# taz.de -- 50 Jahre Zypern-Teilung: Das Störgeräusch einer Insel | |
> Vor 50 Jahren eskalierte der Zypernkonflikt, die Insel wurde geteilt. Der | |
> Großcousin unserer Autorin musste im Krieg kämpfen. Er kehrte nicht | |
> zurück. | |
Bild: Das Dorf Kalavasos hat 900 Einwohner, darunter auch die Großmutter unser… | |
Meine Großmutter sah die Sendung an einem Dienstag im zypriotischen | |
Fernsehen. Es war ein warmer Aprilnachmittag. Sie saß in ihrem | |
Fernsehsessel, den sie mit Kissen aufpolsterte, kaum einen Meter vom | |
Bildschirm entfernt, den runden Rücken leicht eingedreht. Ich kenne diese | |
Position, so sitzt sie immer da, wenn sie nach dem Mittagessen fernsieht. | |
Manchmal döst sie nach wenigen Minuten weg. Dieses Mal aber sah sie genau | |
hin. Denn der Mann auf dem Bildschirm erzählte, dass sie im Norden von | |
[1][Zypern ein Massengrab] gefunden hatten. | |
Großmutter schrieb mit. Seit sie wegen des Jahrestags der Teilung der Insel | |
im Fernsehen wieder so viel über den Krieg sprechen, schreibt sie ständig | |
mit. Meist in ihren alten Kalender mit blauem Kunststoffeinband. Wenn es | |
schnell gehen muss, auch auf die Pappverpackung ihres Cholesterinsenkers. | |
Dieses Mal notierte sie Datum und Uhrzeit, den Namen der Sendung. Sie | |
merkte sich, dass 13 zypriotische Soldaten verscharrt worden waren, dass | |
zwei von ihnen schon identifiziert werden konnten, dass die Nummer der | |
Einheit, der die Soldaten angehört hatten, 286 lautete. Vielleicht, dachte | |
Großmutter, würden sie ja auch ihren Neffen Pavlos finden. Doch es war die | |
falsche Nummer. Pavlos Neocleous war Teil der Einheit 226, als er vor 50 | |
Jahren verschwand. | |
In diesem Jahr [2][ist die Zypernteilung ein halbes Jahrhundert] her. Am | |
20. Juli 1974 legten im Morgengrauen türkische Kriegsschiffe in der | |
Hafenstadt Kyrenia an. Wenige Tage zuvor hatte die griechische Militärjunta | |
die zypriotische Regierung gestürzt. Am 14. August weitete die Türkei die | |
Invasion aus, besetzte den Norden der Insel, fast 40 Prozent ihrer Fläche. | |
5.000 Menschen wurden getötet. 162.000 griechische Zyprioten flohen in den | |
Süden, 48.000 türkische Zyprioten in den nun türkisch kontrollierten | |
Norden. Seither trennt eine Demarkationslinie die beiden Gruppen: die | |
Republik Zypern im Süden und die international nicht anerkannte Türkische | |
Republik Nordzypern. | |
Noch immer sind um die 800 Soldaten der Vereinten Nationen in der | |
Pufferzone stationiert. Zum 50. Jahrestag der Invasion reiste der türkische | |
Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Juli nach Nordzypern, um zu feiern, | |
während die zypriotische Regierung im Süden trauerte. | |
Der Krieg von 1974 hat auf Zypern so etwas wie einen eigenen Slogan: „Den | |
Xehno“ – „Ich vergesse nicht“. Jedes Jahr geistert er wieder durch | |
Diskussionsrunden im Fernsehen und durch die sozialen Netzwerke. Auch ich | |
habe früh verstanden, dass er wichtig ist; dass da etwas ist, was ich nicht | |
vergessen darf. Seit ich denken kann, fliegen wir jedes Jahr zu meiner | |
Großmutter ins Dorf Kalavasos im Süden Zyperns: meine zypriotische Mutter, | |
mein Ruhrpottvater, mein kleiner Bruder und ich. Als Kind habe ich die | |
Spuren des Kriegs in Kalavasos nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen. Jetzt, | |
wo ich fast 30 bin, sehe ich sie klar. | |
Da ist die Gedenktafel für den in jenem Sommer verschwundenen Pavlos. Da | |
ist das kleine Schild über der Haustür meines Patenonkels, mit dem Namen | |
seiner verlorenen Heimat im Norden Zyperns. Da sind die verlassenen | |
Grundstücke türkischer Zyprioten. Der Zypernkonflikt ist auf der Insel | |
präsent wie ein Störgeräusch, das man oft beiseiteschieben, aber nie ganz | |
aus dem Ohr schütteln kann. | |
Doch jetzt, nach 50 Jahren, schreibt meine Großmutter vor dem Fernseher | |
plötzlich mit. Und ich, die ich mein Leben in Deutschland und meine Ferien | |
auf Zypern verbracht habe, frage mich: Wie prägt ein Konflikt eine Familie | |
über mehrere Generationen hinweg? Wie leben Erinnerungen in ihr fort, die | |
im kollektiven Gedächtnis Jahr für Jahr weiter verblassen? | |
## DieGroßmutter | |
Kalavasos ist ein kleines Dorf, in dem zwei Spitzen in den Himmel ragen: | |
ein Kirchturm und ein Minarett. Von der Terrasse meiner Großmutter sieht | |
man beide, sie liegen keine 300 Meter voneinander entfernt. Die | |
Kirchenglocken läuten jeden Sonntag. Das Minarett ist gesperrt. Es hausen | |
Tauben darin. Kalavasos liegt nahe der Südküste Zyperns, eingebettet | |
zwischen Hügeln, zehn Autominuten entfernt vom Meer. Rund 900 Menschen | |
leben hier, darunter meine Großmutter, meine Patentante und mein | |
Patenonkel, die ich für diesen Text besucht habe. Meine Patentante | |
Christina ist eine Cousine meiner Mutter, ihr Mann Artemis ist mein | |
angeheirateter Patenonkel. Sie sind Teil der weitverzweigten Familie | |
Neocleous. | |
Lange Zeit war Kalavasos ein gemischtes Dorf, 1960 lebten hier 881 | |
griechische und 243 türkische Zyprioten. 1976, zwei Jahre nach dem Krieg, | |
waren es laut Dorfchronik 870 griechische und null türkische Zyprioten. | |
Dafür waren Geflüchtete aus dem besetzten Norden gekommen. Sie lebten in | |
verlassenen türkischen Häusern und Ferienwohnungen. Heute ist Kalavasos vor | |
allem ein Urlaubsort. | |
Großmutter hat all diese Metamorphosen des Dorfes erlebt. Wir nennen sie | |
„Giagia“, griechisch für Großmutter. Eigentlich heißt sie Ioanna, geboren | |
wurde sie 1933, als Zypern noch unter der Kolonialherrschaft der Briten | |
stand, die 1878 nach Zypern kamen. Das Dorf hat Großmutter nie verlassen. | |
Als die Zyprioten in den 1950er Jahren bewaffnet gegen die britischen | |
Kolonialherren kämpften, durchsuchten britische Soldaten ihr Haus und | |
schlugen ihren Bruder zusammen. Als die türkischen Zyprioten in den 1960er | |
Jahren Kalavasos verließen, waren einige Nachbarn plötzlich nicht mehr da. | |
Nachdem die griechische Militärjunta 1974 im Radio verkündete, dass sie die | |
zypriotische Regierung aus dem Amt geputscht hatte, lief Großmutter hinauf | |
zum Schlafzimmer ihrer Töchter. „Egine praksikopima!“, rief sie. „Es gab | |
einen Putsch!“ Die drei Mädchen, darunter meine zehn Jahre alte Mutter, | |
lagen noch im Bett. Sie hatten keine Ahnung, was das sein soll, ein | |
pra-ksi-ko-pi-ma. Sie verstanden nicht, dass das, was das Radio gerade | |
verkündet hatte, der Anfang vom Ende eines geeinten Zyperns war. | |
Während meines Besuchs taucht Großmutter einen Löffel in die Schüssel mit | |
dem Hackfleisch. Sie hat es mit Reis und Tomate gemischt, mit Zwiebeln, | |
Petersilie und Gewürzen. Jetzt gibt sie einen Klecks in die Mitte des | |
Weinblatts, faltet die Spitzen über dem Hackfleisch zusammen und rollt. In | |
der Bewegung liegt die Routine von Jahrzehnten. | |
Großmutter gibt Anweisungen. „Nicht zu viel! Nicht zu wenig! Drück das | |
Weinblatt stärker zusammen!“ Draußen knallt die Sonne, Hitze kriecht durch | |
die Ritzen des Küchenfensters. | |
„Wir hatten keine Probleme mit den türkischen Zyprioten“, sagt Großmutter, | |
während sie Weinblatt für Weinblatt rollt. „Wir haben hier ja gemeinsam | |
gelebt.“ Ein Dorf. Eines mit verschiedenen Schulen und verschiedenen | |
Gotteshäusern, aber eben doch ein Dorf. Wenn Ramadan war, liefen die | |
christlichen Kinder hinauf zur Moschee und bekamen Bonbons. Wenn Ostern | |
war, stießen die muslimischen mit den christlichen Kindern rot gefärbte | |
Eier aneinander. Wessen Ei heil bleibt, gewinnt. Den Brauch gibt es bis | |
heute. | |
„Wie geht noch gleich die Geschichte mit dem Zementei, Giagia?“, frage ich. | |
„Dein Großonkel hat es irgendwie geschafft, ein Ei auszuhöhlen und Zement | |
hineinzugießen. Frag mich nicht, wie er es gemacht hat! Aber er hat Zement | |
reingefüllt und es rot angemalt.“ Einer der muslimischen Jungen aus der | |
Nachbarschaft konnte nicht glauben, was das Ei für Wunder vollbrachte. Wo | |
hast du dieses Zementei gefunden?, fragte er ungläubig. „Dein Großonkel | |
sagte: ‚Das hat meine Henne gelegt‘“, erzählt meine Großmutter. In den | |
Geschichten aus der Kindheit meiner Großeltern tauchen die türkischen | |
Kinder immer wieder auf. Bis sie irgendwann verschwinden. | |
Die türkische Minderheit war mit der osmanischen Herrschaft ab 1571 nach | |
Zypern gekommen. Als Zypern im späten 19. Jahrhundert britische Kolonie | |
wurde, hatten beide Volksgruppen schon etwa 300 Jahre gemeinsam auf der | |
Insel gelebt. Die türkischen Zyprioten sprachen meist auch Griechisch, mit | |
dem schweren zypriotischen Dialekt, den Festlandgriechen so schwer | |
verstehen. Doch der Unabhängigkeitskampf der Zyprioten gegen die Briten | |
trieb einen Keil zwischen beide Volksgruppen. | |
Viele griechische Zyprioten forderten den Anschluss der Insel an | |
Griechenland. Türkische Zyprioten lehnten das ab, sie fürchteten | |
Diskriminierung. Die Briten setzten daraufhin nur türkische Zyprioten als | |
Hilfspolizisten gegen die bewaffneten griechisch-zypriotischen | |
Widerstandskämpfer ein. Bald schon bekämpften sich Nationalisten beider | |
Lager. Auch die zypriotische Unabhängigkeit im Jahr 1960 konnte die Lage | |
nicht mehr entspannen. In den Jahren 1963 bis 1964 eskalierte die Gewalt | |
zwischen beiden Volksgruppen zum Bürgerkrieg. Rund 350 türkische und 200 | |
griechische Zyprioten starben, viele von ihnen unbeteiligte Frauen, Kinder, | |
Alte. Die türkischen Zyprioten zogen aus den gemischten Dörfern in | |
Enklaven. Auch aus Kalavasos. | |
Es ist schwierig, im Dorf jemanden zu finden, der sich erinnern kann, wann | |
genau das war. Die einen waren damals zu jung. Die anderen sind heute zu | |
alt. | |
„Wann sind sie 1963 genau gegangen, Giagia?“, frage ich. „Oh, das weiß i… | |
nicht mehr“, sagt sie. Und dann: „Das war im Sommer.“ „War Mama schon a… | |
der Welt?“, frage ich. „Ja, das war sie“, sagt Großmutter. | |
Aber meine Mutter wurde im Herbst geboren. | |
„Meintest du den Krieg? Dass er im Sommer war?“, frage ich. „Ja, das war | |
der Krieg“, sagt sie. | |
Sie hat die beiden Daten verwechselt. 1963 und 1974. | |
Großmutter gehört zu den Letzten, die sich noch an die alten gemischten | |
Dörfer erinnern. An das Zusammensein, Bonbons am Minarett, Ostereier voller | |
Zement, gemeinsames Backen. Aber auch ihre Erinnerungen sind brüchig | |
geworden. Sie sind ausgefranst, ausgebleicht, und manchmal sind sie einfach | |
nicht mehr da. Doch es gibt auch Dinge, die weiß Großmutter noch sehr | |
genau. | |
„Die zweite Invasion war im August“, sagt sie. „Das weiß ich. Denn am 14. | |
August 1974 ist Pavlos verschwunden.“ | |
Eigentlich hätte Pavlos Neocleous im Juli 1974 seinen letzten Tag beim | |
zypriotischen Militär gehabt. Er war gerade 19 Jahre alt geworden, und im | |
September wollte er nach London gehen, Ingenieurwesen studieren. Er wollte | |
dort im Fish-and-Chips-Laden eines Onkels nebenher ein bisschen Geld | |
verdienen und die kleine Wohnung über dem Laden mit seinem Bruder teilen. | |
„Ich freue mich, wenn du kommst“, schrieb ihm dieser, in einem Brief aus | |
London. So erinnert sein Onkel sich. „Mach dir keine Sorgen wegen der | |
Sprache, die wirst du schon nebenbei lernen.“ | |
Pavlos war ein junger Mann, der immer in Bewegung blieb. Der immer | |
Ferienjobs annahm, um eigenes Geld zu verdienen, der Volleyball spielte und | |
schwimmen ging. Als sein großer Bruder sich in eine Freundin von Pavlos | |
verliebte, stellte er ihr die heimlichen Liebesbriefe zu. Auf Fotos von | |
damals trägt er Anzug mit bunter Krawatte, getönte Brille und ein leichtes | |
Lächeln. | |
Als er nur noch wenige Wochen Wehrdienst vor sich hatte, kaufte sich Pavlos | |
ein Maßband. Pavlos’ Mutter und meine Großmutter erinnern sich noch daran. | |
Er zählte in Zentimetern ab, wie viele Tage ihm noch blieben. Jeden Tag | |
wollte er einen Zentimeter abschneiden, bis zu seiner Entlassung. So, wie | |
es bei Soldaten Brauch ist. Doch an jenem Tag im Juli wurde niemand | |
entlassen. Kurz vor Tagesanbruch legten die ersten türkischen Schiffe in | |
Kyrenia an. Pavlos musste bleiben und kämpfen. | |
Einmal noch kehrte er nach Kalavasos zurück. Mit den Türken war im August | |
ein Waffenstillstand vereinbart worden, der griechische Putsch längst | |
gescheitert. Pavlos drehte eine Runde durch das Dorf, um Großmutter und die | |
anderen Verwandten zu besuchen. Seine Cousinen, die draußen gespielt | |
hatten, hefteten sich an seine Fersen, eskortierten ihn von Haus zu Haus. | |
Meine Mutter war unter ihnen. Sie weiß noch, wie aufgeregt sie waren. Dass | |
sie Fragen hatten. | |
„Was machst du im Krieg?“ | |
„Wie ist so eine Schlacht?“ | |
„Habt ihr andere Soldaten getötet?“ | |
Aber Pavlos blieb still. Der Junge, der sich immer Zeit für seine kleinen | |
Cousinen genommen hatte, wollte nicht über den Krieg sprechen. Schon am | |
nächsten Morgen kehrte er zurück zum Militär. | |
Am 14. August 1974 griff die türkische Armee erneut an. Dieses Mal kämpfte | |
sie sich weit in den Süden vor. Pavlos’ Einheit wurde als Verstärkung zum | |
Dorf Palaikythro geschickt, östlich der Hauptstadt Nikosia. In diesem Teil | |
der Insel ist das Land weit, flach und karg. Im August knallt die Sonne | |
dort ungehemmt auf staubige Felder. Ein Soldat auf dieser Ebene kann weit | |
blicken. Ein Soldat auf einem Panzer noch weiter. Noch am selben Tag hörte | |
die Familie in Kalavasos im Radio, dass die türkische Armee Palaikythro | |
erreicht hatte. Von Pavlos hörte sie nichts. | |
## Mein Patenonkel Artemis | |
Meine Patentante Christina hat gebacken. Sie stellt einen Teller Flaounes | |
auf den Tisch auf der Veranda, traditionelles zypriotisches Gebäck. Außen | |
ein mit Sesam bestreuter Teigmantel, innen die Füllung aus Käse und Ei. | |
Manche Zyprioten backen sie mit Rosinen, andere ohne. | |
Früher dachte ich, die Diskussion darüber, welche Variante nun die bessere | |
ist, sei so künstlich wie die über Ananas auf der Pizza. Da wusste ich noch | |
nicht, dass sie Flaounes im Süden Zyperns traditionell salzig backen, ohne | |
Rosinen. Und dass Flaounes aus dem Norden der Insel traditionell süß sind, | |
mit Rosinen. Familien, die ihre Flaounes süß essen, sind häufig | |
Flüchtlingsfamilien. | |
„Meine Mutter backt Flaounes so süß, dass sie eigentlich mehr ein Kuchen | |
sind“, sagt Christinas Ehemann, mein Patenonkel Artemis, als er sich zu uns | |
setzt. | |
Artemis und Pavlos haben sich nie kennengelernt. Beide waren auf sehr | |
unterschiedliche Weise vom Krieg betroffen: Als der 19-jährige Pavlos | |
Neocleous 1974 mit der zypriotischen Armee in Richtung Norden zog, bewegte | |
sich Artemis Kontara in die entgegengesetzte Richtung. Er war auf der | |
Flucht. | |
Als er die Flugzeuge am Himmel sah, war Artemis neun Jahre alt. Er stand | |
auf einem Feld außerhalb seines Heimatdorfes Milia im Norden von Zypern und | |
hütete die Schafe. Sein Vater war bei ihm, seine Schwester, ein Onkel. Die | |
Flugzeuge flogen tiefer, als Artemis es kannte. Er und seine Schwester | |
rissen die Hände in die Höhe und winkten. Dann stellten die Erwachsenen das | |
Radio an und verstanden, dass die Flugzeuge gekommen waren, um sie | |
anzugreifen. | |
Am nächsten Tag hörten sie in der Ferne die Explosionen. Auf dem Weg zum | |
Bus, der die Menschen in Milia fort von den Kämpfen bringen sollte, | |
drückten sie sich an Häuserwände, damit die Kampfpiloten sie nicht sahen. | |
Bloß Artemis, seine Mutter und die jungen Geschwister kamen mit. Sein Vater | |
blieb im Dorf, beim Haus und den Tieren. Taschen hatten sie keine gepackt. | |
Niemand von ihnen konnte sich vorstellen, dass sie ihr Dorf gerade für | |
immer verließen. | |
„Wir sind einfach eingestiegen“, sagt Artemis Kontara heute. „Wir haben | |
nicht verstanden, dass Krieg ist. Dass wir in Gefahr sind.“ | |
Nach der überstürzten Flucht schlief Artemis mit anderen Vertriebenen in | |
einem Innenhof, eine halbe Stunde südlich von Milia. Dann kam die zweite | |
Welle der Invasion. Ein Lkw brachte die Flüchtlinge auf das Gelände der | |
britischen Militärbasis Dhekelia im Nordosten Zyperns, mitten in den Wald. | |
Dort stieß auch Artemis’ Vater wieder zu ihnen. Wochen später zogen sie | |
weiter in ein Flüchtlingscamp. Mal waren es zypriotische Soldaten, die | |
Essen brachten, mal Dorfbewohner, mal die Vereinten Nationen. Drei Monate | |
lang lebten sie im Camp. Bis der Winter kam und sie auf die Farm von | |
Verwandten ziehen konnten. Für eine Weile. | |
Die Flucht riss das Leben meines Patenonkels entzwei. Das Haus, das Land | |
und die Tiere verschwanden hinter einer schwer gesicherten | |
Waffenstillstandslinie. Es würde Jahre dauern, bis sie nach etlichen | |
Übergangsbleiben, Schulen und Gelegenheitsjobs neue Wurzeln schlagen | |
würden. In Zygi, an der Südküste Zyperns. Nur zehn Autominuten von | |
Kalavasos entfernt. | |
Über der Tür von Artemis und Christinas Haus in Kalavasos hängt heute ein | |
kleines Schild. Auf der linken Seite prangt das ausgeblichene Foto einer | |
Kirche. „MILIA AMMOCHOSTOU, DEN XEHNO“ steht darauf in blauen, griechischen | |
Großbuchstaben. Milia Ammochostou, ich vergesse nicht. Milia Ammochostou, | |
das Dorf, das Artemis nach seiner Flucht über Jahrzehnte nicht wiedersehen | |
würde. | |
Seit 2003 ist die Demarkationslinie zwischen Norden und Süden durchlässig | |
geworden. Seitdem kann [3][man mit gültigem Ausweis über Checkpoints von | |
einer Welt in die andere reisen]. Manche tun es, um im Norden in Casinos zu | |
zocken oder zu alten Klöstern zu pilgern. Artemis reiste ein, zwei Jahre | |
nach der Grenzöffnung in sein Heimatdorf Milia. | |
Die neuen Bewohner hatten das Haus nicht gestrichen. Es fiel Artemis sofort | |
auf, als sie ihn hineinließen. Alles sah noch genau so aus, wie seine | |
Familie es 1974 zurückgelassen hatte. Selbst die Farbe an den Fensterläden | |
war noch dieselbe, abgeblättert und ausgeblichen über die Jahrzehnte. Im | |
Innenhof saß eine türkische Familie. Artemis würde nicht viel mehr über sie | |
erfahren, als dass sie Siedler waren, vom türkischen Festland, keine | |
türkischen Zyprioten. Sie sprachen kein Griechisch. Beide Seiten hatten | |
keine gemeinsame Sprache mehr. | |
Einmal brachte Artemis auch Christina und seine Kinder nach Milia. Dieses | |
Mal klopften sie nicht. Sie parkten das Auto in der Nähe des Hauses und | |
schauten hinüber. „Gut, dass wir dein Dorf gesehen haben“, habe die jüngs… | |
Tochter, damals etwa zehn Jahre alt, danach gesagt, erinnern er und | |
Christina sich. „Aber ich will nicht noch mal herkommen.“ | |
Artemis’ Familie ist per Gesetz noch immer Eigentümerin des Hauses in | |
Milia. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in | |
Grundsatzurteilen entschieden. Die Vertriebenen haben ein Recht darauf, in | |
ihre Häuser zurückzukehren – und ihnen steht Entschädigung zu, wo das nicht | |
möglich ist. | |
Ich frage Artemis, ob er sein Haus zurück will. Artemis sieht mich an, als | |
verstehe er die Frage nicht. „Wer von uns soll denn rübergehen? Ich? Meine | |
Kinder?“ Er hat geheiratet, einen Job gefunden, ein Haus gebaut, vier | |
Kinder großgezogen, hier in Kalavasos. | |
Und drüben, auf der anderen Seite, wohnen jetzt die anderen. | |
Einmal, im Jahr 2004, gab es ein Fenster für die Wiedervereinigung. Kurz | |
vor dem Beitritt Zyperns zur Europäischen Union stimmten die Zyprioten auf | |
beiden Seiten [4][über den Annan-Plan ab], benannt nach dem damaligen | |
UN-Generalsekretär Kofi Annan. Zypern sollte ein föderaler Staat werden, | |
mit gleichberechtigter Beteiligung von Zyperngriechen und Zyperntürken. 65 | |
Prozent der türkischen Zyprioten stimmten dafür. 76 Prozent der | |
griechischen Zyprioten lehnten den Vorschlag ab. Sie kritisierten zum | |
Beispiel, dass laut Plan zunächst kaum Vertriebene in ihre Häuser hätten | |
zurückkehren dürfen. Seitdem hat es kein neues Referendum gegeben, bloß | |
weitere Urteile des EGMR. | |
„Ich habe dagegengestimmt“, sagt Christina. „Wenn ich ehrlich bin, hatte | |
ich Angst.“ „Ich habe dafür gestimmt“, sagt Artemis. | |
## Meine Großcousine Eleni | |
„Natürlich haben wir für den Annan-Plan gestimmt“, sagt Eleni. Eleni ist | |
meine Cousine (zweiten Grades). Pavlos war ihr Onkel, sie ist die Tochter | |
von dessen Bruder Christos. Wir sitzen in ihrem weißen SUV und fahren gen | |
Osten. Eleni ist Mitte vierzig, weinrote Locken umrahmen ihr Gesicht. | |
Immer, wenn Eleni den Wagen in eine Kurve lenkt, klirren die goldenen | |
Reifen an ihren Armen. | |
Am Morgen hat Eleni eine Versicherung abgeschlossen, damit sie mit ihrem | |
Auto in die besetzten Gebiete fahren darf. Am späten Nachmittag haben wir | |
uns in der zypriotischen Hauptstadt Nikosia getroffen, 45 Minuten von | |
Kalavasos entfernt, Eleni lebt hier. Gemeinsam sind wir aufgebrochen. Wir | |
wollen den Ort im Norden Zyperns finden, an dem Pavlos einst verschwand. | |
Die Grenze zwischen der Republik Zypern und der Türkischen Republik | |
Nordzypern zieht sich wie eine wulstige Narbe quer über die Insel. An | |
einigen Stellen ist die Pufferzone kilometerlang. In Nikosia aber läuft die | |
Grenze mitten durch die Stadt. Sie könnten einander aus ihren Häusern | |
zuwinken, die Zyprioten auf der einen und auf der anderen Seite. Eleni wird | |
morgens vom Ruf des Muezzins auf der anderen Seite geweckt. Nikosia ist die | |
letzte geteilte Hauptstadt der Welt. | |
Draußen ist die Welt in gelbbraunes Licht getaucht. Saharastaub liegt in | |
der Luft. Er verwischt die Grenze zwischen Himmel und Land. Eines aber | |
verdeckt er nicht: die gigantische türkisch-zypriotische Flagge, die auf | |
dem Gebirgszug zu unserer Linken prangt, 425 Meter lang und 250 Meter hoch, | |
nachts hell erleuchtet. Wir sehen sie hier genauso wie die Menschen auf der | |
anderen Seite der Grenze in Nikosia. Für die griechischen Zyprioten thront | |
sie über der Hauptstadt wie das Auge Saurons. | |
„Das war mein erster Kulturschock, als ich nach Nikosia gezogen bin“, sagt | |
Eleni. „In anderen Teilen Zyperns haben wir den Konflikt nicht so bildhaft | |
vor Augen. Ich musste mich daran gewöhnen.“ | |
Eleni Neocleous kam im Jahr 1980 zur Welt, sechs Jahre nach dem | |
Verschwinden ihres Onkels Pavlos. Wenn sie sich erinnert, dann an die | |
Schwere, die über dem Haus ihrer Großeltern in Kalavasos lag, an deren | |
tiefe Traurigkeit. Dass sie bereits als kleines Mädchen wusste, dass hier | |
etwas Schlimmes passiert war, und dass es ihr den Magen zuknotete, trotz | |
aller schönen gemeinsamen Momente. | |
Schon bald erzählte ihr Vater Eleni, dass ihr Onkel Pavlos im Krieg | |
verschwunden war. Sie begleitete ihn zu Treffen der Angehörigen vermisster | |
Zyprioten, mehrfach im Jahr. Die Familiengeschichte politisierte sie. Eleni | |
schloss sich Initiativen an, in denen sich griechische und türkische | |
Zyprioten gemeinsam für eine Lösung des Konflikts einsetzen. Sie besuchte | |
Kongresse und Weiterbildungen, fand Verbündete und Freundinnen jenseits der | |
Grenze. Der zypriotischen Regierung wirft sie vor, untätig zu sein. Und | |
nicht nur der. | |
„Die meisten Menschen in meinem Umfeld beschäftigen sich überhaupt nicht | |
mit dem Thema“, sagt sie. „Es ist zu viel Zeit vergangen. Eine Lösung zu | |
finden, hat an Bedeutung verloren.“ | |
Die Kinder der geflüchteten griechischen Zyprioten haben kein Interesse | |
mehr daran, in den Norden Zyperns zurückzukehren. Viele verkaufen ihre | |
Häuser an Türken, Engländer und Franzosen, die sie in Ferienhäuser | |
verwandeln. | |
Nachdem wir mit Elenis Auto die Grenze passiert haben, fahren wir auf neuen | |
Straßen, vorbei an neuen Häusern. Google Maps korrigiert die alten | |
griechischen Ortsnamen automatisch ins Türkische. Palaikythro | |
beispielsweise nennt die Online-Karte Balikesir. Wenn wir den Ort finden | |
wollen, an dem Pavlos verschwand, müssen wir der neuen Ordnung folgen. | |
Heute gibt es das [5][Committee on Missing Persons in Cyprus (CMP)], das | |
Informationen zu den fast 1.000 noch immer vermissten Zyprioten sammelt. Zu | |
Pavlos gibt es 15 Seiten Informationen. Die Zeugenaussagen seiner Kameraden | |
zeigen, was wohl geschah an jenem 14. August. Seine Kameraden nannten ihn | |
Sergeant Pavlakis, eine Verniedlichungsform seines Vornamens. Dies sind | |
einige gesammelte Aussagen über ihn: | |
„Vor Palaikythro tauchten türkische Panzer und Personentransporter auf. Als | |
uns klar wurde, dass wir ihnen nicht ausweichen konnten, wurde uns | |
befohlen, uns zu ergeben. Einige zogen ihre Hemden aus, um sich zu ergeben, | |
aber die Türken erschossen sie mit Maschinengewehren, etwa 30 bis 40 | |
Menschen. Sie töteten alle, die sich ergaben, außer zwei Personen, mich und | |
Jimmy K. aus Larnaka.“ | |
„Die Leute, die ich erkannt habe und die sie getötet haben, sind Thomas T. | |
aus Larnaka, Leutnant Priamos, Sergeant Pavlakis aus Kalavasos.“ | |
„Ich sah ihn tot neben mir.“ | |
Das humanitäre Völkerrecht sagt klar: Wenn Soldaten sich ergeben, dürfen | |
sie nicht erschossen werden. Laut den Zeugen wurde Pavlos Opfer eines | |
Kriegsverbrechens. | |
Bis heute erinnern sich Pavlos’ Geschwister an den Schrei ihrer Mutter, als | |
sie Wochen darauf erfuhr, dass ihr Sohn tot sein könnte. Wie ihr Vater, der | |
nie öffentlich weinte, den Schmerz in sich vergrub und ihr Elternhaus stumm | |
und dunkel wurde. Als die Familie die Weintrauben im Innenhof erntete, | |
ließen sie einige Früchte zurück. Für Pavlos. Falls er doch noch | |
zurückkehren würde. | |
Lange war es für die Angehörigen unmöglich, nach ihren Vermissten zu | |
suchen. Vor der Öffnung der Checkpoints blieb der Norden für den Süden | |
hinter Barrikaden mit Stacheldraht verborgen. Die Grenzöffnung änderte das. | |
Im Jahr 2005 erhielt das CMP erstmals die Genehmigung, koordiniert nach | |
Toten zu graben und Vermisste zu identifizieren. Und erstmals konnten auch | |
die Familien den Stacheldraht passieren. | |
Sie fuhren zu viert: Pavlos’ Mutter, Elenis Vater Christos, seine Frau und | |
ihre Schwester. Bis nach Palaikythro und hinaus auf die flache, weite | |
Ebene. Sie hatten Blumen mitgebracht, die sie für Pavlos niederlegen | |
wollten. Bloß wo sie halten sollten, wussten sie nicht. Nichts erinnerte an | |
den Krieg von 1974. Keine Gräber, keine Gedenktafel, keine unscheinbare | |
Markierung. | |
Irgendwann parkten sie einfach unter einem Baum. Einem Eukalyptusbaum, der | |
in die karge Ebene hineinragte. Dreißig Jahre war es da her, dass Pavlos | |
verschwunden war. Und Pavlos’ Mutter Theodora sprach zum ersten Mal die | |
Worte, mit denen man auf Zypern der Toten gedenkt. | |
„Aionía tou i mními.“ Möge seine Erinnerung ewig leben. | |
Eleni und ich stehen heute, rund 20 Jahre später, am Rand von Palaikythro. | |
Wir haben ein Foto eines alten Zeitungsartikels dabei. Darauf zu sehen ist | |
ein großer Eukalyptusbaum mit drei starken Ästen. Darüber steht: „Neues | |
Grab in Palaikythro.“ Nur wenige Monate nachdem Pavlos’ Mutter dort Blumen | |
niederlegte, fanden Archäologen genau an dieser Stelle ein nicht markiertes | |
Massengrab. In meiner Familie fand man es schicksalhaft, dass sie | |
ausgerechnet diesen Ort ausgewählt hatten, wo er wirklich gestorben sein | |
könnte. | |
Von den 1.510 griechischen und 492 türkischen Zyprioten, die bis 2006 noch | |
vermisst wurden, hat das CMP bislang 1.051 identifiziert. Doch in den | |
vergangenen Jahren ist die Zahl der Funde stark gesunken. Viele der noch | |
unentdeckten Gräber könnten sich unter Neubauten befinden. Manchmal wurden | |
Körper offenbar auch gezielt aus Gräbern fortgeschafft oder ausgetauscht. | |
2024 konnten bislang nur sieben Vermisste identifiziert werden. | |
Pavlos haben sie noch immer nicht gefunden. | |
In Palaikythro beginnt es zu dämmern. Das warme Braun des Staubhimmels | |
verwandelt sich in ein kühles Blau. Eleni lenkt den SUV durch die engen | |
Straßen des Dorfes. Wir sehen alte Häuser aus Stein. Wir sehen neue Häuser, | |
noch im Bau, die sich an die Ränder des alten Dorfkerns schmiegen. Menschen | |
sehen wir kaum, bloß Schemen hinter beleuchteten Türen. | |
Aus dem kurzen Zeitungsartikel zur Entdeckung des Massengrabs wissen wir, | |
dass es in der Nähe eines türkischen Friedhofs liegen muss. „Aber ich sehe | |
keinen Friedhof“, sage ich. „Sollen wir hier lang?“, fragt Eleni. „Da i… | |
ein Minarett.“ | |
Wir schlängeln uns weiter durch die Gassen. Wo ein Minarett, da eine | |
Moschee, und wo eine Moschee, da der Friedhof. Kurz darauf halten wir am | |
Rand des Dorfes. Zu unserer Linken liegt jetzt tatsächlich ein Friedhof. | |
Die Gräber sind aus weißem Stein, sie sehen alt aus. Vor uns erstrecken | |
sich weite Felder. Doch sie sind nicht mehr so karg, wie sie es früher | |
einmal waren. | |
Kleine Lichter leuchten in die Dämmerung hinein. Auf den Feldern stehen | |
vereinzelte Hallen mit Dächern aus Wellblech. Landwirtschaft, | |
Großmaschinen, Gewerbe, vermutlich. Es riecht nach Tier und Dünger. Da sind | |
Bäume hier und da, in kleinen Gruppen und allein. Keiner sieht aus wie der | |
Eukalyptus auf dem Foto. Da sind auch keine Spuren einer Ausgrabung, | |
Hinweisschilder, irgendetwas. | |
Das Palaikythro, das Pavlos sah, gibt es nicht mehr. Das Palaikythro, das | |
Pavlos’ Familie nach der Öffnung der Grenze sah, gibt es auch nicht mehr. | |
Eleni und ich machen uns auf den Rückweg. | |
Vier Geschwister hatte Pavlos. Sie alle haben sich in Initiativen für die | |
Vermissten engagiert, über Jahrzehnte, in verschiedenen Ländern und unter | |
den verschiedensten zypriotischen Präsidenten: Papadopoulos, Christofias, | |
Anastasiades, Christodoulides. | |
„Ich glaube, dass mich unsere Familiengeschichte bereichert hat, auch wenn | |
sie sehr schmerzhaft ist“, sagt Eleni auf der Rückfahrt. „Ich weiß nicht, | |
wer ich sonst geworden wäre. Und dabei habe ich Pavlos nie kennengelernt. | |
Ich werde nie wissen, was er für ein Mensch war.“ | |
Seit 2001 ist der Dorfplatz in Kalavasos nach Pavlos benannt. „Plateia | |
Pavlou P. Neocleous“, so steht es auf dem Gedenkstein am Rande des Platzes. | |
Zur Einweihung im Jahr 2001 kam der zypriotische Außenminister. An Festen | |
und Feiertagen sitzen die Zyprioten auf der Plateia dicht an dicht. Ihre | |
weißen Plastikstühle schrappen nah am Gedenkstein vorbei. | |
Das Haus, in dem Pavlos und seine Familie lebten, liegt auf der anderen | |
Seite des Dorfes. Im Innenhof wachsen Palmen und Obstbäume. Wein gibt es | |
keinen mehr. Heute gehört es Fremden. | |
Nach dem Tod von Pavlos’ Vater zog seine Mutter Theodora mit ihrem jüngsten | |
Sohn zu ihrer Tochter nach Kanada. Hier lebt sie bis heute, sie hat in | |
Montreal Enkel aufwachsen sehen und Urenkel. Nun wächst in der Familie | |
schon die zweite Generation heran, die den Krieg nicht mehr erlebt hat. | |
Eleni hat lange damit gehadert, ob sie ihrem heute sechsjährigen Sohn von | |
Pavlos erzählen soll. Von seinem Schicksal, das die Familie so stark | |
geprägt hat. Das Gedenken an einen geliebten Menschen weiterzugeben, sei | |
ein egoistisches Bedürfnis, sagt sie. Und doch. „Es fühlt sich an, als | |
würden wir unsere Pflicht tun, indem Pavlos in uns weiterlebt.“ | |
Eine von Pavlos’ Nichten hat ein Gedicht geschrieben, in Kanada. Es heißt | |
„Für Pavlos“. | |
„Da sind Stimmen überall um mich herum / Wehklagen der Gefallenen, Requiems | |
für die Unschuldigen / Jammern, Flüstern, Murmeln im Nebel / Die Namen | |
geliebter Menschen, die nachhallen, suchen.“ | |
25 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Eliana Berger | |
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