdoğans Schaukelpolitik auf Dauer mitmachen.
Ganz offensichtlich sind westliche Länder besorgt, dass ihnen die Türkei
[2][entgleiten könnte.] Ein sichtbares Zeichen dafür ist, dass lange
verweigerte Rüstungslieferungen aus den USA und Deutschland wieder
aufgenommen wurden.
Bei seinem [3][Besuch in Istanbul] am Samstag sagte Bundeskanzler Olaf
Scholz, ohne eine Miene zu verziehen, die Türkei sei doch ein normales
Nato-Land, welches man mit Kriegsgerät beliefere wie alle anderen.
Jahrelang hat man das in Berlin anders gesehen. Erwartet wird dafür, dass
sich die Türkei im Krieg Russlands gegen die Ukraine letztlich klar für die
ukrainische Seite entscheidet.
23 Oct 2024
## LINKS
[1] /Brics-Gipfel-in-Russland/!6041439
[2] /Repression-in-der-Tuerkei/!6011740
[3] /Deutschlands-Tuerkeipolitik/!6041162
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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