Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Cricket-Ikone in Bangladesch: Der gefallene Messias
> Shakib Al Hasan ist Bangladeschs größter Sportstar. Er unterstützte die
> gestürzte Regierung. Jetzt steht er in der Kritik und unter Mordverdacht.
Bild: Am Cricketschläger immer noch eine Wucht: Shakib Al Hasan beim Testmatch…
Es ist noch nicht lange her, da löste der Name Shakib Al Hasan vor allem
mit positiven Assoziationen aus. Der 37-jährige Cricketspieler aus
Bangladesch ist der Beste, den sein Land je hervorgebracht hat.
Sportjournalisten in Bangladesch teilen die Historie des Crickets, dem mit
Abstand beliebtesten Sport des Landes, in die Zeit vor und nach Shakib Al
Hasan ein. Manchmal wird er deshalb auch als „Jesus des Crickets von
Bangladesch“ bezeichnet. Er hat eine neue Zeitrechnung begründet.
Wenn der Name heute fällt, sorgt er im südasiatischen Land für gereizte
Blicke, löst manchmal sogar Wut aus. Im August machten Bilder die Runde,
auf dem ein übergroßes Werbeposter des Superstars mit Graffiti übersprayt
wird. Ein viel gesehener Tweet kommentiert: „Ehemalige Ikonen Bangladeschs
sind am Boden, da sie sich auf der falschen Seite der Proteste
wiederfinden.“ Die indische Zeitung Times of India nannte Al Hasan einen
„unter Beschuss geratenen Cricket-Champion“. Was ist da los?
Anfang August gipfelten wochenlange [1][Proteste im 175-Millionen-Land in
der Flucht von Premierministerin Sheikh Hasina], die bis dahin über
eineinhalb Jahrzehnte autoritär regiert hatte. Die Protestierenden hatten
gefordert, dass Jobs im öffentlichen Sektor künftig auf fairere Weise
vergeben würden. Große Unzufriedenheit hatte aber schon länger bestanden –
wegen der ausufernden Korruption im Land, der harten Hand der Regierung
gegenüber kritischen Stimmen sowie hoher Lebenshaltungskosten.
Anfangs reagierten Polizei und Militär mit purer Gewalt gegen die
Demonstranten. Erst als die Premierministerin das Land fluchtartig per
Helikopter Richtung Indien verlassen hatte, stellte sich das Militär auf
die Seite der Protestbewegung. Oberbefehlshaber Waker-uz-Zaman kündigte die
Aufarbeitung aller Verbrechen an, ernannte zudem [2][den
Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus] zum Vorsitzenden einer
Übergangsregierung. Der wiederum hat versprochen, bald Wahlen anschieben zu
wollen.
## Stumme Cricketstars
Einiges deutet daraufhin, dass in Bangladesch demnächst bessere Tage
anbrechen. Inwieweit das auf den Sport zutrifft und damit auf die größten
Idole des Landes, ist ungewiss. Denn während im Land Chaos ausbrach, immer
mehr Prominente Partei für die Protestierenden ergriffen, blieben die
Cricketstars stumm. „Sie haben sich nicht mit uns solidarisiert“, klagt
Sohanur Rahman, ein 27-jähriger Umweltaktivist, der im Juli unter
Lebensgefahr auf die Straße ging, um für Demokratie zu kämpfen.
Rahman sagt etwas, das dieser Tage häufig zu hören ist: „Die Leute verehren
Shakib nicht mehr.“ Und das klingt nahezu unglaublich. Als Kapitän der
Nationalmannschaft Bangladeschs und führender Spieler in mehreren Klubs
verschiedener Länder hat Al Hasan seine Heimat über die vergangenen
eineinhalb Jahrzehnte weltweit als große Cricketnation bekanntgemacht. Kaum
ein Kind, eine Frau oder ein Mann, der den Namen Shakib Al Hasan nicht
kennt. Der Mann ist eine Art lebendes nationales Heiligtum.
Gewesen. Denn jetzt gilt er als Verräter. Kritische Stimmen fanden das zwar
schon länger. Denn als die [3][nun geflohene Hasina] im Januar bei
umstrittenen Wahlen die Mehrheit erlangte, hatte sich auch Shakib Al Hasan
auf ihre Seite geschlagen. Für Hasinas Partei Awami League war er ins
nationale Parlament eingezogen. Es war mal wieder ein Coup: Anders als in
Pakistan oder Indien, wo große Spieler erst nach ihrer aktiven Karriere in
die Politik gingen, machte Al Hasan es schon währenddessen.
Leo Wigger, der beim Berliner Thinktank Candid Foundation die Programme
zu Südasien sowie Eurasien leitet und zum Autorenkreis des Fachmagazins
Zenith gehört, erkannte die Sinnhaftigkeit der Aktion. Vor allem wenn man
bedenke, welcher Partei sich Al Hasan da angeschlossen hatte. Wigger sagte
damals: „Shakib Al Hasan ist einfach ein Star, nicht nur in Bangladesch.
Und ihn politisch einzubinden, ist ein Riesen-PR-Erfolg für die Awami
League von Sheikh Hasina.“
## Posterboy der Regierung
Die damalige Premierministerin soll ihrem neuen Parteikollegin vor der Wahl
versichert haben: „Du musst keine Rede halten. Du musst nur sechs Runs
schlagen.“ Wer im Cricket den auf ihn geworfenen Ball ins Aus befördert,
beschert seiner Mannschaft sechs Runs und damit wichtige Punkte. Und Al
Hasan, der zuvor mehrmals beteuert hatte, kein Interesse an Politik zu
haben, machte mit. Er spielte weiter Cricket, hielt bei politischen Themen
den Mund, galt aber als Posterboy der Regierung.
Nur hat er wohl etwas zu viel geschwiegen – oder in den falschen Momenten.
Denn nun wird dem Cricketer nicht nur vorgeworfen, die Demokratiebewegung
nicht unterstützt zu haben. Er hat sogar eine Klage wegen Mordes am Hals.
Während der wochenlangen Proteste kamen Hunderte Menschen ums Leben. Der
Vater eines der Opfer, die auf der Straße protestierten, hat Shakib Al
Hasan und weitere Personen beschuldigt, als Abgeordnete die Ermordung
angeordnet zu haben. Mehrere Personen stehen nun vor ähnlichen Klagen.
Seither wird der Fall in den Medien breit diskutiert. Mehrere
Cricketspieler haben auch schon darauf reagiert, ihren Mitspieler – der für
die meisten jüngeren Athleten zumindest ein sportliches Vorbild ist – in
Schutz genommen. Der jetzige Nationalmannschaftskapitän Najmul Hossain
Shanto bezeichnet Al Hasan als „wichtige Ressource unseres Landes“, und:
„Er hat das Ansehen Bangladeschs in der Welt über die letzten 17 Jahre
verbessert.“
## Später Seitenwechsel
Shanto solidarisiert sich mittlerweile mit denen, die gegen Sheikh Hasina
protestiert und diese letztlich aus dem Land gejagt haben: „Im neuen
Bangladesch wollen wir alle etwas Neues sehen. Ich hoffe, dass die
Dunkelheit bald dem Licht weichen wird.“ Andere Spieler haben sich ähnlich
geäußert. Aber ob das reicht, um das Vertrauen derer zurückzugewinnen, die
den Wandel herbeiprotestiert haben?
Aktivist Sohanur Rahman ist sich nicht sicher, wie viele im Land von den
Worten der Stars überzeugt sind. „Die Cricketspieler hatten Angst, etwas
gegen die alte Regierung zu sagen, solange sie noch an der Macht war.“ Das
verstehe er. Aber hätten diese Superstars früher die Proteste unterstützt,
hätte es womöglich weniger Tote gegeben. Immerhin, „vor dem Umsturz hat
unsere Nationalmannschaft nicht gut gespielt. Kurz danach aber haben sie
gleich mehrere Spiele gewonnen“, so Rahman.
Ob das als Wiedergutmachung reicht? Bei einem möglichen Gerichtsprozess
gegen den größten Sportler der bangladeschischen Geschichte dürften
Erfolge auf dem Feld ohnehin keine größere Rolle spielen.
20 Sep 2024
## LINKS
[1] /Regierung-in-Bangladesch-gestuerzt/!6025162
[2] /Machtwechsel-in-Bangladesch/!6026465
[3] /Massenproteste-in-Bangladesch/!6027799
## AUTOREN
Felix Lill
## TAGS
Cricket
Bangladesch
Protest
Cricket
Bangladesch
Bangladesch
Kolumne Olympyada-yada-yada
## ARTIKEL ZUM THEMA
Cricket-T20-WM der Frauen: Ein Sport wird größer
In den Vereinigten Arabischen Emiraten findet die Cricket-T20-WM der Frauen
statt. Der Sport verbreitet sich immer mehr. Und Indien träumt vom Titel.
Unruhen in Bangladesch: Brandanschläge auf Textilfabriken
Die Textilindustrie in Bangladesch leidet unter der politisch instabilen
Lage im Land. Händler befürchten Produktionsausfälle.
Machtwechsel in Bangladesch: Bald eine echte Demokratie?
Der Machtwechsel in Bangladesch ist ein kleines Wunder. Das
Übergangskabinett von Muhammad Yunus macht Hoffnung.
Cricket wird olympisch: Verabredung mit den Indern
Mit Cricket bei den Olympischen Spielen sichert sich das IOC indisches
Interesse. Und das bevölkerungsreichste Land will nun Olympia 2036
austragen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.