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# taz.de -- Neuer „Tatort“ aus Dresden: Von mutigen Männern und feigen Fra…
> Der Dresdner „Tatort“ beginnt wie ein plattes Geschlechterklischee, dann
> entwickelt er sich zu seinem Gegenteil. Das ist erzählerisch gut
> gelungen.
Bild: Die Kommissare Gorniak (Karin Hanczewski) und Schnabel (Martin Brambach) …
Für mich ist das nicht irgendein „Tatort“. „Unter Feuer“ ist mein erst…
der erste, den ich nicht fluchtartig verlasse, sobald die Titelmelodie
ertönt. Ein Kindheitstrauma, könnte man sagen, oder einfach eine
grundsätzliche Abneigung gegen das Sonntagabendritual mit Mord und
Totschlag. [1][Nun habe ich mich also hineingewagt in diese deutsche
Kultur] und wurde tatsächlich überrascht.
Los geht es auf einer Dresdner Landstraße, an einem Ort, an dem man
eigentlich nichts, und schon gar keinen Mord erwartet. Eine scheinbar
routinemäßige Verkehrskontrolle endet abrupt, als die Zuschauenden, aus der
Perspektive der Polizei, mit dem Anfahren des nächsten Autos plötzlich in
den Lauf einer Pistole gucken. Schüsse fallen, ein Polizist sackt tödlich
getroffen zusammen, während sein Kollege mutig das Feuer erwidert.
Die beiden Polizistinnen am Tatort jedoch – sie fliehen. Und das, obwohl
auch der zweite Polizist lebensbedrohlich getroffen wird. Ernsthaft? Die
mutigen Männer kämpfen, und die feigen Frauen rennen? Was hier wie ein
plattes Geschlechterklischee beginnt, entwickelt sich im weiteren Verlauf
zu seinem Gegenteil.
In der sächsischen Hauptstadt nehmen die zwei Kommissarinnen Winkler und
Gorniak die Ermittlungen auf. Leonie Winkler wird dabei immer wieder von
ihrer Vergangenheit eingeholt – ihr Bruder wurde damals im Einsatz
erschossen und das scheint auch in diesem Fall eine Rolle zu spielen.
## Hier kämpft niemand unberührt und allein
Neben diesen schweren Szenen der Vergangenheit gibt es aber auch Momente
des Aufatmens. Als Person, die um Krimis gern einen großen Bogen macht, war
ich umso dankbarer für den schauspielerischen Witz des Chefs der
Polizeiwache, Herr Schnabel. „Sie müssen mich über solche Neuigkeiten
informieren, insbesondere wenn ich auf einer Familienfeier bin!“ Mit seinem
nuschelnden Dialekt vermittelt er mir auch direkt ein kleines Gefühl von
Heimat.
Nicht nur schauspielerisch, auch technisch und erzählerisch ist der Film
gut gelungen. Eine dramatische Slow-Motion-Szene im Regen schreit nach
Klischee – und erfüllt es doch wieder nicht. Als am Tatort die Spuren durch
den plötzlichen Sturm zu verwischen drohen, werden Zelte aufgespannt. Die
Regentropfen fliegen über die bedeutungsschweren Gesichter. So sieht jeder
schuldig aus. Eine Aufnahme, die auch dank der richtigen Filmmusik
elektrisierend wirkt, mitreißt.
Als Winkler mitten im Einsatz [2][eine Panikattacke erleidet,] wird klar:
Hier kämpft niemand unberührt und allein. Und auch eine überzeugende
Kommissarin verliert ihre Stärke nicht, wenn sie sich verletzlich zeigt.
Selbst Schnabel erhält am Ende eine Tiefe, die über die Figur des heiteren
und unbekümmerten Bosses hinausgeht.
Die neue [3][Wokeness muss der „Tatort“ allerdings auch beim Gendern
beweisen]. „Es waren vier Männer – ach, Entschuldigung, es können ja auch
Frauen sein. Also vier Täterähinnen“, berichtet einer der Polizisten. Ein
Witz, der wohl kaum ein Schenkelklopfer ist.
Trotzdem gelingt es dem Film, sich geschickt um die üblichen Klischees
herumzumanövrieren. Zwar bleibt der „Tatort“ dem klassischen Krimigenre mit
seinen typischen Action- und Dramaszenen treu, doch er schafft es
gleichzeitig, die Figuren differenziert und authentisch darzustellen.
Ich muss zugeben, dass meine Abneigung gegen das deutsche Ritual nicht ganz
gerechtfertigt war. Ohne die Mordszenen würde ich es glatt ein zweites Mal
gucken.
3 Nov 2024
## LINKS
[1] /Serienforscher-ueber-den-Tatort-als-Kult/!5287930
[2] /Angststoerungen/!t5330562
[3] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/polizeiruf-110-wokeness-und…
## AUTOREN
Luisa Holzkamp
## TAGS
Wochenendkrimi
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