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# taz.de -- Oderhochwasser: Alles im Griff
> Für eine Entwarnung ist es noch zu früh, aber die Pegel an der
> Brandenburger Oder sinken. Die Menschen nehmen das Hochwasser eher
> gelassen.
Bild: Das legendäre Pegelhäuschen in der Oder
Berlin taz | In Hausschlappen, die Hände in den Taschen seiner ausgebeulten
Jogginghose vergraben, steht ein Mann in einer Gasse und begutachtet die
Oderflut. Eine mit Entengrütze bedeckte Pfütze schwappt vor seinen Füßen.
Um zu messen, wie schnell sich das Wasser ausbreitet, hat der Mann am
Morgen ein Stöckchen an den Wasserrand gesteckt. Jetzt, sieben Stunden
später, steht es zehn Zentimeter vom Rand entfernt im Wasser. Zwei blau
gekleidete Männer von der Freiwilligen Feuerwehr kommen vorbei. „Na, alles
im Griff?“, fragt der eine. Der Mann zeigt auf das Stöckchen. Die
Feuerwehrleute lachen. „Damit registrierst du aber nur die Weite, nicht die
Höhe.“
Die Szene spielte sich am Mittwoch im Ortsteil Fürstenberg von
Eisenhüttenstadt ab. Seit Tagen hält die [1][Hochwasserwelle der Oder]
Landkreise im Osten Brandenburgs in Atem. In Frankfurt (Oder), Ratzdorf und
[2][Eisenhüttenstadt] gilt aktuell die höchste Alarmstufe 4. In Ratzdorf,
wo die Neiße in die Oder mündet, wurde am Mittwoch ein Wasserhöchststand
von 6,09 Metern gemessen – normal sind dort 2,60 Meter.
Aber, auch wenn es noch keiner laut sagt: Entwarnung zeichnet sich ab. Am
Donnerstag wurde vermeldet, dass die Pegelstände langsam sinken. Auch in
Eisenhüttenstadt, wo am Mittwochmorgen noch 6,41 Meter gemessen wurden, ist
das so. Und in Frankfurt (Oder), wo der Scheitelpunkt der Hochwasserwelle
in der Nacht zum Donnerstag angekommen war.
Trotz Wällen aus Sandsäcken, Pumpen und anderer Vorsichtsmaßnahmen hat es
das Wasser mancherorts in Keller und Garagen geschafft. Auch Fürstenberg,
dem am Oder-Spree-Kanal gelegenen Ortsteil von Eisenhüttenstadt, ist das
so. Die Leute nehmen es gelassen. „Musste die Fassade eben nicht mehr grün
anstreichen“, sagt ein Mann zu einem anderen, mit Blick auf die im
Vorgarten stehende Entengrütze.
## Sehr gut vorbereitet
„Wir sind nach außen entspannt“, sagt Frank Balzer (SPD), Bürgermeister v…
Eisenhüttenstadt. „Entspannung ist erst, wenn das Wasser weg ist“. Man sei
sehr gut auf das Hochwasser vorbereitet gewesen. Es habe noch gar keine
Alarmstufe vorgelegen, da habe der Landrat von Oder-Spree schon alles
Erforderliche veranlasst. Jetzt komme es darauf an, dass die Deiche dem
Druck der Wassermassen trotz langsam sinkender Pegelstände weiter
standhalten.
Bis zum Wochenende gilt im Landkreis Oder-Spree noch die Alarmstufe 4. Die
Deichläufer sind weiterhin in Zweierteams im Dreischichtenrhythmus im
Einsatz, um Schwachstellen aufzuspüren. Werden Blasen oder undichte Stellen
gesichtet, sollen sie sofort das Landesumweltamt informieren.
Auch nach Bibern und Nutrias Ausschau zu halten, gehört zum Job der
Ehrenamtlichen. Mit den großen Nagern wird dieser Tage nicht lange
gefackelt. Rund 25 Biber wurden seit Beginn des Hochwassers an der Oder
erlegt – „entnommen“ wie es im Fachjargon heißt. Wenn Hochwasser ist,
gelten Ausnahmeregeln.
Auch sie sei mal Deichläuferin gewesen, erzählt eine 85-jährige Frau, die
sich mit Wanderstöcken in die kopfsteingepflasterten Gassen von
Eisenhüttenstadt vorgewagt hat, um einen Blick aufs Wasser zu werden. „Da
oben, wo ich wohne, sieht man ja nichts.“ Zu DDR-Zeiten sei es üblich
gewesen, dass jeder Betrieb Deichläufer gestellt hat. 1958 sei das gewesen.
## Auch Dietmar Woidke ist da
Auch [3][Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke] (SPD) ist gekommen,
um sich ein Bild zu machen. Zwei schwarze Limousinen aus Potsdam parken im
unteren Teil der Stadt. Woidke spricht mit betroffenen Hauseigentümern,
freut sich, dass die Sandsäcke Schlimmeres verhindert haben, und bedankt
sich bei Einsatzkräften von THW, Feuerwehr und Ehrenamtlichen.
Dann geht es weiter nach Ratzdorf, dorthin, wo 1997 das sogenannte
Jahrhunderthochwasser gewütet hatte. Im Unterschied zu heute gab es dort
damals noch gar keinen Deich. Woidke hat die Jacke ausgezogen, die Sonne
scheint, das blütenweiße Hemd kontrastiert mit dem hinter ihm ruhig
strömenden Oderhochwasser. Er trägt derbe Schuhe, keine Gummistiefel. So
eine PR habe er nicht nötig, bedeutet einer seiner Mitarbeiter. So habe
sich vielleicht mal Gerhard Schröder beim Elbehochwasser gezeigt. Aber
hatte nicht Matthias Platzeck 1997 an der Oder Gummistiefel an? „Ja, aber
da war auch wirklich mehr Wasser“, sagt der Mitarbeiter und lacht. Alle
sind aufgeräumter Stimmung.
Im Hintergrund, mitten im Wasser, steht das legendäre Pegelhäuschen. Beim
Hochwasser 1997 schrieb es Geschichte, als sein hoher Sockel fast gänzlich
umspült wurde. Normalerweise steht es auf dem Trockenen. Damals erreichte
die Oder an dieser Stelle mit 6,90 Meter ihren Höchststand. An diesem
Mittwochnachmittag sind es nur 6,08 Meter. Ein Ratzdorfer rüttelt spaßhaft
an der Spundwand, als wolle er prüfen, ob die Wand dem Wasserdruck
standhalten kann. 1997 sei er hier „selbst mit abgesoffen“ erzählt er.
„Einmal das Wasser zu Hause reicht.“
Zurück in Eisenhüttenstadt, früher Abend: Von einer Brücke aus sieht man
die blauen Fahrzeuge des THW, es ist die Stelle an der die Sandsäcke
gefüllt werden, angeblich 1.500 pro Stunde. 1997 habe es viel mehr
Freiwillige gegeben, erzählt eine Radfahrerin. „Das war ein tolles
Gemeinschaftserlebnis.“ Eine Reporterin von RTL habe mit Gummistiefeln im
Wasser gestanden und bei der Livereportage immer von „Ratzeburg“
gesprochen, belustigt sich ein Sportler in Funktionskleidung.
In einigen Tagen dürfte die Hochwasserwelle den Nordosten Brandenburgs
erreichen. Der Kreis Märkisch-Oderland hat bereits die unterste Alarmstufe
ausgerufen.
26 Sep 2024
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## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Dietmar Woidke
Hochwasser
Eisenhüttenstadt
Biber
Klima
Überschwemmung
Schwerpunkt Stadtland
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