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# taz.de -- Fußball-Vorbilder im Kampf gegen rechts: Das Verschwinden linker D…
> Warum es im Kampf gegen rechts keine schillernden Figuren mehr gibt – wie
> etwa den französischen Unternehmer und Sportfunktionär Bernard Tapie.
Bild: Scheute keine politische Debatte: der Unternehmer und Politiker Bernard T…
Angesichts des Aufstiegs der extremen Rechten stellt sich die Frage, auf
welche Weise sich auch der Fußball dagegen positionieren kann. Eines von
vielen historischen Vorbildern – ein sehr schillerndes obendrein – [1][ist
der 2021 verstorbene Bernard Tapie.]
Tapie wird 1943 geboren und wächst in Le Bourget auf, einem Vorort von
Paris. Er ist der Sohn eines Schlossers und einer Krankenpflegerin. Seine
berufliche Karriere beginnt er als Sänger und Formel-3-Fahrer, nach einem
Unfall eröffnet er ein Fernsehgeschäft, um es dann mit Gewinn wieder
abzustoßen.
Er wird Unternehmer und vertreibt unter anderem Notrufbeeper für
Herzkranke. Ein Kunde kommt zu Tode, vermutlich auch, weil der
Bereitschaftsdienst keinen Mediziner schickt, sondern einen ehemaligen
Lieferwagenfahrer. Die Ärztekammer klagt: Tapie wird zu einem Jahr auf
Bewährung verurteilt. Ab 1977 spezialisiert er sich auf den Aufkauf
insolventer Unternehmen, die er saniert. 1984 erwirbt er den
Batterienhersteller Wonder für einen symbolischen Franc und verkauft ihn
vier Jahre später für 400 Millionen Francs weiter.
Der größte Coup, aber kein Einzelfall: Bald, sehr bald schon ist Tapie ein
reicher Mann. Beliebt ist er auch: 1984 wählt ihn das Publikum zu
Frankreichs „Mann des Jahres“. Zwei Jahre später realisiert er die Dokusoap
„Ambitions“, in der er einem jungen Kandidaten hilft, ein Unternehmen
aufzubauen. Das war einer der Vorläufer zu „The Apprentice“.
## Bekanntschaft mit Mitterand
Seine Leidenschaft gilt dem Sport. 1984 übernimmt er ein Radfahrteam, das
drei Mal [2][die Tour de France] gewinnt, und kauft für einen symbolischen
Franc Olympique Marseille, das unter seiner Präsidentschaft von 1989 bis
1993 durchgängig französischer Meister wird, 1989 den französischen Pokal
und 1993 – die Krönung – die Champions League gewinnt.
Bereits 1990 hat Tapie Adidas gekauft. Es ist „das Geschäft seines Lebens“,
wie er sagt. Der Satz wird ihn später noch einholen. Er verordnet ein
komplettes Redesign (seither trägt Adidas drei Streifen im Logo) und lagert
einen Großteil der Produktion nach Asien aus. Ab 1993 ist die Firma wieder
rentabel und Tapie verkauft sie an seine Bank, den staatlichen Crédit
Lyonnais.
Parallel dazu verfolgt Bernard Tapie seine politische Karriere. Er lernt
den französischen Präsidenten François Mitterand kennen und kandidiert 1989
in einem als aussichtslos geltenden Wahlkreis: Den er schlussendlich
gewinnt.
Tapie macht schon früh den Kampf gegen den Front National zu seinem
Anliegen. Während die etablierten Politiker den Front National am liebsten
wegignorieren würden, scheut er die Konfrontation nicht. Le Pen könne man
verurteilen, so die allgemeine Haltung, aber nicht seine Wähler, die aus
Protest, Verzweiflung, Angst und mangelnder Aufmerksamkeit von ihren
Gefühlen fehlgeleitet seien. Tapie hingegen sagt es deutlich: „Wenn Le Pen
ein Drecksack ist, sind es seine Wähler auch.“ Er begibt sich auf
FN-Versammlungen. Als man ihn aufs Podium holt, fordert er in seiner Rede
die Anwesenden auf, sich bei der nächsten Morgentoilette vollzukotzen.
## Tapie ist pleite
Bei einer Fernsehdebatte droht er Jean Marie Le Pen Dresche an. 1992,
endlich, wird er ‚Minister für die Belange der Städte‘. Er will sich vor
allem um die Probleme in den Banlieues kümmern. Knapp einen Monat nach
seiner Berufung wird ihm Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen.
Tapie lässt sein Amt ruhen, so lange die Ermittlungen andauern. Im Januar
1993 kehrt er zurück, im März wird die Regierung abgewählt.
Bereits ein Jahr zuvor hat Tapie Adidas abgestoßen, um dem Vorwurf eines
Interessenkonflikts vorzubeugen. Eine Tochterfirma des staatlichen Crédit
Lyonnais erwirbt das Unternehmen für 2 Milliarden Francs. Tapie hat noch
einige Schulden bei seiner Bank und zählt darauf, sie durch den sukzessiven
Verkauf weiterer Unternehmen tilgen zu können. Aber der Crédit Lyonnais
lässt Tapie auflaufen und erklärt ihn für zahlungsunfähig. Tapie ist
pleite, der Front National setzt unter Marine Le Pen zu einem Höhenflug an.
Tapie ist die französische, spiegelverkehrte Version von Trump: mit dem
Unterschied, dass seine Geschichte mit seiner Pleite abbricht. Diese Sorte
Hasardeur engagiert sich inzwischen lieber in der extremen Rechten, wo sie
mehr Schutz für sich und die eigenen Interessen zu erwarten hat. Trump
gegen rechts, das könnte die Moral der Geschichte sein, funktioniert nicht.
Als sich in den 80ern und teils in den 90ern im Westen in einigen Kurven
Nazis breitgemacht hatten, brauchte es vor allem Widerstand auf den Rängen,
auch und vor allem handfesten.
Politisch stabile Kurven – gegen die deutsche Fußballunternehmer wie
Dietmar Hopp oder Martin Kind [3][oder Uli Hoeneß regelmäßig ankämpfen] –
sind alternativlos. Sie sinnlos zu bekämpfen, ist selbst schon Teil der
Barbarei.
18 Sep 2024
## LINKS
[1] /Nachruf-auf-Selfmademen-Bernard-Tapie/!5801369
[2] /Tour-de-France/!t5014248
[3] /Kritischer-Fussballfan-ueber-Katar/!5884022
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
Kolumne Helden der Bewegung
Bernard Tapie
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen
Jugend vor den Ostwahlen
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
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