| # taz.de -- Krieg im Nahen Osten: Schwierige Mission Deeskalation | |
| > Ein umfassender Krieg zwischen der Hisbollah und Israel scheint täglich | |
| > näherzurücken. Er wäre katastrophal und von keiner Seite zu gewinnen. | |
| Bild: Brandbekämpfung auf den Golanhöhen nach einem Raketenangriff am 20. Sep… | |
| Kommt er nun, der Krieg zwischen Israel und der Hisbollah? Eine Ausweitung | |
| der Eskalation zwischen den beiden seit dem 8. September 2023 gegeneinander | |
| kämpfenden Parteien schien wohl nie näher – schon bevor jüngst Tausende | |
| [1][Pager und Walkie-Talkies] von Hisbollah-Mitgliedern explodierten. Der | |
| Angriff betraf vor allem Hisbollah-Mitglieder und damit Militärziele. Das | |
| ist im Verhältnis zu anderen Optionen innerhalb eines Kriegs, etwa | |
| Luftangriffen, präzise. | |
| Dennoch ist die Attacke auf die Pager symptomatisch für den Konflikt: | |
| Israel ist informationstechnisch überlegen, aber kriegsentscheidend ist das | |
| keineswegs. Auch ob man einen strategischen Vorteil gewinnt, ist fraglich, | |
| obwohl durch die Attacke die Kommunikationsstruktur der Hisbollah | |
| geschädigt wurde. Israel scheint nach wie vor zu einer Bodenoffensive wenig | |
| bereit zu sein. Und dass die Hisbollah weiterhin befähigt ist, Nordisrael | |
| zu beschießen, bewies sie nach der Pagerattacke erneut. | |
| Wie könnte Israel also die Hisbollah zurückdrängen und das Grenzgebiet | |
| sichern? Eine Ausweitung der Luftangriffe oder eine Bodenoffensive wären | |
| fatal: Beide Parteien befinden sich in einer gefährlichen Pattsituation | |
| zueinander. Israel und die Milizen der Hisbollah sind in der Lage, sich | |
| gegenseitig immensen Schaden zuzufügen. Das [2][Arsenal von angeblich mehr | |
| als 150.000 Raketen], das die Hisbollah in den Jahren seit dem letzten | |
| großen Krieg zwischen ihr und dem Libanon 2006 aufgebaut hat, stellt nicht | |
| nur für den Norden Israels eine gefährliche Bedrohung dar. | |
| In einer Bodeninvasion würden außerdem die technischen Vorteile Israels | |
| gegen die Guerillataktiken der Hisbollah im unwegsamen Gelände des | |
| Südlibanon weniger relevant. Dazu kommt Israels Kapazitätsproblem: Zu viele | |
| Bodentruppen sind noch im Gazastreifen eingebunden, die Reserven immer mehr | |
| ausgeschöpft. Und wie lange die Bevölkerung bereit wäre, auch noch eine | |
| zweite Bodenoffensive mitzutragen – und teils mit dem Leben zu bezahlen – | |
| ist fraglich. | |
| ## Ein Deal würde den Konflikt nicht lösen | |
| Die Hisbollah ist erklärtermaßen bereit zu einem Deal; vorausgesetzt, es | |
| kommt zu einem Geisel- und Waffenstillstandsabkommen mit der Hamas. Damit | |
| wäre allerdings nur eine temporäre Lösung erreicht, die lauernde Gefahr an | |
| der Nordgrenze würde bleiben, die Hisbollah-Miliz wohl weiter ihre | |
| Stellungen ausbauen – bis zum nächsten Ausbruch eines Konflikts, an dem | |
| sich die iranisch unterstützen Militanten beteiligen werden. Ein Deal würde | |
| weniger ein Kriegsende bedeuten – nur eine Pause. | |
| Um dauerhafte Waffenruhe zu erreichen, müsste sich an ein erstes Abkommen | |
| ein weiteres anschließen. Theoretisch liegt es bereits vor: die | |
| [3][Resolution des UN-Sicherheitsrates 1701] aus dem Jahr 2006, die damals | |
| zum Waffenstillstand führte. Die Hisbollah sollte sich bis hinter den Fluss | |
| Litani zurückziehen, Israel würde aus dem Libanon abziehen. Die Resolution | |
| wurde zwar formal verfügt, aber – vom Rückzug der israelischen Truppen | |
| abgesehen – nie wirklich umgesetzt. | |
| Dass deeskalierende Maßnahmen beschlossen werden, aber in der Realität | |
| nichts bringen, hat Tradition: Seit 1978 gibt es die UN-Beobachtungsmission | |
| Unifil an der Grenze zwischen Libanon und Israel. Sie hat die Hisbollah nie | |
| in die Schranken weisen können – 2006 nicht und auch heute nicht. Dabei ist | |
| das Konzept der Resolution 1701 und auch der Unifil gut: Beide zusammen | |
| sollten die Möglichkeit der Hisbollah, Israel anzugreifen, deutlich | |
| schwächen und gleichzeitig sicherstellen, dass die territoriale Integrität | |
| des Libanon gewahrt bleibt. | |
| Ihre Umsetzung bräuchte aber echten, internationalen Druck auf beide | |
| Parteien. Gerade die westliche Welt ist zum Nahostkonflikt auf Distanz | |
| gegangen: Man sichert Israel das Recht auf Selbstverteidigung zu, | |
| verurteilt Kriegshandlungen, ermahnt zur Mäßigung und ist schockiert über | |
| zivile Opfer. Es gibt keine echte Initiative mehr, den Konflikt zu beenden | |
| – stattdessen wird er beobachtet, höchstens gemanagt. | |
| ## UN-Resolution umsetzen | |
| Dabei stünde – gerade weil sich die Hisbollah und Israel nun in einer Art | |
| Pattsituation befinden – jetzt die Option im Raum, erneut diplomatisch | |
| mutig zu sein. Immer nur zu fragen, wie eine noch größere Eskalation zu | |
| vermeiden sei, reicht nie an die Wurzel des Konflikts – und ist damit immer | |
| nur ein Spiel auf Zeit. Der erste Schritt ist nun, die drohende Eskalation | |
| abzuwenden, und mit verstärktem Druck Hamas und Israel zu [4][einem | |
| Geiseldeal] zu bewegen. | |
| Auch im Anschluss ist die internationale Gemeinschaft gefragt, den Druck | |
| weiter zu erhöhen, gerade auf die Hisbollah und ihren Hintermann Iran – bis | |
| bereits Vereinbartes, das diesen Krieg in seiner heutigen Form wohl hätte | |
| vermeiden können, endlich umgesetzt wird. | |
| 20 Sep 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Krieg-in-Nahost/!6034370 | |
| [2] https://www.tagesschau.de/ausland/waffenarsenal-hisbollah-100.html | |
| [3] https://undocs.org/Home/Mobile?FinalSymbol=S%2FRes%2F1701(2006)&Languag… | |
| [4] /Sechs-Geiseln-aus-Gaza-tot-geborgen/!6030949 | |
| ## AUTOREN | |
| Lisa Schneider | |
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