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# taz.de -- Krieg in Nahost: Angriff von neuer Qualität
> Irans jetzige Raketen senden an Israel eine schärfere Botschaft als
> zuletzt. Eine harte Reaktion Netanjahus macht Krieg mit Iran
> wahrscheinlicher.
Bild: Nach einem Angriff des Irans auf Israel: die Überreste einer ballistisch…
Berlin taz | Der Nahe Osten steht vor einem seiner entscheidendsten und
gefährlichsten Momente. [1][Nachdem Israel den Anführer der Hisbollah,
Hassan Nasrallah, getötet hatte] und eine Bodeninvasion in den Libanon
gestartet hat, hat sich der Iran nun direkt eingeschaltet. Am Dienstagabend
griff er Israel mit 181 Raketen an.
Bereits im April hatte der Iran einen direkten Angriff mit Drohnen,
Marschflugkörpern und Raketen auf Israel vorgenommen – es war der erste
überhaupt. Im April kam der Angriff mit Ankündigung – [2][99 Prozent der
Geschosse konnte Israel mit Unterstützung der USA, Großbritanniens und
Jordaniens abfangen], einen Großteil davon, bevor sie überhaupt
israelisches Gebiet erreichen konnten. Ohnehin zielten sie vor allem auf
eine Militärbasis in der spärlich besiedelten Negevwüste. Der Schaden war
gering.
Doch der Angriff vom Dienstagabend hatte eine ganz andere Qualität. Dieses
Mal ließ der Iran seine Pläne nicht vorher durchsickern, wenn auch
Warnungen vor einem drohenden Angriff aus den USA kamen.
Unter den Raketen sollen iranischen Angaben zufolge auch Hyperschallraketen
gewesen sein, die sogenannte Fattah-1-Rakete. Diese solle von Radarsystemen
unerkannt aus unterschiedlichen Richtungen zuschlagen können.
## Irans jetzige Raketen sollten wirklich treffen
Während die Geschosse im April mehrere Stunden für den Weg benötigten,
erreichten sie am Dienstagabend innerhalb von 12 Minuten israelisches
Staatsgebiet. Ausgerichtet waren sie auf dicht besiedelte Gebiete, so dass
die Sirenen fast die gesamte israelische Bevölkerung – von der Negevwüste
bis hoch nach Haifa – in die Schutzbunker rief.
Kurz nach dem Angriff zeigten Fernsehbilder einen mehrere Meter breiten wie
tiefen Krater, der im Zentrum des Landes in die Erde geschlagen wurde, ein
Haus im Norden Tel Avivs wurde direkt getroffen, einem Restaurant in
Jerusalem schlug es die Scheiben aus. Ein Palästinenser wurde in Jericho im
Westjordanland durch herabfallende Raketenteile getötet. Einige Menschen
wurden verletzt.
Das israelische Militär räumte am Mittwoch ein, dass verschiedene
Luftwaffenstützpunkte getroffen worden seien. Der Schaden würde die
Einsatzfähigkeit der Luftwaffe jedoch nicht beeinträchtigen.
Nur wenige Minuten vor dem Angriff verübten zwei Angreifer einen
mutmaßlichen Terroranschlag in Jaffa-Tel Aviv mit Schusswaffen und Messern.
Es war der größte Anschlag in der Küstenstadt seit dem 7. Oktober, sieben
Menschen wurden getötet.
## Ein offener Krieg mit Iran ist wahrscheinlicher geworden
Die große Frage ist jetzt: Wie geht es weiter? Wovor monatelang so viele
gewarnt haben, ist am Dienstagabend nochmal wahrscheinlicher geworden: ein
offener Krieg mit dem Iran.
Laut iranischem Staatsfernsehen sei der Angriff eine Vergeltung für die
[3][Tötung von Hamas-Führer Ismail Haniyeh] und Hisbollah-Anführer Hassan
Nasrallah sowie eines iranischen Generals gewesen.
Das Außenministerium in Teheran teilte am späten Dienstagabend auf X mit,
der iranische Angriff sei abgeschlossen – es sei denn, Israel entscheide
sich für weitere Vergeltungsmaßnahmen. Dann werde der Iran mit einer noch
härteren Reaktion antworten.
In israelischen Kreisen wird davon ausgegangen, dass Ministerpräsident
Benjamin Netanjahu reagieren muss, und es gibt wenig Zweifel daran, dass
die Antwort heftig ausfallen wird. Israelische Regierungsbeamten
bezeichneten die Ereignisse vom Dienstag als „iranische Kriegserklärung“.
## Israel wird auf Irans Raketenbeschuss wohl reagieren
Möglich ist, dass Israel mit gezielten Tötungen vorgehen wird. Doch als
mögliche Ziele eines Vergeltungsschlags gelten auch Angriffe auf die
Ölraffinerien und Wasseranlagen des Iran – und natürlich: auf die
Nuklearanlagen.
Das iranische Atomprogramm wird von Israel seit Langem als existenzielle
Bedrohung wahrgenommen. Nach derzeitiger Einschätzung verfügt der Iran zwar
noch nicht über Atomwaffen, doch das Atomprogramm ist wohl so weit
fortgeschritten, dass das Land diese Atomwaffenfähigkeit sehr schnell
ermöglichen könnte.
Bislang hat Israel versucht, den Fortschritt des iranischen Atomprogramms
durch begrenzte Sabotageakte aufzuhalten, vor allem in Form von
Cyberangriffen, aber auch durch Attentate auf Wissenschaftler.
Der [4][Bulletin of the Atomic Scientists], ein US-amerikanisches Magazin,
das sich mit Fragen der globalen Sicherheit auseinandersetzt, wagt die
Einschätzung, dass ein direkter Schlag gegen die iranischen Atomanlagen
wenig an Irans Fähigkeit mindern würde, Atomwaffen herzustellen.
Stattdessen würde der Glauben des Iran daran, dass sie eine Atombombe
brauchen, um sich zu verteidigen, wohl signifikant erhöht.
Die Anreicherungsanlagen in Natanz und Fordow liegen teilweise oder ganz im
Untergrund. Um sie zu beschädigen, bräuchte es Waffen, die in der Lage
sind, mehrere Dutzend Meter Gestein und Stahlbeton zu durchdringen, bevor
sie im Inneren der Anlagen explodieren. Getragen werden können solche
Waffen nur von US-Bombern.
## Ist der US-Wahlkampf eine Chance für Netanjahu?
Die Zukunft des Nahen Osten liegt damit in den USA. [5][Der New York Times
zufolge] hoffen US-Beamte, dass Netanjahu eine Botschaft an den Iran senden
wird, ohne einen offenen Krieg im Nahen Osten und mit dem Iran auszulösen,
zumal jetzt in diesen fünf Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in den
USA.
Doch der israelische Premier könnte in diesen fünf Wochen auch eine Chance
sehen: Ob sich die US-Demokraten erlauben können, Israel zurückzuhalten,
nun, da es vom Iran angegriffen wurde? Den Ex-Präsidenten Donald Trump
zumindest dürfte Netanjahu ohnehin schon auf seiner Seite haben.
Dass Israels Regierung wenig Zurückhaltung zeigen wird, legt auch der
jüngste Schritt nahe: [6][Israel erklärte am Mittwoch UN-Chef António
Guterres zur unerwünschten Person.] Dieser hatte nach dem iranischen
Raketenangriff am Dienstagabend die „Ausweitung des Konflikts im Nahen
Osten“ verurteilt, in der „Eskalation auf Eskalation“ folge. Er hatte den
Iran in seiner Reaktion jedoch nicht ausdrücklich erwähnt.
2 Oct 2024
## LINKS
[1] /Tod-von-Hassan-Nasrallah/!6036732
[2] /Irans-Attacke-auf-Israel/!6004249
[3] /Eskalation-in-Nahost/!6025086
[4] https://thebulletin.org/2024/10/iran-vs-israel-redux-the-enormous-difficult…
[5] https://www.nytimes.com/2024/10/02/us/politics/israel-iran.html
[6] /-Nachrichten-im-Nahost-Krieg-/!6040534
## AUTOREN
Judith Poppe
## TAGS
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Israel Defense Forces (IDF)
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Israel
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