# taz.de -- Versicherung gegen Elementarschäden: Nötiger denn je | |
> Nur die Hälfte aller Gebäude ist gegen Extremwetter versichert. Eine | |
> Reform könnte das ändern. | |
Bild: In der Eifel haben 2021 heftige Regenfälle und Dauerregen für Überschw… | |
Tief „Anett“ brachte Rekordniederschläge mit bis zu 310 Litern pro | |
Quadratmeter nach Österreich, Tschechien und Polen, auch der Südosten | |
Deutschlands war betroffen. Die Wassermassen fließen vor allem in Oder und | |
Elbe ab, deren Flusspegel aktuell weiter steigen. Immer deutlicher zeigen | |
sich die Zeichen des Klimawandels. Starkregen tritt häufiger und überall | |
auf. Die Folgen sind Flusshochwasser, aber auch Überschwemmungen fernab von | |
Flüssen. Dürren nehmen zu, die Liste der Extreme ist lang. | |
Doch Deutschland passt sich nur langsam an den Klimawandel an. Eine der | |
größten Baustellen ist die unzureichende Verbreitung von | |
Gebäudeversicherungen gegen sogenannte Elementarrisiken wie Starkregen, | |
Flusshochwasser, Erdsenkung und Erdrutsch. Nur 54 Prozent aller Wohngebäude | |
verfügen laut Branchendaten des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) über | |
eine Elementarschadenversicherung. Auch die Streuung ist erheblich: In | |
Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen ist rund ein Drittel | |
versichert, während in Baden-Württemberg fast alle versichert sind. | |
Die Folge: Im Katastrophenfall gerät die Politik immer wieder unter | |
Handlungsdruck und zahlt steuerfinanzierte Nothilfen an unversicherte | |
Gebäudeeigentümer:innen. Und das hat wiederum zur Folge, dass sich im | |
Verlass auf Nothilfen zu wenige freiwillig versichern oder Eigenvorsorge | |
betreiben. | |
Aus diesem Teufelskreis will die Politik ausbrechen – nur wie? Derzeit | |
prüft die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Elementarrisiken“ alle Optionen, mit | |
denen sich die Versicherungsquote im Bereich Elementarrisiken erhöhen | |
ließe, inklusive einer Pflichtversicherung. Justizminister Buschmann hat | |
bereits die Einführung einer Angebotspflicht als mögliche Lösung ins Spiel | |
gebracht. Demnach sollen Gebäudeversicherte einmalig ein unverbindliches | |
Vertragsangebot von ihrem Versicherer erhalten. | |
Eine weitere Option zur Erhöhung der Versicherungsdichte ist die | |
„Opt-out“-Lösung, für die sich der GDV starkmacht. Auch hier würden alle | |
Gebäudeversicherten von ihrem Versicherer ein Angebot erhalten. Der | |
Unterschied zur Angebotspflicht: Wer es nicht ablehnt, ist automatisch | |
versichert. | |
Auch eine Pflichtversicherung wird diskutiert: Damit ließe sich zügig eine | |
flächendeckende Verbreitung erreichen, gleichzeitig stellt sie den | |
stärksten gesetzgeberischen Eingriff dar und müsste daher von einer breiten | |
Mehrheit akzeptiert sein. Eine reine Informationskampagne, die vereinzelt | |
gefordert wird, wäre dagegen ein schwacher Eingriff mit ebenso schwachen | |
Erfolgsaussichten. | |
## Wirksam und beliebt | |
Wie kommen diese Vorschläge bei unversicherten | |
Gebäudeeigentümer:innen an? Welche Versicherungsquoten ließen sich | |
damit erreichen? | |
Diese Fragen lassen sich anhand einer Befragung des Sachverständigenrats | |
für Verbraucherfragen (SVRV) und der Forsa vom Juli unter 617 | |
unversicherten Gebäudeeigentümer:innen beantworten. Die einzelnen | |
Zustimmungswerte für die jeweiligen Reformmodelle wurden auf die 54 Prozent | |
bereits versicherten Gebäude aufgeschlagen, gemäß der Logik: Wer sich | |
freiwillig versichert, würde sich auch im Falle einer Informationskampagne, | |
Angebots- oder Opt-out-Lösung versichern. | |
Das Ergebnis: Mit einer Informationskampagne würde die Quote von 54 Prozent | |
auf 63 Prozent steigen. 73 Prozent wären es bei einer Angebotspflicht und | |
80 beim Opt-out. 29 Prozent der unversicherten | |
Gebäudeeigentümer:innen lehnen dagegen jede Maßnahme ab und 14 | |
Prozent sind sich unsicher. | |
Nach der Akzeptanz einer Pflichtversicherung gefragt, ergibt sich für alle | |
3.051 Haushalte der Stichprobe – das heißt neben den unversicherten auch | |
versicherte Gebäudeeigentümer:innen sowie | |
Mieter:innenhaushalte: 62 Prozent der Haushalte sprechen sich für | |
eine Pflichtversicherung aus. | |
Klar ist: Über die konkrete Reform der Elementarschadenversicherung muss | |
letztlich die Politik entscheiden. Klar ist aber auch: Die ins Spiel | |
gebrachte Angebotspflicht ließe schätzungsweise 27 Prozent der Wohngebäude | |
unversichert. Beim Opt-out wären es noch 20 Prozent. Eine | |
Informationskampagne würde hingegen kaum zu einer Verbesserung der heutigen | |
Situation führen. | |
Warum sich einige Gebäudeeigentümer:innen bisher nicht freiwillig | |
gegen Elementarrisiken versichert haben, ist bekannt: Hier werden neben dem | |
Verlass auf staatliche Nothilfen im Katastrophenfall und einer als | |
subjektiv gering eingeschätzten Betroffenheit von Naturkatastrophen häufig | |
auch vermeintlich hohe Versicherungsprämien als Hinderungsgrund genannt. | |
Doch eine Elementarschadenversicherung muss nicht teuer sein. Je nach | |
Ausgestaltung ließen sich recht moderate Prämien realisieren, wie der | |
Vorschlag des SVRV für eine Pflichtversicherung auf privatrechtlicher Basis | |
zeigt. Dabei wäre jedes Wohngebäude mindestens mit einem Basistarif gegen | |
größere Schäden versichert. Das senkt die Prämien und schafft darüber | |
hinaus einen Anreiz zu mehr Eigenvorsorge. Wer möchte, könnte im Rahmen | |
einer Vollversicherung auch kleinere Schäden versichern, bei entsprechend | |
höheren Versicherungsprämien. | |
Doch noch sind einige Fragen in der Debatte offen, die zügig geklärt werden | |
sollten: Welche Gefahren lassen sich dauerhaft tragfähig versichern? Wie | |
ergänzen sich Schadensvorsorge und Versicherung optimal? Und sollte der | |
Staat bei Großkatastrophen einen Teil der Haftung der Versicherer | |
übernehmen? | |
Auf diese offenen Fragen müssen nun Antworten gefunden werden. Einen | |
flächendeckenden Schutz gibt es aber nur mit einer Pflicht, sich zu | |
versichern. | |
24 Sep 2024 | |
## AUTOREN | |
Christian Groß | |
Hartmut Nickel-Waninger | |
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