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# taz.de -- Die Wahrheit: Millionärsschwimmen
> Die Badesaison ist seit kurzem auch in Ostwestfalen vorbei. Das
> Abschiedsschwimmen ist das Schönste, was es in dem eh schon schönen
> Schwimmbad gibt.
Seit dem vorigen Wochenende ist die Saison zu Ende. Die Freibad-Saison. Ich
bin Dauerkarteninhaber im Sommerbad Minden. Hier wird erst nächstes Jahr
Ostern wieder die Drehtür aufgeschlossen. Das schönste Bad mindestens in
Ostwestfalen-Lippe, ach komm, bis an die schleswig-holsteinische und
bayerische Außengrenze.
Dass es dieses Bad überhaupt noch gibt, ist dem Förderverein zu verdanken.
Inzwischen bin auch ich da Mitglied. Die Stadt hatte das Bad dicht gemacht,
aber seit 2003 hält der Verein den Laden „am Kacken“, wie der Ostwestfale
sagt.
Weil ich zum eigentlichen „Abschwimmen“ am Samstag nicht konnte, durfte ich
mit dem Orga-Team am Montag, als schon zu war, doch nomma „abschwimmen“.
Wir waren nur zu fünft im ganzen Becken. Wenn du in der Saison einen Moment
erwischst, in dem nur zwei oder vier Menschen im Wasser sind, diesen
glücklichen Moment, niemand drin außer dem weißen Hai und dir – manchmal
morgens um sechs, auch mal gegen neun bei regnerischem Wetter oder, wenn es
herbstlich wird, gegen 18.30 Uhr, bevor ab 19.15 Uhr alle raus müssen –,
also wenn du das gesamte 50-Meter-Becken für dich hast, das nennen wir
still, bescheiden und stolz: „Millionärsschwimmen“.
Während Corona damals hatte ich der Meinen in einer schwachen Stunde
versprochen, mit ihr auf die Zugspitze zu steigen. Das sei ihr
Lebens-traum, hatte sie geflüstert. Härter kann man mich nicht unter Druck
setzen. Ich sprang an wie ein Motorrasenmäher, an dem jemand das
Starterseil zieht. Nach Jahrzehnten kompletter Trainingspause startete ich
in einer Sportart, in der ich nicht sonderlich talentiert war: Schwimmen.
Das hatte den Vorteil, dass ich mein Gewicht nicht komplett selbst tragen
musste – das Wasser tat das Seine.
Ich hatte damals erheblich mehr auf den Rippen als heute, wollte das aber
nicht alles auf den Gipfel tragen müssen. Meine Motivatorin sagte: „Tu was!
Das wär sonst, als würdest du zwei Kisten Mineralwasser mit hochtragen!“
Also musste ich für den Aufstieg Ausdauer auf- und Kilos abbauen. Dabei
schwimme ich gar nicht gut.
Das größte Vergnügen ist das Millionärsschwimmen. Ich entdeckte die
Google-Rubrik: „Stoßzeiten und Live-Besuchsdaten.“ Dort siehst du bei
Google Maps, wie belebt ein Ort in einem bestimmten Moment ist, und kannst
nachschauen, ob du schwimmen gehen willst oder nicht.
Wie aber kommt Google an die Daten? Satelliten beim Überflug? Wird mein
Handy getrackt? Also googelte ich nach den Google-Daten: „Durch die
Auswertung der Standortverlaufsdaten in Echtzeit sind unsere Systeme in der
Lage, solche Spitzen in der Auslastung zu erkennen und als ‚Live-Daten‘ in
Google Maps anzuzeigen.“
Das heißt, meine Freundin kann bei Google sehen, wann ich trainiere, ob
überhaupt, wie viel und wie viele Meter. Fuck! Das Netz weiß, wann ich
schwimmen gehe? Ab Ostern 2025 bin ich da wieder zu sehen.
26 Sep 2024
## AUTOREN
Bernd Gieseking
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Schwimmen
Schwimmbad
Ostwestfalen
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