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# taz.de -- Die Wahrheit: Alles sehr geheimnisvoll
> In Verschwörerkreisen unterwegs auf dem einst vom Urahn geerbten und
> verbrieften Sitz in den Gremien des Weltuntergangs und der
> Endzeitstimmung.
Vor ein paar Monaten wurde ich bei dem Verein eingeführt, der im
Hintergrund die Strippen zieht. Also der New World Order, der jüdischen
Weltverschwörung, dem militärisch-industriellen Komplex, den
Echsenmenschen, den Aldebaranern oder dem ZDF-Fernsehrat, je nach
Weltanschauung und Youtube-Algorithmus. Den wahren Namen darf ich aus
datenschutzrechtlichen Gründen natürlich nicht nennen, wir sind hier immer
noch in der Deutschland-Matrix.
Die Einführung habe ich meinem Urururururgroßvater klonexperimentellerseits
zu verdanken. Der hat sich seinen Sitz verdient, weil er damals Dschingis
Khan aufs Pferd gesetzt oder die Cholera erfunden hat oder den Handyempfang
in Regionalbahnen. Irgendetwas sehr Böses auf jeden Fall. Und da ein Sitz
im Weltherrschaftsrat durch Primogenitur vererbt wird, war jetzt ich an der
Reihe.
Auf dem Rücken zweier exkommunizierter Priester wurde ich zum Ort meiner
Initiation getragen, einem aktuellen Trend folgend ein Potsdamer Landhaus.
Dort wartete bereits eine Vielzahl schwarzberobter Männer auf mich, an
denen ich leise „Dieser Weg“ intonierend vorbeidefilieren musste. Die
Initiation selbst war dann beinahe spartanisch: ein paar Tropfen von
Christi Blut (dem echten immerhin) hinter die Ohren, ein paar Schwüre auf
den Beatles-Bob (glaube ich, die Akustik war furchtbar), das war’s.
Nun ist die letzte Verschwörung gegen meine Mitmenschen schon ein paar
Jährchen her, und damals ging es auch nur darum, meinen Mitbewohnern
unbemerkt die Nutella wegzufuttern. So eingerostet gleich Frösche
verschwulen? Das konnte ich mir nicht vorstellen.
Deshalb nutzte ich die Macht erst einmal nur für kleine Boshaftigkeiten:
Ich ließ besonders volle Züge ausfallen und dann doch kommen – allerdings
mit aufgehobener Sitzplatzreservierung. Ich sorgte dafür, dass die
angenehmste Fernsehlautstärke immer auf einer ungeraden Zahl liegt. Im
Fitnessstudio platzierte ich einen Lakaien, der diese eine Maschine, die
alle benutzen, von der es aber trotzdem nur zwei gibt, für mich besetzt
hält. Auf Reisen sicherte ich mir immer ein babyfreies Zugabteil oder ein
boeingfreies Flugzeug. Solche Dinge eben.
Ein paar Monate lang genoss ich diese Gemeinheiten auch, dann bekam ich
Gewissensbisse. So viel Macht, und ich nutze sie nur für Bagatellen – und
dann auch noch für böse! Also beschloss ich, meinen Sitz nicht nur
aufzugeben, sondern vorher noch die dunkle weltbeherrschende Kabale ans
Licht zu zerren. Schluss mit den geheimen Strippenziehern!
Erst war ich unsicher, wie ich der Welt helfen konnte, ohne sie zu ihrem
Glück zu zwingen. Doch dann kam es mir: Ich werde alle sicht- und
unsichtbare Macht den Reichen und Shareholdern geben. So wird das Volk die
wahren Machthaber locker selbst absetzen können. Für diesen letzten Schritt
braucht es mich dann wirklich nicht mehr.
24 Sep 2024
## AUTOREN
Ernst Jordan
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Verschwörung
Weltuntergang
Geheimnis
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Märchen
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