# taz.de -- "Moneyball" mit Brad Pitt: Es müffelt nach Mann | |
> Von der Verwertungshysterie der Sportwirtschaft und dem Potenzial | |
> aussortierter Baseballer erzählt Brad Pitt in "Die Kunst zu gewinnen - | |
> Moneyball". Es ist der Film zur Krise. | |
Bild: Gebrochenes Spiel: Brad Pitt als Billy Beane. | |
Billy Beane hat den Gang, das Kinn und die verschliffene Morphologie eines | |
klassischen amerikanischen Helden. Einen Typen wie ihn sieht man eigentlich | |
einsam auf den Horizont zureiten. Doch Billys Welt sind die | |
neonbeleuchteten Gänge und muffigen Büroräume hinter Mannschaftskabinen und | |
Gewichtheberäumen. Er ist der Manager einer Baseball-Mannschaft - der | |
Oakland A's. Einem mittelmäßigem Honk-Haufen, dessen fähigste Spieler zu | |
Saisonanfang regelmäßig von solventeren Vereinen weggekauft werden. | |
Seinen Kaugummi lässt Billy (Brad Pitt) nur zum Telefonieren in der | |
Backentasche verschwinden, seine Sekretärin kommandiert er in | |
Zweiwortsätzen. Weil man sich die andere, sinnstiftende Hälfte immer | |
dazudenken muss, wenn er spricht, ist es wichtiger, auf sein Nicken oder | |
Räuspern zu achten, wenn man aus ihm schlau werden will. Billy braucht | |
keine Gesellschaft und keine Gegenliebe, nur einen Adlatus mit den | |
kommunikativen und wirtschaftlichen Talenten, die er selbst nicht hat. | |
Er engagiert Peter Brand (Jonah Hill), einen untersetzen Yale-Absolventen, | |
der mit Spielanalysen, Wahrscheinlichkeitsrechnungen und auf den Sport | |
übertragene Wirtschaftstheorien die gesamte Besetzungspolitik des Baseballs | |
umkrempelt. Die beiden halten nach preiswerten Spielern Ausschau, die von | |
der Verwertungshysterie der Sportwirtschaft bislang übersehen wurden. | |
Spieler, die zu alt, zu schwierig oder gar gehandicapt sind. | |
## ein bisschen zu feist | |
Sie können vielleicht nicht gut werfen, weil sie unter chronischen | |
Nervenentzündungen im Arm leiden. Dafür sind sie aber mit läuferischer | |
Begabung gesegnet, die dem Rest der Branche nicht aufgefallen ist. | |
Vielleicht sind sie eigentlich ein bisschen zu feist, aber wenn sie die | |
Lederkugel einmal vor den Schläger kriegen, darf man mit allem rechnen. | |
Was so humpelig und sympathisch an dieser Besetzungspolitik klingt, sieht | |
auf der Leinwand jedoch keinesfalls nach einer "Die Bären sind | |
los"-Fortsetzung mit betagterem Personal aus. Da stolpern keine kauzigen, | |
aber liebenswerte Kerle über den Platz. Da geht es vielmehr um | |
Knochenarbeit, Vertragsverlängerung und Kalkulation. Überhaupt sehen wir | |
nur wenig vom Spiel. Nicht viel mehr jedenfalls als Billy Beane selbst. | |
Denn der ehemalige Baseballprofi, der sein Hochschulstipendium gegen die | |
Aussicht auf eine Profikarriere eintauschte, die dann nie richtig Fahrt | |
aufnahm, ist seit dieser verpatzten Zeit abergläubisch. Seine Anwesenheit | |
auf dem Grün bringt Pech, deswegen hält er sich fern. | |
Doch nicht nur die raren Baseballszenen machen "Moneyball" zu einem | |
ungewöhnlichen Sportfilm. Der gesamte Plot entwickelt sich jenseits des | |
Spielfeldes. In den kalt beleuchteten Gängen und hässlich gekachelten | |
Besprechungszimmern, in denen die Teambetreuer bei Beanes Strategie nur | |
noch mit dem Kopf schütteln. In der Teeküche, in der der Trainer (Philip | |
Seymour Hoffman) mit der Tasse am Mund Beane offen sein Misstrauen | |
ausspricht. Oder im dunklen Videoraum, in dem der Nachwuchsökonom Brand die | |
Runs und Schläge analysiert und nach unerkannten Schlüsseltalenten fahndet. | |
## Erstaunlich sachliche Hommage | |
Regisseur Bennet Miller ("Capote") entwickelt seine Figurenprofile für | |
einen Sportfilm geradezu intellektuell über lange Dialogszenen, übers | |
Zögern, Zaudern und schließlich Entscheiden. Auch das obligatorische | |
Schlussbild, in dem eine selig abgerackerte Mannschaft ihren Häuptling | |
übers Spielfeld zum Pokal trägt, gibt es in "Moneyball" nicht. Die Oakland | |
A's schaffen es nicht an die Tabellenspitze, legen aber immerhin mit 20 | |
Siegen in Folge einen legendären Rekord hin. | |
Beanes und Brands Theorie von der Überlegenheit der Statistik gegenüber dem | |
spielerischen Instinkt überbezahlter Starspieler kann nicht zweifelsfrei | |
untermauert werden. Aber ihre Umkehrung, nämlich dass die Seele des | |
Baseballs in sturer Leistungsanalyse und einer pragmatischen Ökonomie vor | |
die Hunde geht, genauso wenig. | |
"Moneyball", nach dem Bestseller des Aktienhändlers und Baseballfans | |
Michael Lewis, ist eine erstaunlich sachliche Hommage an den tatsächlich | |
existierenden Umdenker und Außenseiter Billy Beane geworden und ein Film | |
über eine Männergesellschaft, in dem es nach Platzhirschen, Schweiß und der | |
Versagensangst müffelt. Der dramaturgische Versuch, genau das mit einer | |
halbherzig eingeführten Exfrau zu durchbrechen, ist nicht der Rede wert. | |
Produzent Brad Pitt soll lange für das Zustandekommen von "Moneyball" | |
gekämpft haben. Dank seines gebrochenen Spiels kommt der Film einigermaßen | |
authentisch, ja geradezu bescheiden daher. Pitts Beane bleibt bis zum | |
Schluss ein Macker mit Goldkettchen, der seine Physis zwar trainiert, aber | |
im Bürojob auch permanent unterdrücken muss. Seine Figur ist wie der | |
gesamte Film: erstaunlich gebremst, integrativ, ökonomisch. Und hart, aber | |
ehrlich gegenüber seinem "Planungsmaterial", dem vom Rest der Welt bereits | |
aussortierten Spielern. Kurzum, "Moneyball" ist der Film zur Krise. | |
## Filmstart ist am 2.2.2012 | |
2 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Birgit Glombitza | |
## TAGS | |
Baseball | |
Philip Seymour Hoffman | |
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