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# taz.de -- Baseballteam verlässt Oakland: Oaklands emotionaler Abschied vom A
> Oakland muss die legendären Athletics ziehen lassen. Die einstige
> Erfolgsstrategie scheint dem Klub letztlich zum Verhängnis geworden zu
> sein.
Bild: Abschiedsspiel im Coliseum in Oakland, Kalifornien, 25. September, hier: …
Nach 4.493 Spielen in 57 Jahren gingen im Coliseum die Lichter aus. Die
Betonschüssel in der kalifornischen Hafenstadt war bis Donnerstag
Heimstätte der Athletics, die ihr letztes Spiel vor 46.000 Fans mit 3-2
gegen die Texas Rangers gewannen. Für Oakland endet eine Ära. [1][Das
Baseballteam mit dem ikonischen „A’s“-Logo] und den grün-goldenen Trikots
verlässt zum Saisonende die Stadt, in der es seit 1968 zu Hause war. Die
„Heimspiele“ trägt es ab April in Sacramento aus, 2028 zieht das Franchise
nach Las Vegas.
Im US-Sport keine Seltenheit. Auch die Athletics spielten in Philadelphia
und Kansas City, bevor es nach Kalifornien ging. Oakland, so etwas wie die
unterprivilegierte Stiefschwester im Schatten San Franciscos, trifft der
Verlust allerdings ungleich härter: Die Geburtsstadt [2][von Kamala
Harris], industriell, arm, aber mit ihrer diversen Sozialstruktur ohne
klare ethnische Bevölkerungsmehrheit auch kultureller Fluchtpunkt in der
sich immer weiter gentrifizierenden Bay-Area wird sportpolitisch abgehängt.
Nach den Golden State Warriors (NBA) und den Raiders (NFL) verliert sie
innerhalb weniger Jahre ihr letztes Profiteam, ein besonders schillerndes
dazu, und damit ein Stück Identität.
Die „Swinging A’s“ der 1970er Jahre gehören zu den großen Teams des Spo…
vergleichbar mit Ajax Amsterdam im europäischen Fußball. Die Spieler sind
Legenden, ihre Namen Musik in den Ohren der Fans: Der kubanische Shortstop
Dagoberto Campaneris Blanco, genannt Bert, bis heute Rekordspieler der
Athletics (1.795 Spiele). Pitcher Rollie Fingers, berühmt für seinen
Fastball und den exaltierten Schnauzer.
Modisch im konservativen Baseball ein Statement, sportlich eine
Zeitenwende, mit ihm wurde quasi die Rolle des Closers erfunden, dem
Wurfspezialisten, der in den späten Innings eine knappe Führung nach Hause
bringt. Oder Outfielder Reggie Jackson, Nickname „Mr. October“, wo im
Baseball Titel geholt werden. Das Team gewann drei World Series
hintereinander.
## „Earthquake Series“
Unter Coachlegende Tony La Russa kam 1989 eine weitere hinzu. Gegner waren
die Giants von der anderen Seite der Bay. Doch seine Dramatik bezog das
Derby nicht aus der Rivalität beider Mannschaften. Der Candlestick Park von
San Francisco war eine halbe Stunde vor Beginn des dritten Spiels gut
gefüllt, als die Erde zu beben begann. „I’ll tell you what, we’re having…
earth…“ sagte ABC-Kommentator Al Michaels, bevor die Übertragung abbrach.
Im Stadion kam niemand zu Schaden, aber das Loma-Prieta-Erdbeben mit der
Stärke von 7,1 kostete 63 Menschen das Leben. Möglicherweise verhinderte
das Spiel weitere Opfer, viele Pendler saßen bereits zu Hause vor dem
Fernseher. Das später wieder aufgenommene Duell ging als „Earthquake
Series“ in die Geschichte ein, welche die A’s im Best of Seven Modus mit
4-0 Siegen klar für sich entschieden. Danach zerfiel das Team um Denis
Eckersley und Ricky Henderson, dem Spieler mit den meisten Stolen Bases im
Major League Baseball (1.406).
Um die Jahrtausendwende revolutionierte der Klub das Spiel, was sich
weniger an Titeln bemaß als am Impact. Popkulturell durch den [3][Film mit
Brad Pitt] geadelt, ist der Ansatz sportlich mit Billy Beane verknüpft,
seit 1997 General Manager, auf den sich heute sportübergreifend neben
vielen anderen Vereinen auch der FC Liverpool beruft.
Es geht um eine dem Baseball [4][ureigene Leidenschaft: Statistik.] Der
Name: Moneyball. Ziel war es, auf teure Stars zu verzichten und stattdessen
mit schmalem Budget eine erfolgreiche Mannschaft auf der Basis von Daten
(Sabermetrics) aufzubauen. Ein Märchen, das seinen Höhepunkt 2002
erreichte, als ein fast namenloses Team 20 Spiele in Folge und schließlich
die Division gewann. Bis 2020 folgten fünf Division-Titel, zu mehr sollte
es nicht reichen.
## Steilvorlage zum Kaputtsparen
Das notorische Scheitern in den Play-offs gehört heute fast zur Folklore
des Klubs, legt aber auch die Schwachstelle des Moneyballs offen, dass bei
den Entscheidungsspielen vielleicht doch die Stars den Unterschied machen.
Wie es geht, zeigen die Houston Astros, die bis 2016 in der derselben
Division herumdümpelten, dann auf der Basis der Sabermetrics gezielt Geld
in die Hand nahmen und zweimal die World Series gewannen.
In Oakland lief es anders. In der Rückschau scheint der Erfolg der
Moneyball-Jahre dem Klub zum Verhängnis geworden zu sein, denn sie
lieferten Eigentümer John Fisher aus der Komfortzone des Underdogs heraus
die Steilvorlage, das Team kaputtzusparen: Seht her, es geht doch prima
ohne Geld. Dass dieses Model auch in neue Spieler investieren muss –
geschenkt. Die Fans reagierten mit der im US-Sport beispiellosen
Sell-the-Team-Protestkampagne, in der sie Fisher aufforderten, nicht die
Spieler, sondern den Klub zu verkaufen. Als der Erfolg und die Zuschauer
wegblieben, bestärkte dies Fisher, Oakland zu verlassen. Oder war es Teil
seines Plans? Zu seinen Motiven schweigt er, es passiert einfach.
Seit Jahren verrottet das marode Coliseum. Möglich, dass er die zähen
Verhandlungen mit der klammen Stadt über ein neues Stadion nur zum Schein
führte, während der Deal mit Las Vegas längst eingetütet war. In der
aktuellen Gehaltsliste belegen die A’s mit 62 Mio. Dollar abgeschlagen den
letzten Platz. Eine Website für Sportwetten kommentierte trocken: The
Athletics don’t care about their current on-field product.
Fischers zynisches Gebaren erinnert an den Baseballfilm „Die Indianer von
Cleveland“, in dem eine gierige Eigentümerin eine Mannschaft voller Luschen
zusammenstellt, um das Team aus der grauen Arbeiterstadt nach erfolgloser
Saison ins sonnige Florida zu verpflanzen. Im Film scheitert der Plan
natürlich, denn die vermeintlichen Loser berappeln sich und gewinnen die
Meisterschaft.
Das wird den A's nicht gelingen. Man schwelgt seit Wochen in Nostalgie und
ist froh, dass die Spielzeit besser lief als die Horrorsaison im letzten
Jahr, als das junge Team mit 112 Niederlagen nur knapp am schlechtesten
Rekord seit Jahrzehnten vorbeischrammte. Am Sonntag bestreiten sie ihr
finales Spiel. Auswärts. In Seattle. Dann heißt es zum letzten Mal: Let’s
go Oakland!
28 Sep 2024
## LINKS
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[4] /Der-Trend-zum-Film-Moneyball/!5101728
## AUTOREN
Sven Haase
## TAGS
Baseball
Kalifornien
Abschied
Kolumne Erste Frauen
American Pie
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