# taz.de -- Fanszene im Handball: Dessaus achter Mann | |
> Ultras sind im Fußball etabliert, im Handball eher selten. Die Fans eines | |
> Zweitligisten aus Sachsen-Anhalt bringen echtes Kurvenflair in die Halle. | |
Bild: Die Dessauer-Fangruppe „ZAB Porters“ markiert vor der Anhalt-Arena ih… | |
Dessau taz | Selten war ein Fanspruch so treffend wie an diesem | |
herbstlichen Oktobertag in Dessau: „Wir ziehn voran als euer achter Mann. | |
Durch Regen und Wind, durch Sturm und Schnee, ZAB olé“, singt der Chor, der | |
sich tapfer gegen den Sturm stemmt, während die Fahnen straff im Wind | |
wehen. Entgegen der Erwartung marschiert die Gruppe nicht zu einem | |
Fußballspiel, sondern zu dem Handball-Zweitliga-Spiel ihrer Mannschaft | |
gegen [1][Nordhorn-Lingen]. | |
Der Fanmarsch stoppt auf einem Parkplatz, wo anderthalb Stunden vor | |
Spielbeginn die Kofferraumklappen geöffnet werden und sich die Fans mit | |
Getränken in der Hand sammeln. Auf Fahnen, T-Shirts und Jacken prangt das | |
Logo des DRHV 06 – dem Handballklub von Dessau-Roßlau. | |
Aktive Fanszenen sind im Handball, besonders in der zweiten Liga, eine | |
Seltenheit. „Am Anfang wollten wir uns ‚Fanclub letzte Reihe‘ nennen, aber | |
wir waren ja nur zwei Leute“, erinnert sich „Otti“, einer der Gründer der | |
[2][Fanszene]. „Damals hat jeder ein anderes Fußballteam unterstützt, da | |
wollte ich etwas Gemeinsames für den Handball schaffen.“ Heute zählt die | |
Fanszene über 200 aktive Mitglieder. Dass seine Idee solche Ausmaße | |
annehmen würde, hätte Otti nie gedacht. „Für mich ist damit ein Lebenstraum | |
wahr geworden“. | |
Kommt man am Spieltag in die Halle, kann man die Fangesänge, Trommeln und | |
Trompeten aus Block I kaum überhören. „Die lautstarke Unterstützung ist f�… | |
das Team enorm wichtig und wird bei uns als achter Mann gesehen – genau wie | |
in ihrer Hymne“, schreibt auch der [3][DRHV 06] auf Anfrage. | |
In jeder Auszeit schallen „BSG – ZAB“ – Rufe durch die Ränge, eine Hom… | |
an die [4][Geschichte des Vereins]. In den 1960er- und 1970er-Jahren | |
spielte der Klub als BSG ZAB Dessau (Betriebssportgemeinschaft | |
Zementanlagenbau) in der DDR-Oberliga. Heute hat sich der Klub in der | |
zweiten Bundesliga etabliert und zählt in der eigenen Halle in | |
Sachsen-Anhalt durchschnittlich 1.500 Zuschauer. | |
## Keine Strecke ist zu weit | |
Unter ihnen sind seit über 20 Jahren auch die „ZAB Porters“, die erste | |
Fangruppe aus Dessau. Und ihre Energie kann man nicht nur in den Dessauer | |
Stadtgrenzen spüren. Regelmäßig fährt der Fanbus zu Auswärtsspielen Die | |
längste Fahrt ging bis nach Konstanz – knapp 700 Kilometer von Dessau | |
entfernt. „Da sind wir von Berlin in die Schweiz geflogen und dann mit dem | |
Zug nach Konstanz gefahren“, erzählt Ultra-Fan Otti. | |
Auch andere Teams organisieren mal einen großen Fanbus, aber das sei die | |
Ausnahme. Die meisten Vereine reisen mit einer Handvoll Unterstützer an – | |
wie Nordhorn-Lingen an diesem Tag. „So oft und mit so vielen Fans wie wir | |
zu den Spielen reisen, sucht das in der zweiten Liga seinesgleichen.“ | |
Dabei war das Verhältnis zwischen Verein und Fanklub nicht immer gut. „Wir | |
hatten auch mal eine wilde Zeit“, gesteht der langjährige Fan. Anfang der | |
2010er kam es unter anderem zum Einsatz von Pyrotechnik, zu körperlichen | |
Auseinandersetzungen und [5][Hallenverboten]. | |
Diese Zeiten gehören der Vergangenheit an. In der ersten Auszeit des Spiels | |
faltet der Fanblock zwei Banner auf. „Kumpel, Keeper, Katze – Beste | |
Genesung Patze“ halten sie über ihre Köpfe und richten sich an den kürzlich | |
verletzten Torwart der Dessauer. „In den letzten Jahren hat sich unser | |
Verhältnis zum Verein sehr gewandelt“, bemerkt Otti. Besonders Trainer Uwe | |
Jungandreas habe aktiv den Kontakt zur Fanszene gesucht und eine enge | |
Zusammenarbeit angeregt. Immer wieder finden Fanevents statt, das | |
traditionelle Fußballspiel zwischen Zuschauern und Sportlern etwa. | |
## Zusammenhalt über den Handball hinaus | |
Doch nicht nur zu den Handballern ist das Verhältnis gut. Auch innerhalb | |
der Fanszene gehe es beinahe familiär zu. „Wenn man wegen einem Rohrbruch | |
um Hilfe bittet, dann stehen die Leute vor deiner Tür. Dieser Zusammenhalt | |
geht weit über den Handball hinaus“, so Otti. Die Fans sind optimistisch, | |
dass dies auch in Zukunft so bleibt. Im Block I würden immer wieder neue, | |
junge Gesichter auftauchen, die für die Zukunft der Fanszene wichtig sind. | |
„Ich bin stolz auf diese Gemeinschaft“, sagt Otti. „Dessau ist in der | |
Handballszene durch unseren Fanklub bekannt geworden.“ | |
Das Spiel an diesem Tag endet mit einem [6][Sieg für Dessau]. Wie nach | |
jedem Erfolg stellt sich die Mannschaft zunächst still vor den Fanblock. | |
Dann beginnen Spieler und Fans gemeinsam im Takt zu einer selbst gesummten | |
Melodie zu hüpfen – ein Augenblick der Einheit von Team und Fans. | |
29 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Luisa Holzkamp | |
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