# taz.de -- Wölfe in Deutschland: Sollen mehr Wölfe getötet werden? | |
> Die EU will den Abschuss von Wölfen erleichtern, auch in Deutschland wird | |
> darüber diskutiert. Ist das eine gute Idee? Ein Pro und Contra. | |
Bild: Der Wolf tötet Nutztiere und gefährdet damit die Weidehaltung | |
Ja, denn dem Wolf geht es in Deutschland so gut, dass Jäger seinen Bestand | |
jetzt regulieren sollten. Zurzeit leben hierzulande schätzungsweise 2.000 | |
dieser Tiere, sie vermehren sich schnell weiter. Schließlich haben sie | |
keine natürlichen Feinde. Doch mit der Zahl der Wölfe ist auch die Zahl der | |
Nutztiere gestiegen, die sie getötet oder verletzt haben. Laut Behörden | |
erreichte sie [1][2023 mit 5.727 einen neuen Rekord]. | |
Aus Angst vor solchen Übergriffen investieren immer mehr Bauern und Schäfer | |
in elektrische Zäune mit Untergrabschutz und manche auch in speziell | |
ausgebildete Hunde, die Wölfe vertreiben sollen. All das macht die Haltung | |
etwa von Schafen oder Rindern auf der Weide noch unattraktiver, als sie | |
ohnehin schon aus ökonomischen Gründen ist. | |
Denn die unteren Elektrodrähte der Zäune müssen ständig freigehalten werden | |
von Grashalmen, damit der Strom fließt und die Raubtiere tatsächlich | |
abgeschreckt werden. Viele Bauern haben keine Zeit dafür – und sie finden | |
gerade in dünn besiedelten Regionen niemanden, der diese Arbeit erledigen | |
könnte. Es ist zudem zu fragen, ob angesichts klammer Kassen der Staat | |
zumindest einen Teil der zuletzt rund [2][21 Millionen Euro] Subventionen | |
pro Jahr für den Herdenschutz nicht für Wichtigeres ausgeben könnte. | |
Das Naturschutzprojekt Wolf setzt also die Weidehaltung zusätzlich unter | |
Druck. Dabei ist sie genau die Art Tierhaltung, die Umwelt- und | |
Tierschützer bevorzugen. Es tut Rindern gut, ihr Leben nicht nur im Stall | |
zu fristen, sondern sich auf einer Weide frei bewegen zu können. Dieses | |
Grünland bietet auch besonders vielen Tier- und Pflanzenarten Lebensräume. | |
Außerdem speichert es deutlich mehr Kohlenstoff als Ackerland und trägt so | |
zum Klimaschutz bei. Diese Vorteile sollten wir uns nicht durch zu viele | |
Wölfe zerstören lassen. | |
Menschen haben Sorgen, dass die Raubtiere auch sie angreifen könnten. Das | |
passiert weltweit selten, aber es kommt vor. Wölfe ähneln Hunden. Wir | |
würden es auch nicht akzeptieren, dass tausende Hunde in Deutschland frei | |
herumlaufen, schon gar nicht so große und starke wie Wölfe. | |
Die Lösung muss ein Mittelweg sein: Wölfe und Herdenschutz ja, aber in | |
Maßen. Wenn sie sich Menschen genähert oder Haustiere angegriffen haben, | |
sollten alle Wölfe geschossen werden, die in den Wochen danach an den | |
betroffenen Orten auftauchen. Almen zum Beispiel lassen sich nur schwer | |
durch wolfsichere Zäune schützen. In solchen Gebieten sollte jeder Wolf | |
getötet werden. | |
Falls dann noch nötig, sollten auch außerhalb dieser Gebiete einige | |
unauffällige Tiere „entnommen“ werden. Denn weniger Wölfe bedeuten weniger | |
Raubtiere, die Vieh fressen können. Diese Logik wird nicht dadurch | |
widerlegt, dass in manchen Ländern nach einer Wolfsjagd die Zahl der Risse | |
nicht gesunken ist. Das kann zum Beispiel auch daran gelegen haben, dass | |
Bauern eben wegen der Wolfsjagd weniger für Zäune ausgegeben haben. | |
Das aktuelle Naturschutzrecht erschwert selbst die Jagd auf auffällige | |
Wölfe zu stark, wie diverse Gerichtsentscheidungen zeigen, die „Entnahmen“ | |
solcher Tiere verhindert haben. Deshalb muss der Schutzstatus der Art nun | |
endlich gesenkt werden. | |
Jost Maurin | |
Nein, weil der Wolf für den Menschen und seine Nutztiere nicht so | |
gefährlich wird, wie das so gern dargestellt wird. [3][999 von 1.000 | |
Menschen werden hierzulande nie einen Wolf zu Gesicht] bekommen. Vermutlich | |
deshalb eignet er sich trefflich als Projektionsfläche: Der Wolf ist der | |
Ausländer unter den Tieren, die in Deutschland leben. Immigriert aus | |
Osteuropa, ist er gekommen, um zu bleiben. Natürlich haben wir nichts gegen | |
Ausländer, also auch nicht gegen Wölfe. Es dürfen nur nicht zu viele werden | |
… | |
Würden in Afrika die Schutzstandards für Leoparden oder Löwen gesenkt, gäbe | |
es hierzulande garantiert einen Aufschrei. Völlig zu Recht. Es muss auch | |
hierzulande darum gehen, ein Zusammenleben mit dem Wolf zu organisieren, | |
nicht ohne ihn. Abgesenkte Naturschutzstandards ändern nichts daran, dass | |
der Wolf fester Bestandteil unseres Lebens geworden ist. | |
Die Deutschen sehnen sich gern und ausgiebig nach einem fantastischen | |
Naturerlebnis. Aber als die Natur hierzulande dann wieder so weit intakt | |
war, dass der Wolf zurück nach Deutschland kam, begann die Diskussion, wie | |
man ihn am besten und schnellsten wieder loswird. Um nicht missverstanden | |
zu werden: Natürlich haben Wölfe nichts in Ortschaften, nichts in der Nähe | |
des Menschen zu suchen. Auffällige Wölfe, sogenannte Problemtiere, zu | |
schießen, ist gängige Praxis, dafür müssen keine Naturschutzstandards | |
abgesenkt werden. | |
Aber [4][Wölfe zu schießen, weil sie Weidetiere reißen?] Da könnte man auch | |
fordern, Katzen zu schießen, weil sie Vögel fressen. Wölfe töten einige | |
tausend Weidetiere jedes Jahr in Deutschland. In der Regel werden | |
Weidetiere Opfer, weil die Wolfszäune von den Haltern nicht fachgerecht | |
aufgebaut werden oder schlichtweg fehlen. Kann man das aber dem Wolf | |
vorwerfen? Wenn ein Bauer seinen Hühnerstall in der Nacht nicht zumacht, | |
ist doch auch nicht der Fuchs schuld, wenn am nächsten Morgen ein Massaker | |
zu beklagen ist. | |
Schafe oder Ziegen – natürlich sind die Herdentiere wichtig: Vielerorts | |
gibt es keine andere Möglichkeit, die offene Kulturlandschaft zu pflegen | |
und zu erhalten. Genau deshalb werden die mobilen Elektrozäune, die | |
elektrifizierten Festzäune und Herdenschutzhunde inklusive Zubehör vom | |
Staat gefördert: zu 100 Prozent in Bayern, zu 80 Prozent in Brandenburg. | |
Das ist zu wenig, wenn wir den Wert unserer Kulturlandschaft zugrunde | |
legen: Schäfer werden von der Gesellschaft nicht angemessen honoriert, und | |
das bezieht sich nicht nur auf den Lohn ihrer Arbeit. Denn sie sind die | |
zweite Berufsgruppe, die direkt von der Rückkehr der Wölfe betroffen ist. | |
Die erste Berufsgruppe sind die Jäger. Wer ein Jagdrevier gepachtet hat und | |
von der Jagd lebt, ist doof dran, wenn ein Wolf ins Revier eindringt, dann | |
gibt es weniger zu schießen, weil der Wolf den Job des Jägers übernommen | |
hat. Er reguliert den Tierbestand – und das sogar viel besser als der Jäger | |
selbst. Studien haben ergeben, dass Ökosysteme vitaler werden, wenn es | |
darin Wölfe gibt. Was Jägern freilich nicht schmeckt: Schließlich bezahlen | |
sie Geld dafür, bestimmte Abschussquoten zu erzielen. | |
Nick Reimer | |
15 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dbb-wolf.de/wolfsmanagement/herdenschutz/schadensstatistik | |
[2] https://www.dbb-wolf.de/mehr/literatur-download/berichte-zu-praevention-und… | |
[3] /Wolf-Debatte-in-den-Niederlanden/!6027644 | |
[4] /Kritik-an-Wolfsplaenen-von-Steffi-Lemke/!5966248 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
Nick Reimer | |
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