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# taz.de -- Krieg in Nahost: Explosive Kommunikation
> Im Libanon explodieren nach der tödlichen Pager-Attacke erneut Funkgeräte
> der Hisbollah – diesmal Walkie-Talkies. Die Angriffe werden Israel
> zugeschrieben.
Bild: Chaos und Verunsicherung: Beirut nach den Explosionen am Dienstagabend
Athen taz | Im Libanon sitzt der Schrecken tief, und er wird noch größer:
Am Dienstagabend erst hatten [1][über Tausende zeitgleich explodierende
Funkgeräte] sowohl Mitglieder der Hisbollah-Miliz als auch
Zivilist*innen getroffen. Dann explodierten 24 Stunden später am
Mittwochnachmittag am südlichen Stadtrand Beiruts und auch im Süden und
Osten des Landes erneut Funkgeräte. Dieses Mal soll es sich um
Walkie-Talkies handeln, wie Nachrichtenagenturen zunächst auf Berufung von
Hisbollah-Kreisen berichteten. AFP-Reporter berichteten von Explosionen
unter anderem in Sidon im Süden und in Baalbeck im Osten des Landes.
Auch Pager und andere „Geräte“ sollen erneut explodiert sein, später
meldete die Nachrichtenagentur des Libanon außerdem, dass auch Solarsysteme
in verschiedenen Gegenden der Haupstadt Beirut explodierten. Mehr als 100
Menschen sollen verletzt worden sein, wie es unter Berufung auf
Ministeriumskreise hieß. Videos im Netz zeigen brennende Wohnungen und
Autos sowie ausgebrannte Motorräder.
Eine Explosion ereignete sich auf einer Trauerfeier für am Vortag getötete
Opfer. Bei der ersten Explosionswelle am Dienstag hatte die libanesische
Regierung auch zwölf Tote gezählt, darunter zwei Kinder und den Sohn eines
Hisbollah-Abgeordneten. Bis zu 2.800 Menschen wurden durch den Anschlag
verletzt, darunter der iranische Botschafter im Libanon. 1.850 Menschen
seien in der Hauptstadt Beirut getroffen worden. Etwas weniger als 300
Menschen seien noch in einem kritischen Gesundheitszustand. Einigen Opfern
mussten Arme oder Finger amputiert werden. Ärzt*innen hätten alleine 460
Augenverletzungen behandelt, sagte der Gesundheitsminister Firas Abiad.
Das Gesundheitssystem war am Rande der Kapazitäten. Innerhalb einer halben
Stunde nach der Explosion seien 2.780 Verletzte eingeliefert worden, so der
Gesundheitsminister. Videos in den sozialen Medien zeigen Menschen, die im
Supermarkt oder auf der Straße zusammensackten, Verletzte mit abgetrennten
Fingern oder schweren Augenverletzungen, überfüllte Krankenhäuser und Panik
auf den Straßen.
Gegen 15.30 Uhr Ortszeit am Dienstag hatten sich Batterien von sogenannten
Pagern überhitzt, die daraufhin detonierten. Mitglieder der Hisbollah,
sowohl des militärischen Teils als auch des parlamentarischen Arms der
Organisation, trugen die Geräte als Kommunikationsmittel in ihren
Hosentaschen umher oder hatten sie daheim liegen. Da die explodierenden
Pager Menschen im alltäglichen Leben trafen, ist kaum zu trennen, wer von
ihnen Hisbollah-Kämpfer und wer Zivilist*in war.
Die Dunkelziffer der getroffenen Hisbollah-Mitglieder dürfte jedenfalls
hoch sein, ebenso unklar sind ihre Funktionen und Ränge. Die Organisation
hat ein Interesse daran, dass Daten wie Aufenthaltsort oder Namen der
Personen nicht an die Öffentlichkeit gelangen und so von Israel abgefangen
werden können. Sicherheitsexpert*innen sagen, Israels Geheimdienst
habe durch die Dokumentation der Explosionsorte und Verletzten nun ohnehin
bereits eine Goldgrube an Informationen.
Pager ermöglichen den schriftlichen Austausch ohne SIM-Karte mit eigener
Funkfrequenz. [2][Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah] hat seine Mitglieder vor
Handys gewarnt: Israel könnte Mobiltelefone leicht hacken und orten. Die
vom Iran finanzierte Hisbollah kämpft gegen das israelische Militär, nach
eigenen Angaben, um die Hamas im Krieg zu unterstützen.
Die Hisbollah habe die Geräte erst Anfang des Jahres erhalten, sagte eine
Quelle aus dem Umfeld der Hisbollah der Nachrichtenagentur AFP. Die Pager
seien „sabotiert“ worden. Der israelische Geheimdienst Mossad habe in 5.000
bestellten Pagern aus Taiwan kleine Sprengsätze angebracht, sagte eine
hochrangige libanesische Sicherheitsquelle der Nachrichtenagentur Reuters.
Der Anschlag sei über viele Monate hinweg vorbereitet worden.
Gleiches berichtete der Sender Sky News Arabia unter Berufung auf eine
„exklusive Quelle“: Der Mossad habe die Funkgeräte abgefangen, bevor sie an
die Gruppe geliefert wurden. Die Spionagebehörde habe „eine Menge des
hochexplosiven Materials Pentaerythritol-Tetranitrat (PETN) in die
Batterien der Geräte eingebaut, die durch Erhöhung der Temperatur der
Batterien zur Explosion gebracht wurden“.
Aufkleber auf Fotos von explodierten Pagern zeigen das Logo der Firma Gold
Apollo. Die taiwanische Firma wies jegliche Verantwortung für eine
vermutete Manipulation von sich. Ein ungarisches Partnerunternehmen namens
BAC Consulting Kft sei Lizenznehmer und habe das Modell hergestellt und
verkauft, so das Unternehmen. Die ungarische Firma wiederum weist den
Vorwurf zurück, die Pager hergestellt zu haben. „Ich mache keine Pager. Ich
bin nur der Vermittler“, sagte die Inhaberin Cristiana Barsony-Arcidiacono,
nach Angaben des Senders NBC News.
## Die Attacke wird Israel zugeschrieben
Die Hisbollah, der Iran und die libanesische Regierung machen Israel für
den koordinierten Angriff verantwortlich. Israel hat sich offiziell nicht
geäußert. Die israelische Regierung deklariert für gewöhnlich keine
Anschläge für sich. Der technisch anspruchsvolle Angriff trägt aber die
Handschrift von Israels Geheimdiensten, die bereits in der Vergangenheit
ähnlich komplexe Attacken durchführten.
Im Libanon fürchtet die Bevölkerung, dass Israel das Chaos und die
offensichtlich gewordene Verwundbarkeit der Hisbollah jetzt nutzen könnte,
um einen zweiten Anschlag folgen zu lassen. Der psychologische Einfluss der
Pager-Attacken auf die Bevölkerung ist jedenfalls immens.
Nun trugen Tausende Menschen unwissentlich Sprengfallen durchs Land, an
öffentliche Plätze. Whatsapp-Gruppen sind voll mit Bildern von Verwundeten.
Man hört die Sirenen der Krankenwagen, die überfüllten Krankenhäuser
brauchen dringend Blutspenden. Das erinnert viele auch an die Katastrophe
im Beiruter Hafen 2020, als Tausende Tonnen Ammoniumnitrat explodierten.
Einige – vor allem christliche– Libanes*innen befürworten den
Pager-Angriff. Sie fragen in Whatsapp-Gruppen, ob es auch Hisbollah-Chef
Nasrallah getroffen habe, und machen sich mit Memes über die
Sicherheitslücke lustig. Sie sehen es kritisch, dass eine bewaffnete Miliz
beansprucht, den Libanon gegen israelische Angriffe zu verteidigen. Die
Hisbollah ist für politisch motivierte Morde bekannt und verhindert seit
vier Jahren die Aufklärung der Hafenexplosion. Der dort falsch gelagerte
Sprengstoff soll der Hisbollah gehört haben. Auf Protesten sind oft Plakate
zu sehen: „Iran raus!“
Die Angst vor einem Krieg zwischen Iran und Israel über die
Stellvertreterstaaten Libanon, Syrien und Irak ist mit dem Pager-Anschlag
wieder angeheizt worden. Die UN warnten, der Krieg könne sich zu einem
internationalen Krieg in der ganzen Region entwickeln. Die Hisbollah-Miliz
drohte Israel am Mittwoch mit Vergeltung. Hisbollah-Chef Nasrallah hat für
Donnerstag eine Rede angekündigt.
18 Sep 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Julia Neumann
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