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# taz.de -- Wunderläufer Paavo Nurmi und Doping: Mehr als nur Sprudel
> Schon zu Lebzeiten ist dem Mittelstreckenläufer Paavo Nurmi in Finnland
> ein Denkmal gesetzt worden. Aber ging da alles mit rechten Dingen zu?
Bild: Nackerter Nurmi: der Leichtathlet ist in Finnland eine Legende
Die Sonne scheint auf den Buckel von Paavo Nurmi. Er strahlt golden. Einst
stand die Statue, geformt von Wäinö Aaltonen, im recht hochpreisigen
Ateneum, dem Kunstmuseum von Helsinki, dann in der finnischen Stadt
Jyväskylä. Nun steht sie vorm Olympiastadion von Helsinki. Ein nackerter
Nurmi tut einen großen Schritt nach vorn, und ein paar Kinder umkreisen das
Denkmal mit ihren gelben Leihrädern.
Die Arena im Hintergrund wurde neu renoviert, sie sieht schmuck aus. Man
kann auch auf den über 70 Meter hohen Olympiaturm steigen und die Stadt an
der Ostsee wunderbar überblicken. Nebenan liegt gleich das Olympiabad, in
dem vor allem ältere Damen auf einer extra abgesperrten Bahn Aquajogging
betreiben, geruhsam, auf die finnische Art.
Nurmis Statue wurde nach [1][seinen berauschenden Siegläufen bei den
Olympischen Spielen 1924] in Auftrag gegeben. Nachdem der
Mittelstreckenläufer [2][aus Turku] bereits 1920 bei den Sommerspielen in
Antwerpen drei Goldmedaillen eingeheimst hatte, gewann er vier Jahre später
fünf weitere Goldplaketten, und zwar über 1.000 Meter, 5.000 Meter, im
Crosslauf Einzel und mit der Crossmannschaft sowie im
3.000-Meter-Team-Event. Es gab in Finnland niemanden, der dieses Vorhaben
nicht unterstützt hätte. Wobei: Einen gab es schon, und zwar einen
emeritierten Professor der Universität Helsinki.
Victor Heikel veröffentlichte in der schwedischsprachigen Zeitung
Hufvudstadsbladet einen Artikel, über den in der Folge lebhaft diskutiert
wurde. Heikel hatte seit den 1870er Jahren eine zentrale Rolle in der
finnischen Sporterziehung gespielt, gleichwohl kritisierte er einen
unkultivierten Rekordwahn, der den Wettkampfsport kennzeichnete – und er
legte nahe, dass Nurmis Rekorde und Siegläufe wohl nicht nur auf das mit
Kohlensäure angereicherte Sprudelwasser zurückzuführen waren, also jenes
Getränk, das Nurmi bevorzugt trank (normales Leitungswasser trank er,
Überlieferungen zufolge, höchst selten).
## Gegenseitige Bezichtigungen
In jenen Tagen war die Einnahme von Stimulanzien gebräuchlich, Strychnin
oder Kokain wurde von Ausdauerläufern überall in Europa eingenommen. Es
galt als sicher, dass bis 1928, als der erste Antidopingparagraf im
Amateursport auftauchte, etabliert durch die International Amateur Athletic
Federation (IAAF), viel Zeugs geschluckt wurde, und danach wohl auch, denn
erst 1933 soll es zu einer ersten Untersuchung in Sachen Doping gekommen
sein. Nach Heikels Intervention, die freilich abgebügelt wurde, vergingen
ein paar Jahre. Dann wurde sogar in der renommierten Vossischen Zeitung
Nurmi mit der Einnahme von Wach- und Schnellmachern in Verbindung gebracht.
Die in Lettland erscheinende Zeitung Rigasche Rundschau hatte nach Nurmis
baltischer Tour eine Krawallschlagzeile gebracht, angeblich hatte der Finne
[3][den deutschen Konkurrenten Otto Peltzer] des Dopings bezichtigt. Die
gleiche Zeitung schlagzeilte, auch Nurmi werde „eine hässliche Behauptung“
entgegen geschleudert. Es wurde also viel insinuiert und geraunt, trotzdem
ging der Dopingdisput zwischen dem Deutschen und dem Finnen um die Welt.
Paavo Nurmi hielt nie sehr viel von der Presse und ihrer Sensationslust;
auf seiner Amerika-Tour sagte er: „Du gibst ihnen ein A, und sie machen ein
ganzes Alphabet daraus.“
Otto Peltzer und Paavo Nurmi besprachen die Sache dann persönlich. Der
Deutsche, der stets mit Medikamentenköfferchen verreiste, kam im Oktober
1927 nach Turku. Sie ratschten und rannten ein wenig. Im Wettkampf traten
sie nicht gegeneinander an, was vielleicht besser war für den fliegenden
Finnen. Im selben Jahr war er Peltzer bei einem 1.500-Meter-Lauf
unterlegen. Wie das Gespräch verlaufen sein mag? Nun ja, man kann es sich
ausmalen. Das heikle Thema anschneidend, dürfte eine Augenzwinkern
ausgereicht haben.
18 Oct 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Markus Völker
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Kolumne Olympyada-yada-yada
Leichtathletik
Finnland
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Olympia 1936
Reiseland Finnland
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