# taz.de -- Steuererlass in Argentinien: Schwarzgeld wird weiß | |
> Eine Steueramnestie soll unversteuertes Geld in Argentiniens Staatskassen | |
> spülen, nun wurde die Frist verlängert. Es profitiert auch ein | |
> Escort-Model. | |
Bild: Buenos Aires, 15. September: der Argentinische Präsident Xavier Milei st… | |
Seit Tagen ist das Escort-Top-Model Sofía Clerici das große Thema in den | |
argentinischen Medien. Genauer gesagt seit bekannt ist, dass die 31-Jährige | |
knapp 600.000 Dollar beim Blanqueo anmelden will. Also jener | |
Steueramnestie, bei der nicht deklarierte Vermögenswerte ungestraft beim | |
Finanzamt angegeben werden können. Das Geld war 2023 bei einer | |
Hausdurchsuchung bei dem Model beschlagnahmt worden, aufgrund einer Anzeige | |
wegen „unrechtmäßiger Bereicherung“. Nach Auffassung der Justiz konnte sie | |
dessen Herkunft bislang nicht ausreichend erklären. | |
Seine Mandantin habe die Dollar ehrlich verdient, aber nicht versteuern | |
können, da es für ihren Beruf beim Finanzamt keine Kategorie gebe, erklärte | |
Clericis Anwalt. Ein Richter gab dem statt und wies die sofortige Rückgabe | |
der exakt 569.911 Dollar an. Die Zeit drängt. Die Frist für das Blanqueo | |
wäre am Montag ablaufen. | |
Beim „Blanqueo de capitales“ geht es um klandestines Kapitalvermögen – | |
meist Schwarzgeld, das weißgewaschen wird. Eine solche Amnestie ist nichts | |
Ungewöhnliches in einem Land, in dem die Hälfte der Wirtschaft und der | |
Finanzen informell abgewickelt wird. Schätzungen zufolge beläuft sich das | |
nicht registrierte Dollarvermögen der Argentinier*innen auf rund 240 | |
Milliarden. Sei es im Ausland, in Schließfächern oder unter der Matratze. | |
Meist wird eine Amnestie zu Beginn der Amtszeit eines neuen | |
Staatspräsidenten angeboten. Der neue Amtsinhaber erhofft sich damit fresh | |
money für den Staatshaushalt, dem es ständig an Devisen fehlt. Auch [1][der | |
libertäre Javier Milei] hat einen Blanqueo verfügt, sogar zu besonders | |
großzügigen Konditionen. Für bis zu 100.000 Dollar werden überhaupt keine | |
Abgaben fällig. Von allem was darüber liegt, müssen fünf Prozent an den | |
Fiskus abgeführt werden. „Das kostet die Clerici schlappe 25.000 Dollar“, | |
rechnet ein Bekannter vor. | |
## Entlastung im Hochsteuerland | |
Ein echtes Schnäppchen in einem Land, das sich selbst dafür kritisiert, | |
weltweit die höchsten Steuern auf alles und jedes zu erheben. Der Bekannte | |
überlegt jetzt auch ernsthaft, am Blanqueo teilzunehmen. „Wenn die Clerici | |
ihre 600.000 Dollar weißwaschen kann, habe ich keine Skrupel mehr“, sagt | |
er. | |
Das Escort-Top-Model ist zur Gratisbotschafterin für Mileis Steueramnestie | |
mutiert. Und jetzt haben alle noch einen Monat mehr Zeit zum Waschen. Der | |
Andrang ist so groß, dass die Regierung die Frist „auf Antrag zahlreicher | |
Banken und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften“ und „des großen Interesses … | |
der Regularisierung von Vermögenswerten“ bis Ende Oktober verlängert hat. | |
Inoffiziell wird kolportiert, dass die Dollareigentümer all das, was sie | |
waschen wollen, gar nicht so schnell flottmachen könnten. | |
Der Run auf den Blanqueo erklärt sich aber noch aus einem anderen Grund. | |
„Zwischen den Vereinigten Staaten und unserem Finanzamt ist vor Kurzem ein | |
neues Steuerinformationsabkommen in Kraft getreten“, erklärt eine | |
Steuerberaterin. Seitdem sei es einfacher, Informationen über die | |
Auslandskonten ihrer Landsleute in den [2][USA] zu erhalten. „Viele haben | |
kalte Füße bekommen, machen reinen Tisch und ziehen es vor, die fünf | |
Prozent zu zahlen“, sagt sie. | |
Allerdings wird Mileis Blanqueo von der Financial Action Task Force mit | |
Argwohn beobachtet. Die internationale Organisation zur Bekämpfung von | |
Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hat gewarnt, dass Argentinien auf | |
die Liste der Steuerparadiese für Kapital ungewisser Herkunft gesetzt | |
werden könnte. Niemand bezweifelt ernsthaft, dass nicht auch Gelder aus | |
kriminellen Aktivitäten gewaschen werden, wie etwa Narco- oder | |
Korruptionsdollar. | |
Mein Bekannter hat sich noch nicht ganz entschieden. Er käme ohnehin nicht | |
über die 100.000er-Marke wie Clerici, Auch müsse er jeden Monat immer mehr | |
Dollar klandestin tauschen, um die steigenden Familienausgaben zu decken. | |
„[3][Wenn alles so weitergeht], liegt unter der Matratze bald sowieso | |
nichts mehr.“ | |
27 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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