# taz.de -- 10. Geburtstag des Blogs „10 nach 8“: Feministische Aufschreie | |
> Politisch und poetisch ist das Blog „10 nach 8“, für das Frauen über | |
> politische wie private Themen schreiben. Nun feiert es 10-jähriges | |
> Jubiläum. | |
Bild: Der Blog „10 nach 8“ spiegelt seit 10 Jahren die Stimmen von bisher 6… | |
Für manche ist es 5 vor 12, für andere 10 nach 8. Zumindest für jene 600 | |
Frauen, die regelmäßig die Kolumne [1][„10 nach 8“] auf Zeit Online zu dem | |
machen, was sie ist: ein kleines [2][feministisches Juwel] in der | |
Medienlandschaft. Jetzt feiert das Blog-Kollektiv sein zehnjähriges | |
Jubiläum – und gibt aus diesem Anlass eine Anthologie mit 30 der 1.500 | |
bislang erschienenen Texte heraus, die im Frühjahr 2025 erscheint. | |
Zehn Jahre „10 nach 8“, das sind nicht nur Texte ausschließlich von Frauen | |
aus ihrem eigenen oder dem Leben anderer Frauen, das ist auch ein Blick auf | |
Deutschland und die Welt. So schreiben seit einigen Jahren verstärkt | |
syrische, afghanische, [3][iranische, belarussische Frauen], sie bringen | |
Flucht- und Diskriminierungserfahrungen mit, erzählen von Krieg und | |
Sexismus, von Verlust und Neuanfang. | |
Grundsätzlich ist die Themenwahl überaus breit: [4][Osteuropa], DDR, | |
Kinder, Sex, Familie, Science-Fiction, Sport, Psychologie, Alter – im | |
Grunde alles, was Frauen in ihrem Alltag umgibt, umtreibt, ärgert. | |
Nicht jeder Text ist für jede gleichermaßen interessant, aber jeder erfüllt | |
die Kategorien, mit denen sich „10 nach 8“ selbst beschreibt: politisch, | |
poetisch, polemisch. | |
Da schreibt etwa die kroatische Schriftstellerin Slavenka Drakulić über | |
ihre Freundin in der Ukraine und dass sich Länder auf einen Krieg | |
vorbereiten können, Menschen aber weniger. Da erzählt die in der Schweiz | |
lebende Rundfunkautorin Hannah Krug über Russen in Estland und dass sie für | |
Putins Angriffskrieg auf die Ukraine bezahlen müssen. Da denkt die Polin | |
Patricia Friedek über den Frauentag in ihrem Heimatland nach. | |
## Gescheiterte Fat-Acceptance-Bewegung und Sommerblues | |
Es geht auch um Themen wie Homeoffice, Tränen, Dating-Shows auf Netflix, | |
Weihnachten. Die in Leipzig lebende Literaturkritikerin Marlen Hobrack | |
kritisiert die Fat-Acceptance-Bewegung als gescheitertes | |
Social-Media-Phänomen; Elke Brederick, die in Berlin Deutsch unterrichtet, | |
bekommt den Sommerblues bei dem Besuch ihrer alten Heimatstadt Halle an der | |
Saale in Sachsen-Anhalt; Rebecca Maria Salentin regt sich auf, dass | |
Outdoorsport noch immer Männersache ist. Sie selbst war 2.700 Kilometer | |
gewandert und 10.000 Kilometer Rad gefahren. | |
Das Besondere an den „10 nach 8“-Macherinnen ist, dass sie nicht | |
ausschließlich Journalistinnen und Autorinnen sind, sondern in ihren | |
Berufen so divers wie in ihrer Herkunft: Wissenschaftlerinnen, | |
Mitarbeiterinnen in politischen Einrichtungen, Künstlerinnen, | |
Unternehmerinnen. Das ist kein Zufall, sondern Absicht. | |
Als das „10 nach 8“-Kollektiv vor über zehn Jahren entstand, war das ein | |
ausdrückliches Ziel, sagt Annett Gröschner, eine der Gründerinnen: „In | |
unseren Augen waren Frauen zu wenig präsent, in den Talkshows, in den | |
Akademien, in der Politik. Wir wollten zeigen, dass es ausreichend | |
kompetente Frauen gibt – man muss sie nur finden und sie machen lassen.“ | |
So entstand die Idee, diesem Anspruch ein öffentliches Podium zu geben. | |
Frank Schirrmacher, damals Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, | |
bot dem Blog-Kollektiv ein mediales Zuhause, am 11. November 2013 erschien | |
die erste Kolumne, sie stammte von Annika Reich, Essayistin und Aktivistin. | |
## Gegenpol zu misogynen Ergüssen | |
Schon damals ausschließlich online und unter dem Titel „10 vor 8“. Der | |
morgendliche feministische Aufschrei war zudem ein Gegenpol zu misogynen | |
Ergüssen wie den von Don Alphonso, der mit seinem Blog kaum eine | |
Gelegenheit ausließ, gegen Frauen, Linke, Andersdenkende zu wettern. | |
Nach Schirrmachers Tod im Juni 2014 zog das Blog um zu Zeit Online, heißt | |
seitdem „10 nach 8“ und erscheint abends, zunächst dreimal, später zweimal | |
wöchentlich, aktuell einmal in der Woche, ästhetisch bebildert, liebevoll | |
präsentiert. | |
Von den zehn Gründerinnen sind noch sechs dabei, alle betreuen das Projekt | |
nebenberuflich. Sie sammeln Themen ein, betreuen die Autorinnen, | |
redigieren, schreiben selbst. „Es ist mühseliger geworden“, sagt Annett | |
Gröschner: mehr Social-Media-Kanäle, die intensiver gepflegt werden müssen, | |
ein neuer Insta-Account, der bespielt werden will. | |
Wie werden die nächsten zehn Jahre von „10 nach 8“ sein? Elisabeth | |
Wellershaus, Theaterwissenschaftlerin, „10 nach 8“-Redakteurin und Lektorin | |
(gemeinsam mit Caroline Kraft) der Jubiläumsanthologie, ist zurückhaltend | |
optimistisch: „Hoffentlich noch diverser, abseitiger und weiterhin so offen | |
wie möglich.“ | |
Annett Gröschner ist vorsichtiger: „Wer weiß, ob es dann überhaupt noch | |
Zeitungen gibt.“ Das aber kann „10 nach 8“ egal sein, das Blog kennt ja | |
nichts anderes als online only. | |
18 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zeit.de/10nach8 | |
[2] /Neuer-Roman-von-Camille-Laurens/!6031493 | |
[3] /Zwei-Jahre-Frauenproteste-im-Iran/!6034100 | |
[4] /Abgaswerte-in-Osteuropa/!6034179 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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einzuladen. |