| # taz.de -- Bilanz einer Radsport-Saison: Reife Entscheidung | |
| > Tour-Siegerin Kasia Niewiadoma verzichtet auf die Titelverteidigung bei | |
| > der Gravel-WM. Mit dem Sieg im Vorjahr nahm ihre Karriere Fahrt auf. | |
| Bild: Bergauffahrerin: Kasia Niewiadoma an der „Mauer von Huy“ in Belgien | |
| Koblenz taz | Kasia Niewiadoma, Siegerin der Tour de France in diesem | |
| Sommer, setzt auf intelligente Belastungssteuerung. Statt bei der | |
| Gravel-WM, die am Samstag beginnt, ihren Titel aus dem Vorjahr zu | |
| verteidigen, beendet sie die Saison und freut sich auf entspannte Radtouren | |
| mit Ehemann Taylor Phinney. | |
| Spannung versprechen die Rennen über aufgewühltes Erdreich und das | |
| flämische Kopfsteinpflaster rings um Leuwen aber auch in ihrer Abwesenheit. | |
| Bei den Männern macht Nimmersatt Mathieu van der Poel seine Aufwartung. Bei | |
| den Frauen wollen sowohl Straßenweltmeisterin Lotte Kopecky als auch | |
| Mountainbikeweltmeisterin Puck Pieterse ihre Regenbogentrikotsammlung | |
| erweitern. | |
| Am vergangenen Sonntag ist Kasia Niewiadoma 30 Jahre alt geworden. Eine | |
| große Party gab es nicht, meinte sie bei einem Medientermin [1][bei ihrem | |
| Radhersteller Canyon]. Ihr steckte noch das Straßen-WM in Zürich mit Kälte | |
| und Regen in den Knochen. Und auch [2][der Todesfall der Schweizer | |
| Nachwuchsfahrerin Muriel Furrer] mag ihr nicht aus dem Kopf gehen. Das | |
| Erreichen der neuen Lebensdekade scheint Niewiadoma aber entschlossener zu | |
| machen. „Ich merke, dass ich reifer und selbstbewusster geworden bin und | |
| weniger naiv. Das fühlt sich großartig an“, sagte sie der taz. | |
| Auch als Sportlerin werde sie davon profitieren, glaubt sie. In | |
| Rennsituationen reagiere sie inzwischen weniger konfus. „Und dass ich 30 | |
| geworden bin, bedeutet eben, dass ich mehr will vom Leben“, sagt sie. Das | |
| bedeutet, „höhere Ziele und ganz vorne zu sein“ im Sport, aber eben auch | |
| eine bessere Work-Life-Balance. In Sachen Gravel-WM heißt das Verzicht. Der | |
| Kurs in Belgien ist der kletterstarken Polin zu flach. „Nicht sehr | |
| unterhaltsam“, findet sie die Strecke. Vor allem aber will sie | |
| durchschnaufen nach einer anstrengenden Saison. | |
| Der große Höhepunkt war natürlich die Tour de France. [3][In einem der | |
| dramatischsten Rennen im Radsport] überhaupt behauptete sie im Anstieg nach | |
| L’Alpe d’Huez die Gesamtführung und siegte in der Gesamtwertung mit der | |
| Winzigkeit von vier Sekunden Vorsprung. Zunächst konnte sie eine Attacke | |
| von Demi Vollering nicht parieren. „Ich war am Anstieg davor, am Col du | |
| Glandon, so konzentriert darauf, an Demis Rad zu bleiben, dass ich den | |
| Punkt Essen unterschätzt habe. Als sie antrat, hatte ich einfach nichts zum | |
| Gegensetzen. Mein Körper war leer. Und das hat mich auch mental | |
| beeinflusst. Aber dann konnte ich wieder etwas zu mir nehmen, merkte, dass | |
| mein Körper gut reagiert und begann daran zu glauben, dass alles noch | |
| möglich ist“, blickt sie zurück. | |
| ## Drama für das Wachstum | |
| [4][L’Alpe d’Huez] war Schauplatz eines Sportthrillers. Und dass Niewiadoma | |
| danach in Siegerpose ihr gelb lackiertes Rad am Zielstrich in den Himmel | |
| hob, löste in Koblenz natürlich Jubel aus. „Es war einfach inspirierend, | |
| wie sie gewonnen hat. Und ich denke, diese vier Sekunden, diese Dramatik, | |
| werden den Frauenradsport nur noch schneller wachsen lassen“, meinte | |
| Canyon-Chef Nicolas de Ros Wallace. | |
| Wachstum bedeutet selbstverständlich größeren Absatz. Canyon ist bei gleich | |
| drei Teams der Women’s World-Tour Radsponsor: Neben Niewiadomas Rennstall | |
| Canyon SRAM noch bei Movistar und Fenix Deceuninck. Bei den Männern werden | |
| Movistar sowie Mathieu van der Poels Arbeitgeber Alpecin Deceuninck mit dem | |
| Aeroad von Canyon ausgerüstet. Das bedeutet dann auch, dass der | |
| Gravel-Titel durchaus bei Canyon verbleiben könnte. Sowohl van der Poel als | |
| auch Pieterse (Fenix Deceuninck) zählen zum Favoritenkreis. | |
| Für Niewiadoma bedeutete der Gravel-Titel im letzten Jahr den Durchbruch | |
| nach ganz oben. „Vorher war ich bereits auf gutem Niveau, aber es ging | |
| trotzdem immer etwas schief. Mal lag es am Mangel an Selbstvertrauen, mal | |
| an schlechtem Timing. Deshalb war es toll, die Saison mit einem Sieg zu | |
| beenden. Den Winter über konnte ich dann an meinen Schwächen arbeiten, auch | |
| meinen mentalen Schwächen. Zu Beginn der Saison 2024 wusste ich einfach, | |
| was ich erreichen will, und dass ich nicht in den alten Mustern stecken | |
| bleiben wollte“, erzählt sie. | |
| Nach vielen zweiten, dritten und vierten Plätzen stellte der Sieg vor fast | |
| einem Jahr auch eine mentale Befreiung dar. Und was dann folgte, war eben | |
| der Sieg bei der Tour de France. Den Titel dort will Niewiadoma natürlich | |
| verteidigen. Und gern hätte sie noch mehr Tour de France: statt einer Woche | |
| zwei Wochen. Auch das ist eine Ansage. | |
| 4 Oct 2024 | |
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| [1] https://www.canyon.com/de-de/ | |
| [2] /Radsport-WM-in-Zuerich/!6036740 | |
| [3] https://www.letourfemmes.fr/en/rankings | |
| [4] /Frankreich-Rundfahrt-der-Frauen/!5949483 | |
| ## AUTOREN | |
| Tom Mustroph | |
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